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In „Making Of“ zeigt Cédric Kahn das Chaos und die Tücken eines Filmdrehs – mit Witz und doppeltem Boden.

Making Of (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Hinter den Kulissen

Es regnet und stürmt. Auf einem französischen Fabrikgelände entbrennt ein Kampf zwischen demonstrierenden Arbeitenden und rabiatem Security-Personal. Einer jungen Frau gelingt es, in das Gebäude einzudringen. Sie öffnet die Tür, um ihre Mitstreikenden hineinzulassen – aber huch, plötzlich steht da ein Typ mit einer Kamera im Weg. So war das nicht geplant, oder?

Nein, ganz und gar nicht. Vielmehr hat dieser Typ gerade die komplette Aufnahme ruiniert. Denn Making Of von Cédric Kahn ist kein (beziehungsweise nicht nur ein) Film über einen Fabrikstreik, sondern (zusätzlich) über die Entstehung eines solchen Films. Und zugleich auch über die Entstehung der Entstehung eines solchen Films – da besagter Mann mit der Handkamera das titelgebende Making-of drehen soll, um einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren.

Aus naheliegenden Gründen wird die Position des Making-of-Herstellers bald neu vergeben. Der renommierte Regisseur Simon (Denis Podalydès) beauftragt den schüchternen Statisten Joseph (Stefan Crepon) mit dem Job, nachdem dieser ihm eher unbeholfen ein selbstverfasstes Skript in die Hände gedrückt hat. Joseph soll den gesamten Prozess mit sämtlichen Diskussionen und Konflikten einfangen. Letztere gibt es tatsächlich zuhauf: Die Geldgeber fordern ein versöhnliches Ende, der eitle, egomane Star Alain (Jonathan Cohen) ist permanent unzufrieden und auch die Hauptdarstellerin Nadia (Souheila Yacoub) stößt irgendwann an ihre Grenzen. Während sich die Instantnudel-Boxen in Simons Hotelzimmer stapeln, droht alles um ihn herum allmählich einzustürzen.

Ein Film-im-Film-Szenario ist grundsätzlich nichts Neues – und auch das Film-im-Film-im-Film-Konstrukt ist zunächst einmal nicht mehr als eine hübsche Idee. Was das Drehbuch, das Kahn zusammen mit Fanny Burdino und Samuel Doux geschrieben hat, und dessen Umsetzung indes vor allem interessant macht, sind die Parallelen zwischen der Situation in der Fabrik, die Simon als Abrechnung mit einem brutalen kapitalistischen System auf die Leinwand bringen will, und der zunehmend schwierigen Lage am Set, die durchaus ebenso von klaren Hierarchien und spürbarer Ausbeutung geprägt ist.

Rasch sind die finanziellen Engpässe so gravierend, dass Kürzungen unvermeidlich scheinen. Lassen sich Szenen opfern, ohne die Handlung zu zerstören? Können Leute einfach so entlassen werden? Wären Cast- und Crew-Mitglieder eventuell bereit, umsonst weiterzumachen? Mehr und mehr wird Making Of zu ebenjenem Film über exploitative Bedingungen, den Simon und dessen Team hier zu entwickeln versuchen – und das Making-of von Joseph wiederum zur Dokumentation einer künstlerischen und arbeitsrechtlichen Eskalation. In einem Meeting wird darüber gestritten, ob der gerade entstehende Film eine soziale Komödie oder ein Drama werden solle; Kahn findet derweil eine ausgewogene Balance aus Humor und Ernsthaftigkeit und liefert eine unterhaltsame, kluge Betrachtung der Kulturbranche.

Ganz so bösartig wie etwa Rainer Werner Fassbinder in Warnung vor einer heiligen Nutte (1971) oder Robert Altman in The Player (1992) geht Kahn allerdings nicht vor. Die Figuren sind weniger zynisch, sondern laden dazu ein, mit ihnen mitzufühlen. Wenn Simon via Videotelefonat mit seiner (Noch-)Ehefrau (Valérie Donzelli) und den zwei gemeinsamen Kindern kommuniziert oder wenn Joseph seine Gefühle für Nadia nicht unter Kontrolle halten kann, kommt es zu einnehmenden Momenten, die Making Of zu einem stimmigen, überzeugend gespielten Ensemblefilm machen. Schön ist dabei auch, wie sich die Beziehung zwischen Simon und Joseph entwickelt. Am Ende ist alles ein großer Schlamassel – der dank Joseph aber äußerst gewissenhaft erfasst wurde. Und cut!

Gesehen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.

Making Of (2023)

Simon, ein bekannter französischer Filmemacher beginnt mit den Dreharbeiten zu seinem neuen Film, der von Arbeitern handelt, die gegen die Verlegung ihrer Fabrik protestieren. Doch der Dreh verläuft ganz anders und viel chaotischer als geplant. Simons Produzentin Viviane möchte das Ende umgeschrieben haben und droht mit einer Kürzung des Budgets, seine Crew beginnt zu streiken und sein Privatleben liegt in Trümmern, während sich der Hauptdarsteller Alain als egozentrisches Arschloch entpuppt.

Joseph, ein Komparse, der gerade versucht, einen Fuß in die Tür der Filmindustrie zu bekommen, lässt sich auf den Deal ein, ein Making-of zu drehen. Ambitioniert geht er die neue Aufgabe an und beginnt der Crew auf Schritt und Tritt mit der Kamera zu folgen und dabei das ganze Chaos am Set festzuhalten. Und mit der Zeit scheint es so, als würde das Making-of den eigentlichen Film in Sachen Qualität weit überholen. Was Simon natürlich überhaupt nicht gefällt.
 

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