Log Line

Warum nicht heiraten? Die trans Frau Paloma will, was alle wollen: Ihrem Liebsten das Ja-Wort vor aller Augen geben und der Welt zeigen, wie glücklich sie mit ihm ist. Für ihren Traum von der Hochzeit in Weiß kämpft sie gegen alle Widerstände, muss aber erkennen, dass nicht alle so stark sind wie sie.

Paloma (2022)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Für mehr Menschlichkeit

Immer dann, wenn Marcelo Gomes die Gefühle seiner Protagonistin einfangen will, geht er mit der Kamera ganz nah ran – so nah, dass man die Einzelheiten ihres Gesichts, ihres Körpers, ihrer Partner nur noch vage erkennen kann. Dann werden die Bilder in warme, rötliche Töne getaucht, und auch das Sounddesign unterstützt diese Momente. Mit „Paloma“ ist dem Filmemacher ein gefühlvolles und authentisches Portrait einer trans Frau im heutigen Brasilien gelungen.

Paloma (Kika Sena) führt ein anstrengendes, aber glückliches Leben. Jeden Tag aufs Neue pendelt sie zwischen ihrem Brot-Job in der Landwirtschaft, ihrer Leidenschaft als Friseurin und dem Kümmern um Haushalt und ihrer sechsjährigen Tochter, die sie in den frühen Morgenstunden zu ihrer Ex-Partnerin bringt. Im Wechsel und mit viel Herzlichkeit betreuen die beiden das Kind, das – so scheint es – geboren wurde, als Paloma noch als Mann lebte.

Mittlerweile hat Paloma Brüste und einen neuen Partner, Zé (Ridson Reis). Die beiden lieben sich sehr und leben ihre Beziehung relativ offen aus – nicht offensiv, aber auch nicht im Verborgenen. Alle im Dorf scheinen um Palomas Transition zu wissen, sie wird gemocht und geachtet. Und doch wird hinter ihrem Rücken auch immer wieder geflüstert: Im Schwimmbad wird die kleine Familie schräg beäugt, andere Kinder werden von der Tochter des Paares ferngehalten. Niemand aber spricht die Vorbehalte offen vor Paloma oder Zé aus, und so fällt es ihnen leicht, die Realität um sich herum zu verdrängen.

Somit erscheint es ganz natürlich, dass Paloma will, was alle wollen: Heiraten, und zwar in der Kirche, in einem weißen Kleid und mit einem Schleier. Allen zeigen, dass Zé und sie zusammengehören, dass sie eine Frau und zwar eine sehr glückliche ist. Palomas Wunsch ist ein starker, ein sehnsüchtiger, und sie will alles daran setzen, ihn zu realisieren.

Marcelo Gomes erzählt von einer starken Frau, die gegen die Widerstände in der brasilianischen und der katholischen Gesellschaft, aber auch innerhalb ihres Dorfes und der Familie kämpft und nicht klein beigibt. Ihr Traum von einem freien Leben manifestiert sich im Projekt Hochzeit, doch meint er natürlich viel mehr. Paloma will akzeptiert werden, so wie sie ist, wie sie sich fühlt.

In Kika Sena, eine Theaterschauspielerin und selbst trans, hat der Filmemacher eine großartige Darstellerin gefunden: Sie spielt Paloma sehr authentisch und mit viel Feingefühl, mit kleinen Regungen im Gesicht und einer großen Traurigkeit, die sich immer wieder dann in ihrer ganzen Körpersprache ausbreitet, wenn sie merkt, dass sie nicht als das akzeptiert wird, was sie ist. Dann braucht es keine langen Dialoge oder eine expressive Filmmusik, dann genügt das reine Schauspiel.

Nicht nur diese Sequenzen, die Palomas Gefühle und Sehnsüchte im Fokus haben, sind großartig, auch die dokumentarischen Anteile des Films sind es. Begleitet man Paloma bei ihrer Arbeit auf der Papaya-Plantage oder während einer Pilgerfahrt wechselt Paloma ins Neorealistische und erzählt auf anderer Ebene viel aus der brasilianischen Gegenwart.

Dieses filmische Changieren zwischen Traum und Realität stellt eben die Situation der Hauptfigur und ihren Kampf für mehr Akzeptanz dar, der auch übertragen werden kann auf andere Bereiche, andere Kämpfe eines Individuums für Veränderung, Menschlichkeit und Freiheit. Mehr Menschlichkeit, mehr Toleranz – das wünscht sich Marcelo Gomes für Brasilien und für die Welt. Sein Film ist ein Plädoyer genau dafür.

Paloma (2022)

Paloma ist eine hingebungsvolle Mutter und fleißige Arbeiterin auf einer Papaya-Plantage. Für ihren Lebenstraum hat sie sich einiges an Geld zusammengespart: Paloma will ihren Freund Zé in einer traditionellen Zeremonie heiraten. Als der Priester die Hochzeit jedoch verweigert, sieht sich Paloma nicht nur mit ihm, sondern der ganzen Landbevölkerung konfrontiert. Trotz aller Vorurteile, Ungerechtigkeiten und Gewalt lässt sich Paloma aber in ihrem Glauben und Willen nicht erschüttern.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen