Die Wildente

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ibsen down under

Lange Zeit war Christian (Paul Schneider) weg gewesen, nun kehrt er nach 15 Jahren im Ausland in seine ländliche Heimat im australischen New South Wales zurück, um dort der Heirat seines Vaters Henry (Geoffrey Rush) beizuwohnen, dem Besitzer des örtlichen Sägewerkes, das er vor kurzem aus Rentabilitätsgründen schließen musste.
Doch die Heimkehr gestaltet sich als äußerst schwierig. Denn über der Familie schwebt ein Geheimnis aus längst vergangener Zeit — und das betrifft auch Christians ehemaligen besten Freund Oliver (Ewen Leslie) sowie dessen Tochter Hedvig (Odessa Young). Und die muss sich nicht nur mit den Schatten der Vergangenheit herumschlagen, sondern auch noch mit der ersten Verliebtheit, dem ersten Sex, der ersten Enttäuschung …

Simon Stones The Daughter nach dem Theaterstück Die Wildente von Henrik Ibsen war ohne Zweifel eines der schönsten, gelungensten und bewegendsten Werke des diesjährigen Filmfestes München. An keiner Stelle merkt man die Herkunft des Stoffes und des Machers an, der sich bislang vor allem als Theaterregisseur einen Namen gemacht hat. Gerade bei solchen Konstellationen trennt sich schnell die Spreu vom Weizen und allzu oft bleiben Adaptionen von Bühnenwerken — zumal dann, wenn sie von Theaterleuten inszeniert werden — seltsam steif und starr.

Nicht so in diesem Falle: Simon Stone findet genau die richtigen Bilder und Einstellungsgrößen, zeigt sich variabel im Einsatz seiner genuin filmischen Mittel und verfügt darüber hinaus über ein ausgezeichnetes Gespür für Darsteller. Vor allem dadurch ist es zu erklären, dass Newcomer wie Odessa Young mühelos und mit fast schon souveräner Lässigkeit neben arrivierten Stars wie Geoffrey Rush und Sam Neill bestehen können. Als es in einer Szene zu einer Konfrontation zwischen dem Mädchen und ihrem Ziehvater kommt, in dessen Verlauf er sie brüsk zurückweist und von sich stößt, ist das derart intensiv und beklemmend gespielt und inszeniert, dass man sich dieser darstellerischen Wucht und Unmittelbarkeit nicht entziehen kann.

Doch das Ensemble beherrscht nicht nur die großen Szenen mit starker Emotionalität, sondern auch die kleinen und feinen Zwischentöne, die Blickwechsel und kleinen Gesten, die so unendlich viel erzählen von den inneren Konflikten, dass man gar nicht anders kann, als sich auf dieses faszinierende Wechselbad der Gefühle einzulassen und dem Ende entgegenzufiebern. Ein kleines Meisterwerk, das definitiv gespannt macht auf die nächsten Schritte von Simon Stone.

Die Wildente

Lange Zeit war Christian (Paul Schneider) weg gewesen, nun kehrt er nach 15 Jahren im Ausland in seine ländliche Heimat im australischen New South Wales zurück, um dort der Heirat seines Vaters Henry (Geoffrey Rush) beizuwohnen, dem Besitzer des örtlichen Sägewerkes, das er vor kurzem aus Rentabilitätsgründen schließen musste.
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