Das Gelände

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Geschichte eines Unortes

Zu Zeiten des nationalsozialistischen Terrors war die Prinz-Albrecht-Straße in Berlin die wohl berüchtigtste Adresse des Deutschen Reiches. Hier hatten die maßgeblichen Sicherheitsorgane des Dritten Reichs ihren Sitz: Der Reichsführer SS, das Reichssicherheitshauptamt (RSHA), der berüchtigte Sicherheitsdienst der SS (SD) und die Gestapo – all diese Institutionen residierten hier in unmittelbarer Nähe des damaligen Regierungsviertels. Es war das Epizentrum des staatlichen Terrors, hier liefen die Fäden des Überwachungs- und Unterdrückungsapparates zusammen. Später, im Jahre 1951, wurde die Straße dann in Niederkirchner Straße umbenannt, als Namenspatronin sollte die Kommunistin und Widerstandskämpferin Käthe Niederkirchner die unrühmliche Vergangenheit des Ortes und damit auch diesen selbst vergessen machen. Doch so einfach geht es nicht.
An diesem Ort spiegelt sich nicht nur die Geschichte des Nationalsozialismus wider, auch die deutsch-deutsche Teilung wird hier lebendig. Die Berliner Mauer machte aus der frühen Schaltzentrale des NS-Terrors einen Unort und teilte die Straße, was eine gesamtdeutsche Erinnerungskultur zusätzlich erschwerte. Es scheint fast so, als habe der Lauf der Geschichte das Seine dazu getan, um den Mantel des Vergessens (und des Verdrängens) über das zu breiten, was Martin Gressmann in seiner filmischem Wiedererinnerungsarbeit schlicht Das Gelände nennt.

Mit fast schon bürokratisch anmutender Akribie und Nüchternheit hat der Filmemacher Martin Gressmann die Vergangenheit dieses ganz besonderen Ortes seit dem Jahre 1985 mit der Kamera begleitet und registriert. Seine Chronik des Geländes endet nach 28 Jahren mit der Eröffnung des Dokumentationszentrums „Topographie des Terrors“ im Jahre 2013. Es ist ein langer Weg, den er hier nachzeichnet vom früheren Schuttabladeplatz Kreuzbergs zu einem Ort der Erinnerung, der aber auch nicht nach jedermanns Geschmack geraten ist. Seine Geschichte der früheren Prinz-Albrecht-Straße rückt immer wieder dieselben Fragen in den Mittelpunkt des Interesses: Wie gehen wir mit der Last der Vergangenheit um, wie wollen und können wir uns an tausendfach erlittenes Unrecht erinnern? Und wollen wir das überhaupt?

Dem geweckten Interesse an der auch stadthistorischen Aufarbeitung steht aber mitunter die Detailversessenheit entgegen, die über die gesamte Länge des Films ein wenig ermüdend wirkt. Nur gelegentlich schafft Gressmann mit persönlich gehaltenen Briefen an seine Großmutter einen Kontrast, bei dem auch die menschliche Dimension dieser Ortsbegehung und -vermessung durchschimmert. Genau diese menschliche und emotionale Facette hätte man sich aber viel öfter gewünscht. Gleichwohl wirkt diese Nüchternheit und Distanziertheit diesem Ort des Schreckens auch angemessen, weil sich in dieser Herangehensweise vieles ausdrückt, was wir heute als kennzeichnend für den Terrorapparat des Dritten Reiches anerkennen: dessen bürokratische Effizienz und administrative Eiseskälte; die technokratische Erfassung, Taxierung und Kategorisierung von menschlichem Leben. Wobei sich schlussendlich die Frage stellt, ob derlei Nachahmung unbedingt nötig gewesen wäre.

So bleibt Das Gelände eine interessante Grundidee der filmischen Vergangenheitsbewältigung und vor allem die überfällige Aufarbeitung eines Ausschnittes der Berliner Stadtgeschichte, die aber sehr viel Geduld und Einfühlungsvermögen seitens des Zuschauers fordert.

Das Gelände

Zu Zeiten des nationalsozialistischen Terrors war die Prinz-Albrecht-Straße in Berlin die wohl berüchtigtste Adresse des Deutschen Reiches. Hier hatten die maßgeblichen Sicherheitsorgane des Dritten Reichs ihren Sitz: Der Reichsführer SS, das Reichssicherheitshauptamt (RSHA), der berüchtigte Sicherheitsdienst der SS (SD) und die Gestapo – all diese Institutionen residierten hier in unmittelbarer Nähe des damaligen Regierungsviertels..
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