Magical Girl

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Vernarbter Zauber

Es gibt gleich zwei magische Mädchen in Carlos Vermuts Film Magical Girl: Das eine ist die 12-jährige Alicia (Lucia Pollan), die an Leukämie erkrankt ist und unbedingt einmal das Magical-Girl-Kleid tragen möchte, das einst die japanische Sängerin Megumi an hatte. Nachdem sie wieder ins Krankenhaus musste und ihr Vater Luis (Luis Bermejo) erfahren hat, dass sie ihren 13. Geburtstag nicht mehr erleben wird, setzt er alles daran, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Aber das Kleid ist ein Einzelstück und kostet weit mehr als sich der arbeitslose Lehrer leisten könnte.
Also überlegt er, ob er in einen Juwelierladen einbrechen soll. Als er vor dem Laden steht, fällt plötzlich Erbrochenes von oben auf seine Jacke – und hier trifft er das andere ‚magische’ Mädchen. Barbara (Barbara Lennie) zauberte einst als Teenager im Unterricht einen Zettel weg, doch nun ist sie erwachsen geworden und steckt in einer Ehe mit dem dominanten Psychiater Alfredo (Israel Elejalde). Scheinbar hatte er sie kurz vor ihrer Begegnung mit Luis verlassen, deshalb hat sie ihren Kopf gegen einen Spiegel gehauen und wollte sich mit den Tabletten, die sie laut ihres Mannes nehmen muss, das Leben nehmen. Daraufhin musste sie sich übergeben – und hat Luis kennengelernt. Ihre Begegnung hat weitreichende Folgen: Sie lädt ihn in die Wohnung ein, sie haben Sex und Luis erkennt die Möglichkeit, Barbara zu erpressen, um Alicia das Kleid kaufen zu können.

In Magical Girl entfaltet sich eine sehr eigene Welt, in der alle Charaktere leicht beschädigt wirken. Barbaras Ehemann ist kontrolliert dominant, sie selbst schaut Fernsehen, damit sie Menschen sehen kann, denen es schlechter geht als ihr, und ist oder wurde Masochistin. Luis verzweifelt angesichts der Situation seiner Tochter, ein anderer Lehrer will nicht aus dem Gefängnis entlassen werden, weil er sich vor einer Begegnung fürchtet. Sie alle werden durch Barbaras und Luis’ Begegnung gekonnt miteinander verbunden, dabei stecken die Szenen voller Zynismus und Humor. So soll Barbara die erpresste Summe in der Bücherei in einer Ausgabe der spanischen Verfassung verstecken, da diese sowieso keiner lesen, geschweige denn ausleihen werde. Und als Barbara mit der Narbe auf ihrer Stirn eine alte Bekannte aufsucht, betont diese, wie gut ihr diese Verletzung stünde. Daneben gibt es berührende Momente: Früh im Film fragt Alicia ihren Vater erst, ob sie eine Zigarette haben könnte, danach nach einem Gin Tonic. Er erfüllt ihr diese Wünsche, da er weiß, dass sie es wohl niemals später ausprobieren kann.

Insbesondere in der ersten Stunde des Films werden die Personen und verschiedenen Stränge virtuos und originell eingeführt, so dass der Film zugleich seine Handlung als auch seinen Ton etabliert. Dabei funktioniert in diesem Film auch fast alles als zynischer Kommentar zur Wirtschaftskrise: Lehrer sind im Gefängnis oder arbeitslos, sie werden zu Mördern und Erpressern. Eine Frau, deren Körper zerschunden ist, wird als schön bezeichnet, sadomasochistischer Sex scheint als einziger Ausweg aus dem Dilemma.

Magical Girl ist ein wunderbar eigen- und hintersinniger Film mit einem folgerichtigen Ende, gut gespielt und inszeniert.

Magical Girl

Es gibt gleich zwei magische Mädchen in Carlos Vermuts Film „Magical Girl“: Das eine ist die 12-jährige Alicia (Lucia Pollan), die an Leukämie erkrankt ist und unbedingt einmal das Magical-Girl-Kleid tragen möchte, das einst die japanische Sängerin Megumi an hatte. Nachdem sie wieder ins Krankenhaus musste und ihr Vater Luis (Luis Bermejo) erfahren hat, dass sie ihren 13. Geburtstag nicht mehr erleben wird, setzt er alles daran, ihr diesen Wunsch zu erfüllen.
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