10 Milliarden - Wie werden wir alle satt? (2015)

Eine Filmkritik von Andreas Günther

Selber pflanzen füllt den Magen

Ist er so ruhig, weil er zu wissen meint, wie es besser geht? Er mache sich Sorgen, verkündet Valentin Thurn gleich zu Anfang seines neuen Dokumentarfilms 10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?, wie die Ernährung der rasant wachsenden Weltbevölkerung nachhaltig gesichert werden kann. Seine Stimme wirkt dabei jedoch gleichmütig, fast indifferent. Aber diese Tonlage bietet, um im Bildfeld des Films zu bleiben, einen Vorgeschmack auf die verhalten optimistischen Aussichten am Ende. Sie stimmen hoffnungsvoll. Aber wie sie aufgetischt werden, verdrießt ein wenig.

10 Milliarden – Wie werden wir alle satt? hat den Charakter einer Inspektionsreise rund um die Welt. Die verschiedensten Initiativen und Projekte zur Lösung des Ernährungsproblems werden eingehend geprüft, gleichgültig, ob sie nun von Konzernen oder lokalen Kooperativen stammen. Bayer Leverkusen zum Beispiel entwickelt hybrides Saatgut, mit dem sich bis zu zwanzig Prozent höhere Erträge erwirtschaften lassen. Nur nicht unbedingt in Indien, denn die Pflanzen, die mit dem Produkt angebaut werden, sind den häufigen Überschwemmungen nicht gewachsen.
Auch andere Ansätze der Industrie, mehr Münder zu stopfen, erscheinen erschreckend kurzsichtig. Thurns Aufnahmen aus indischer Massentierhaltung, deren Konzept aus Deutschland übernommen wurde, verderben den Appetit auf Hühner gründlich. Der Autor und Regisseur verweist auf das Problem, dass die steigende globale Nachfrage nach Fleisch dazu geführt hat, dass mehr in die Erzeugung von Tierfutter als in die Versorgung von Menschen investiert wird – oft mit den Mitteln des Landraubs in den Entwicklungs- und Schwellenländern.

Enttäuscht von Experimenten mit synthetischem Fleisch und den Ansichten des Spekulanten Jim Rogers über die angeblich auch für die Ernährungsfrage heilsamen Kräfte des freien Marktes, wendet sich Thurn Modellen nachhaltiger Landwirtschaft in Deutschland und lokalen landwirtschaftlichen Alternativen in Europa und Afrika zu. Selbstversorgung rückt dabei in den Vordergrund. Da mag auch Thurn, sonst flüchtig am Rande der Aufnahmen präsent, seine Freude im Bildvordergrund zelebrieren, eigenhändig etwas einzupflanzen. Und vergisst nicht, für einen nachhaltigen Konsum zu werben.

Seit dem riesigen Erfolg von Taste the Waste gilt Filmemacher Valentin Thurn als Spezialist für das Thema Food auf der Leinwand. Was er als Ausweg aus dem Horrorszenario anzubieten hat, dass aufgrund klimatischer Veränderungen und profitorientierter Naturausbeutung gewaltige Hungersnöte drohen könnten, ist absolut diskussionswürdig und hat sicherlich zu Recht, glaubt man den Angaben des Abspanns, bereits großen und aktiven Zuspruch erhalten. Problematisch erscheint indessen, dass die Möglichkeiten des Dokumentarfilms, die nicht zuletzt in der Entdeckung von Realität liegen, tendenziell entwertet werden. Denn Thurns Kommentar legt allzu oft die Beurteilung dessen, was man sieht, mit unnötiger Aufdringlichkeit fest. Mehr Freiheit täte mündigen Zuschauern wohl.
 

10 Milliarden - Wie werden wir alle satt? (2015)

Ist er so ruhig, weil er zu wissen meint, wie es besser geht? Er mache sich Sorgen, verkündet Valentin Thurn gleich zu Anfang seines neuen Dokumentarfilms „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“, wie die Ernährung der rasant wachsenden Weltbevölkerung nachhaltig gesichert werden kann. Seine Stimme wirkt dabei jedoch gleichmütig, fast indifferent. Aber diese Tonlage bietet, um im Bildfeld des Films zu bleiben, einen Vorgeschmack auf die verhalten optimistischen Aussichten am Ende.

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