Familienfieber

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Eine Hoffnung für das deutsche Kino

Nico Sommer ist ein vergleichsweise junger Regisseur. Daran ist jetzt erst einmal nichts Besonderes, denn davon gibt es ja bekanntlich viele. Besonders ist aber seine Themenwahl oder anders gesagt, die Altersgruppe seiner Protagonisten. Schon Silvi, der 2013 in den Kinos lief, kreiste um eine fast 50-jährige Titelheldin und mit Familienfieber entfernt sich Nico Sommer schon wieder von seiner eigenen Generation. Erneut sind es Beziehungen des mittleren Alters, in diesem Fall ergänzt durch ein jugendliches Liebespaar, die den Dreh- und Angelpunkt der Handlung bilden.
Mit seiner Eingangssequenz führt der Regisseur sein Publikum in Windeseile in die Grundstimmung und das Thema seiner Geschichte ein. Die Eheleute Uwe (Peter Trabner) und Maja (Kathrin Waligura) teilen sich morgens das Badezimmer. Scham gibt es ebenso wenig wie körperliche Anziehung. Während Uwe auf der Toilette sitzt und vergisst, die Spülung zu ziehen, ist an Majas Gesicht die Distanz abzulesen, die diese in Routine verfallene Beziehung kennzeichnet. Darum ist es wahrlich keine Überraschung, wenn Maja wenige Szenen später mit einem anderen Mann im Bett liegt.

Nico Sommer zeigt zwei scheiternde Ehen, die unerwartet zu einem großen System, einer Familie zusammenwachsen. Tochter Alina möchte Uwe und Maya die Eltern ihres neuen Freundes Nico (Jan Amazigh Sid) vorstellen. Was niemand ahnt: Nicos Vater Stefan (Jörg Witte) ist eben jener Mann, mit dem Maja eine Affäre unterhält. So wird die Familienzusammenführung zu einer tickenden Zeitbombe, deren Explosion Nico Sommer seinem Publikum frühzeitig ankündigt. Die chronologische Handlung der Elternvorstellung wird immer wieder durch Interviewsequenzen durchbrochen, die den vier Hauptfiguren zur Klärung ihrer Verhältnisse dienen.

Auch wenn Familienfieber als Tragikomödie konzipiert ist, überwiegen schließlich die komödiantischen Elemente bei weitem. Insbesondere Peter Trabner, der hier als trotteliger Unsympath auftritt, erzeugt eine Menge Humor. Leider geht Nico Sommer mit seiner Gallionsfigur wenig sorgsam um und animiert das Publikum immer wieder dazu, über Trabners üppige Körperform zu lachen. Der mangelnde Respekt gegenüber der Figur schmälert wahrlich die Begeisterung über die gelungene Komik der Inszenierung. Letztlich ist die Geschichte von großer Tragik: Gleich zwei Ehen drohen zu zerbrechen, während die Kindergeneration ihre eigene Beziehungskrise durchlebt. Witzfigur Uwe ist eigentlich ein tragischer Held, der Mitgefühl statt Schadenfreude verdient. Kritikwürdig ist dabei weniger die Tatsache, dass hier tragische Ereignisse komödiantisch inszeniert werden, sondern die wiederholte und buchstäbliche Bloßstellung einer Figur.

Sieht man von diesen vornehmlich moralischen Bedenken einmal ab, ist Nico Sommer ein wahrhaft unterhaltsamer Film gelungen. Familienfieber ist ausschließlich durch Improvisation entstanden. Das „Drehbuch“ ließ sich auf einer DinA4-Seite notieren. Die vier Hauptdarsteller, zu denen neben den genannten außerdem Deborah Kaufmann als Stefans Frau Birgit gehört, erschaffen glaubwürdige und kohärente Charaktere, die das Interesse des Zuschauers wecken können. Ihr Schauspiel ist von einer Energie, die wohl nur durch Improvisation erreicht werden kann. Doch das Konzept hat auch seine Schattenseiten und beim Zusammenschnitt der einzelnen Passagen ist es Nico Sommer und Cutter Bernhard Strubel leider nicht gelungen, den Spannungsbogen der Geschichte über die gesamte Handlung zu spannen. Insbesondere im letzten Drittel zieht sich der Film trotz einer knappen Gesamtlänge von nur 80 Minuten fühlbar in die Länge. Je mehr sich die Situation auf der Leinwand zuspitzt, je mehr Ernst die Komik ablöst, desto weniger hat Familienfieber seinem Publikum zu bieten. Auch das Zusammenspiel der Generationen funktioniert nur teilweise. Alinas und Nicos Subplot, der Idealismus einer aufkeimenden Liebe, soll wohl als Gegenstück zu den elterlichen Ehekrisen dienen, bleibt aber zu blass und marginal, um als Erweiterung des zentralen Konflikts zu funktionieren. Auch bleiben die jungen Schauspieler leider sichtbar hinter den älteren zurück, sind nicht annähernd in der Lage, dieselbe Energie und Authentizität zu erzeugen.

All das ist Kritik auf hohem Niveau. Nico Sommer zeigt einmal mehr, dass er Geschichten jenseits seiner eigenen Lebensrealität glaubwürdig inszenieren und seine Schauspieler auch in der Improvisation sicher führen kann. Familienfieber ist in erster Linie ein Unterhaltungsfilm geworden, der sich insbesondere im Vergleich mit dem Vorgänger überraschend brav und versöhnlich ausnimmt. Trotz kleinerer Schwächen seines Films bleibt Nico Sommer mit der Frische seiner Inszenierung somit eindeutig eine Hoffnung für das deutsche Kino.

Familienfieber

Nico Sommer ist ein vergleichsweise junger Regisseur. Daran ist jetzt erst einmal nichts Besonderes, denn davon gibt es ja bekanntlich viele. Besonders ist aber seine Themenwahl oder anders gesagt, die Altersgruppe seiner Protagonisten. Schon „Silvi“, der 2013 in den Kinos lief, kreiste um eine fast 50-jährige Titelheldin und mit „Familienfieber“ entfernt sich Nico Sommer schon wieder von seiner eigenen Generation.
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Meinungen

Silvia · 14.01.2015

Das ist ein großartiger Film den ich nur empfehlen kann.