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Bill Skarsgård schärft sein Profil als Einzelkämpfer: Noch bevor er als Eric Draven im Remake von „The Crow“ auf Rache sinnt, verarbeitet er in Moritz Mohrs Langfilmdebüt seine Gegner zu Hackfleisch. Als Produzent fungiert kein Geringerer als Sam Raimi.

Boy Kills World (2023)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Gemetzel in Gelb

Das Debüt des deutschen Regisseurs Moritz Mohr feierte seine Europapremiere bei den Fantasy Filmfest Nights – und lieferte eine für die Veranstaltung perfekte Mischung. Der rabenschwarze Actionkracher ist eine Orgie aus Farbe und Gewalt. Gegen Ende ist das arg vorhersehbar, bis dahin aber erfrischend anders. Das Gemetzel kann sich sehen lassen und sieht aus, als hätten das Set- und Kostümdesign Filme wie „Die Tribute von Panem“, „Kill Bill“ und „Kung Fury“ gemeinsam mit dem Videospiel „Mortal Kombat“ einmal durch den Mixer gejagt. Herausgekommen ist ein blutiger Cocktail, der Fans postmodern makabrer Unterhaltung schmecken wird.

Die erste Überraschung ist die Location. Wer die Nase voll hat vom tausendmal gesehenen dystopischen Look aus brutalistischer Architektur und reduzierter Farbpalette, der sitzt im richtigen Film. Boy Kills World wurde in Kapstadt gedreht. Dementsprechend grün ist die Landschaft, die den Großstadtmoloch zu verschlingen droht. Die Hochhäuser in dieser zeitlich unbestimmbaren, retrofuturistisch ausgestalteten Familiendiktatur Hilda Van Der Koys (Famke Janssen) sind pflanzenumrankt und der Dschungel ist nicht weit. Hier trainiert der namenlose Boy (gespielt von den Zwillingen Cameron Crovetti und Nicholas Crovetti) für seine Rache.

Tagein, tagaus geht Boy durch die harte Schule des Schamanen (Yayan Ruhian), der ihn Felsbrocken schleppen lässt oder lebendig begräbt. Die Trainingssequenz aus Quentin Tarantinos Kill Bill – Vol. 2 (2004) lässt grüßen. Doch während sich der Humor in dieser Sequenz aus Tarantinos Verwendung alter filmischer Gestaltungsmittel wie Reißschwenks speist, entspringt er in Boy Kills World aus den nächsten zwei Überraschungen: Boys‘ toter Schwester (Quinn Copeland), die ihn als Vision durchs Leben begleitet, und einem inneren Monolog, der die gesamte Handlung ironisch aus dem Off kommentiert.

Weder der Junge noch der von Bill Skarsgård verkörperte Mann, zu dem er heranreift, haben eine eigene Stimme. Von den Häschern des Regimes taubstumm gemacht, stellt sich der Protagonist stattdessen eine Reibeisenstimme vor, die er aus einem Arcade-Spiel seiner Kindheit erinnert. In der Kommunikation mit seiner Umwelt ist er auf Lippenlesen angewiesen, was zu manchem Missverständnis und zu einigen der gelungensten Gags führt. Der übrige Humor erwächst aus der Fallhöhe zwischen Boys von langer Hand geplanter Rache und deren dilettantischer Umsetzung. Die Hauptfigur ist ein tumber Tor, der seinen Rachefeldzug wie ein Videospiel angeht. Mit einem durchtrainierten Schlaks wie Bill Skarsgård, der zudem unnachahmlich dämlich dreinblickt, wenn seine Figur wieder einmal nur Bahnhof versteht, ist sie ideal besetzt.

Dass der 1981 in Frankfurt am Main geborene Moritz Mohr eine solch große Produktion als Langfilmdebüt vorlegt, ist viel Glück und etwas Chuzpe zu verdanken. Mit Co-Autor Arend Remmers und Produzent Reza Brojerdi im Rücken, die bereits bei der deutschen Genre-Verrücktheit Schneeflöckchen (2017) zusammenarbeiteten, brachte Mohr eine Kurzversion des Stoffs auf den Weg. Mit der wurden sie bei Sam Raimi und Roy Lee vorstellig, die so angetan waren, dass deren Firmen Raimi Productions und Vertigo Entertainment die Produktion übernahmen.

Wer Raimis Filme liebt, dürfte auch an Boy Kills World Gefallen finden. Denn wie die genreverliebten Anfänge des Tanz der Teufel-Regisseurs nimmt sich auch Boy Kills World kein bisschen ernst, sondern begreift sich und seine Figuren als großen synkretistischen Spaß. Mohr und sein Team bedienen sich munter in der Popkultur und machen daraus eine kunterbunte Wundertüte, die allenthalben an bereits Bekanntes erinnert, sich letzten Endes aber dennoch zu etwas Eigenständigem zusammenfügt. Ein Beispiel dafür ist die gelbe Kampfmontur der behelmten Soldaten des Regimes, die an Uma Thurmans Outfit in Kill Bill Vol. 1 (2003) denken lässt und einen ebenso schönen Kontrast zum Rot des Bluts ergibt, in der Ballung ihres Auftretens aber noch einmal einen weitaus wirkungsvolleren visuellen Reiz besitzt.

Wie die Geschichte ausgeht, sei an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel sei gesagt: Auf seiner Mission gegen die Familie der Machthaberin geht Boy nicht zimperlich vor. Köpfe werden zu Brei geschlagen, Knochen brechen und ein Küchenkampf mit Käsereibe ist auch dabei. Die dysfunktionale Diktatorensippe gleicht indessen einem Irrenhaus und ist neben Famke Janssen, die blass bleibt, mit Sharlto Copley, Michelle Dockery, Brett Gelman und Jessica Rothe kongenial besetzt. Dem exaltierten Spiel ohnehin nicht abgeneigt, blüht das Ensemble in den Manieriertheiten seiner Figuren und in den hinter den Kulissen des Machtapparats ausgefochtenen Scharmützeln sichtlich auf. Und während die Kampfeinlagen mit schnellen Schnitten und reichlich Unschärfe eingangs noch hingeschludert wirken, werden sie immer virtuoser, je weiter die Handlung voranschreitet.

Als sich dann alles in einem fulminanten finalen Level samt Endgegner-Fight entlädt, ist Boy Kills World längst zu so etwas wie einem Videospiel in Filmform geworden. Comichaft, ultrabrutal und ausgesprochen kurzweilig!

Boy Kills World (2023)

Bill Skarsgård spielt den Hauptcharakter Boy, der in einer dystopischen Zukunft nach Rache dürstet. Seine Ziel: eine gnadenlose Diktatorin, die für den Tod seiner Familie verantwortlich ist.

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