China Blue (2005)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Aus dem Leben moderner Arbeitssklaven

„Geiz ist geil!“ – ein Motto, das sich längst als Credo des modernen Verbrauchers fest im Bewusstsein jedes Konsumenten eingebrannt hat. Doch wie werden die Produkte aus Fernost, die in Europa massenweise den Markt überschwemmen und so manchen Betrieb hierzulande mit konkurrenzlos niedrigen Preisen in die Knie zwingen, eigentlich hergestellt? Hand aufs Herz: Eigentlich wissen wir längst, unter welchen Bedingungen die Klamotten in asiatischen Sweat Shops hergestellt werden, die Informationen dazu sind frei zugänglich, nur wahrhaben wollen wir es nicht.

Der amerikanische Kameramann und Regisseur Micha X. Peled hat sich in seinem Film China Blue auf Spurensuche begeben und ist dabei auf die Fadenabschneiderin Jasmine gestoßen, die in einer Näherei in Südchina arbeitet. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal: Bis zu zwanzig Stunden am Tag dauert eine Schicht, und eine Arbeitswoche hat nicht fünf, sondern sieben Tage, so dass Freizeit hier schlichtweg nicht existiert. Das alles für einen Lohn von sechzig Dollar im Monat, von dem noch die Kosten für Unterkunft, Essen und heißes Wasser abgezogen werden. Ruhephasen sind ein Fremdwort für Jasmin und ihre Kolleginnen, doch wenn sich eine der Frauen wehrt gegen die Ausbetung, sind sie ihren Job schnell los, denn die nächsten Arbeitswilligen warten vor der Tür. Für die Frauen der Textilfabrik Lifeng ist dieser Job die einzige Chance, dem Elend und der bitteren Armut zu entfliehen, während andere die dicken Gewinnmargen einstreichen.

Micha X. Peled beschränkt seinen Dokumentarfilm darauf, seine Eindrücke und Beobachtungen des Arbeitsalltags in einer der unzähligen Produktionsstätten allein für sich selbst sprechen zu lassen. Und er tut gut daran. Wer Augen hat zu sehen, Ohren hat zu hören und ein Herz, um zu fühlen, auf wessen Kosten wir hier überhaupt leben und wie ein wachsender Teil unserer Waren hergestellt wird, den packt das kalte Grausen und der schiere Ekel. Und wer nach dem Besuch des Films immer noch bedenkenlos nach Billigware aus Fernost greift, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Aber wahrscheinlich wird ein Großteil der Bevölkerung erst dann aufwachen, wenn sich Hollywood den Schattenseiten der Globalisierung zuwendet und in einer Multimillionen-Dollar-Produktion zeigt, wie Bruce Willis und Harrison Ford geknechtete Fabrikarbeiterinnen in China (dargestellt von Gong Li, Bai Ling und Ziyi Zhang) befreien. Ich warte jedenfalls auf diesen Film. Doch so lange dieses Werk noch auf sich warten lässt, ist China Blue ohne Zweifel einer der besten und bewegendsten Filme zum Thema.
 

China Blue (2005)

„Geiz ist geil!“ – ein Motto, das sich längst als Credo des modernen Verbrauchers fest im Bewusstsein jedes Konsumenten eingebrannt hat.

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