Hieronymus Bosch - Schöpfer der Teufel (2015)

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

Der Teufel liegt im Detail

Die absonderlichsten Kreaturen bevölkern die Gemälde von Hieronymus Bosch: bizarre, in ihrer wohl überlegten Zusammensetzung doch seltsam funktionale Wesen. Mit stelzenartigen Beinen und Schnäbeln, einem Trichter oder Kessel auf den Kopf gestülpt. Flügel brechen aus ihren Rümpfen hervor, die wiederum in grotesk gekrümmten Krötenbeinen enden. Aber es sind die Eulen, die den Forschern Rätsel aufgeben. Bis zu zwanzig der majestätischen Vögel thronen prominent in den Bildern – je nachdem, welche der Werke man zu Boschs Œuvre zählt.

Dass allein die grundlegende Frage nach dem Œuvre alles andere als leicht zu beantworten ist, wird während der Sichtung von Hieronymus Bosch — Schöpfer der Teufel bald klar. Zum 500. Todestag des Malermeisters will ein aus Kunstwissenschaftlern, -historikern und Fotografen bestehendes Team in dessen niederländischen Heimatstadt ’s-Hertogenbosch eine große Ausstellung auf die Beine hieven – nur befinden sich Boschs Werke in Museen auf der ganzen Welt verteilt. Pieter van Huystees Dokumentarfilm beginnt noch mit mystisch dräuender Musik und einer Kamera, die durch zwei Gucklöcher ganz nah über ein Gemälde tastet. Aber es ist nur ein kurzer Moment des Verweilens bei der Kunst selbst. Danach gibt es sie fast nur noch unter dem zwischengeschalteten Blick der Experten zu sehen. Denn die Arbeit an der Ausstellung wird zur Schatzsuche, zur Detektivarbeit, zum Politikum. Der Prado in Madrid verfügt über die meisten Kunstwerke, aber eine Matrone, die in Millisekunden vom Nette-Tanten- in den Furienmodus wechseln kann, wacht dort darüber, dass niemand sich den Bildern ohne ihre Befugnis nähert und um Himmels Willen niemand das Triptychon schließt. Die Kollegen in Rotterdam verhalten sich unkollegial, stellt man stirnrunzelnd fest, und Venedig will Hilfe bei der Restaurierung der eigenen Stücke.

In seiner Laufbahn hat Pieter van Huystee unzählige Dokumentarfilme als Produzent begleitet und offensichtlich hat er dabei ein gutes Auge dafür entwickelt, welche Menschen so etwas wie einen Unterhaltungsfaktor mitbringen. Im Gegensatz zu vielen anderen Kunst-Dokumentarfilmen ist Hieronymus Bosch — Schöpfer der Teufel deswegen weniger Malerbiografie, kunsthistorische Vorlesung oder ASMR-fähiges Über-die-Schulter-Schauen bei kleinteiligen Restaurationsarbeiten, sondern eher ein Film über die Menschen, die Bosch in den Kontext setzen, in dem wir ihn und sein Werk heute betrachten. Über Menschen, die im Kern liebenswerte Nerds sind. Die in ihrem ganz eigenen Universum stundenlang über die Altersbestimmung eines Holzrahmens diskutieren können. Deren Augen leuchten, wenn es eine neue Software erlaubt, großformatige Röntgenbilder und Infrarot-Fotos bequemer miteinander zu vergleichen. Die abends im Hotelzimmer noch am Computer hocken, um anhand aller je von Bosch gezeichneten Ohren herauszufinden, was die geniale Hand des Meisters ausmacht.

Es gibt diese wunderbaren, kleinen Beobachtungen in Hieronymus Bosch — Schöpfer der Teufel: In Boschs drittem Gemälde der Kreuztragung Christi findet sich bei allen wichtigen Figuren – jenen nämlich, die den Betrachter direkt anzuschauen scheinen – ein winziger Tupfer zinnoberroter Farbe in den Augenwinkeln. Erst dieses leicht zu übersehene Detail ist es, das ihren Blicken Tiefe verleiht, und so etwas wie Menschlichkeit. Die Details scheinen überhaupt der einzige Weg zu sein, sich dem Werk Hieronymus Boschs zu nähern, der in seinen höllischen Gemälden nur zu gern den mittelalterlich religiösen Fanatiker heraushängen lässt, um schon Zentimeter weiter der Erneuerungskraft der Renaissance zu frönen. Was hat es also mit den rätselhaften Eulen auf sich? Als Symbol der Weisheit galten sie im 15. Jahrhundert noch nicht. Sie könnten den Teufel symbolisieren, sinniert der Teamleiter, als gäbe es keine drängendere Frage auf der Welt. Je länger der Film läuft, desto eher scheint das der Realität zu entsprechen. Die Altersbestimmung der bemalten Holzplatten ergibt, dass manche Bäume erst nach dem Tod des Künstlers gefällt wurden. Gemälde, die als Maßstab für einen echt Bosch galten, scheiden plötzlich aus dem Gesamtwerk aus, und die ganze Welt steht auf dem Kopf. Wenn Hieronymus Bosch — Schöpfer der Teufel also mehr Fragen aufwirft als er beantwortet, dann stupst er seine Zuschauer liebevoll in Richtung der Erkenntnis, dass es sich lohnt, genauer hinzuschauen.
 

Hieronymus Bosch - Schöpfer der Teufel (2015)

Die absonderlichsten Kreaturen bevölkern die Gemälde von Hieronymus Bosch: bizarre, in ihrer wohl überlegten Zusammensetzung doch seltsam funktionale Wesen. Mit stelzenartigen Beinen und Schnäbeln, einem Trichter oder Kessel auf den Kopf gestülpt. Flügel brechen aus ihren Rümpfen hervor, die wiederum in grotesk gekrümmten Krötenbeinen enden. Aber es sind die Eulen, die den Forschern Rätsel aufgeben.

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Meinungen

Gudrun Spörl · 13.10.2016

Der Trailer hat lediglich englische Untertitel- wie ist der Film im Kino untertitelt? Es wäre schade, wenn man in einem Dokumentarfilm dessen Inhalt nicht verstehen könnte!!!