A Girl Walks Home Alone at Night

Eine Filmkritik von Festivalkritik Rotterdam 2015 von Beatrice Behn

Ein Potpourri des Unerwarteten

A Girl Walks Home Alone at Night ist nichts von dem, was man erwarten würde. Vielmehr ist dieser Film ein Potpourri des Unerwarteten. Wir sind in Bad City, einer fiktiven Stadt irgendwo im Iran. Die Straßen sind oft leer. Nur ein paar Menschen bevölkern sie. Junkies, Dealer, Huren und Arash (Arash Marandi), der junge Mann mit den schönen Augen und dem weißen James Dean T-Shirt. Eine traurige Hure, die für Saeed anschaffen geht. Und Saeed (Dominic Rains), der Pimp und Dealer aus Bad City, der von oben bis unten tätowiert ist. Er regiert die Straßen. Dann ist da noch dieses Mädchen, das man immer nur nachts und immer nur in ihrem offenen, schwarzen Tschador sieht. Die Stadt ist eine Brache, teils aus Beton, teils aus Gräben und Rinnen, in denen Leichen liegen. Warum dem so ist, wird nicht erklärt. Klar ist jedoch, Bad City macht seinem Namen alle Ehre. Hier ist das Ende der Fahnenstange. Der Ort riecht nach vergeblicher Sehnsucht und zerstörten Träumen, er riecht nach Einsamkeit und Tod.
Zwischen den verlorenen Gestalten der Nacht entwickelt sich alsbald eine zufällige Verstrickung, ausgelöst durch das Mädchen im Tschador. Das Mädchen, das jede Nacht allein nach Hause geht, wie der Filmtitel es so schön beschreibt. Doch bevor sie nach Hause geht, tötet sie. Denn das Mädchen ist ein Vampir. Eines Nachts begegnet ihr Saeed. Saeed, der Mann, der Arashs Vater zum Junkie gemacht und ihm seinen geliebten Ford Thunderbird geklaut hat. Um Saeed weint keiner eine Träne. Als Arash die Leiche findet, klaut er ihm kurzerhand auch Geld und die Drogen und vertickt diese, um noch mehr Geld zu machen und damit raus zu kommen aus Bad City. Und dann trifft Arash das Mädchen. Nachts auf der Straße. Er ist auf Drogen und müde und einsam. Letzteres teilen sich die beiden. Sie aber tötet ihn nicht. Sie nimmt ihn mit nach Hause.

Ana Lily Amirpours Erstlingswerk überrascht auf ganzer Linie. Wie soll das auch anders sein bei einem Film, der wie ein Spaghetti-Western aus den 1950er Jahren oder ein Film mit James Dean als jugendlicher Ruhestörer daherkommt? Und der im Kern eine ganz klassische Boy-meets-girl-Geschichte ist? Ein iranischer Vampir-Western mit romantischem Kern also. Doch die Story an sich ist nicht das Relevante an diesem Film. Es ist vielmehr der Stil und die Stimmung, die der Film auf ganzer Linie zu transportieren vermag. Dabei erinnert er in vielerlei Hinsicht auch stark an alte Filme von Jim Jarmusch, ohne jedoch ins schlichte Kopieren zu verfallen. Und zugleich paraphrasiert A Girl Walks Home Alone at Night auch die französische Nouvelle Vague, ohne dabei altbacken zu wirken. Die ruhigen, kristallinen, schwarzweißen Bilder fangen die nächtlichen Geschöpfe ein, oft beim einsamen Laufen auf der Straße, manchmal aber auch in ganz eigenartigen, surrealen Augenblicken, die aus der Isolation ausbrechen und einen Moment lang daran erinnern, dass sich hier noch Leben regt, auch wenn alles so tot erscheint. Darunter wabert ein Soundtrack aus iranischer Rockmusik und Fusion Beats, manchmal auch ein Riff als eindeutige Hommage an Ennio Morricone.

Und mittendrin das Mädchen, eine Figur, die durch das Tragen des Tschadors zuerst die typischen Klischees muslimischer Frauen aufruft: unterdrückt, asexuell, nicht Herrin über sich selbst. Doch sie ist das Gegenteil, sie ist die Ikone, nein, der Archetyp der Vampirfrau. Dunkel, leidenschaftlich und ausgestattet mit einer so großen Macht, dass sie es nicht nötig hat, damit zu prahlen. Der wallende Umhang, er verleiht ihr eine liquide Gestalt. Einmal sieht man sie nachts auf der Straße auf einem Skateboard einen Hügel herunterrollen. Der Tschador weht dabei im Wind wie Draculas Umhang, wie riesengroße, mächtige Fledermausflügel. Sie ist die wahre Herrin von Bad City. Sie ist das Mädchen, das nachts allein nach Haus läuft. Und ihr wird nichts passieren.

(Festivalkritik Rotterdam 2015 von Beatrice Behn)

A Girl Walks Home Alone at Night

„A Girl Walks Home Alone at Night“ ist nichts von dem, was man erwarten würde. Vielmehr ist dieser Film ein Potpourri des Unerwarteten. Wir sind in Bad City, einer fiktiven Stadt irgendwo im Iran. Die Straßen sind oft leer. Nur ein paar Menschen bevölkern sie. Junkies, Dealer, Huren und Arash (Arash Marandi), der junge Mann mit den schönen Augen und dem weißen James Dean T-Shirt. Und eine traurige Hure, die für Saeed anschaffen geht.
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