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In seinem ersten Dokumentarfilm hat Mauro Russo Rouge ein Swinger-Pärchen begleitet. „A Swinger Couple Story“ lautet im Original denn auch der Untertitel dieses Films, der sein Publikum hautnah dabei sein lässt.

Bloom up - Hautnah (2021)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Ein ganz normales Paar?

Bislang hat Mauro Russo Rouge eigenwillige Genrefilme gedreht. In seinem ersten Dokumentarfilm begleitet er ein Paar, das den Filmemacher auf Tuchfühlung an sich heranlässt. Die in Turin lebenden Betta und Hermes betreiben eine Tierhandlung. In ihrer Freizeit sind sie Swinger. Ein Film über ein Leben voller Lust – ungeschminkt und ungefiltert.

Betta und Hermes haben keine Berührungsängste. Weder mit anderen Menschen noch mit der Kamera. Auf ihrem Profil in einem Datingportal für Swinger tragen sie keine Masken, was Mauro Russo Rouge bei seiner Recherche auf die zwei aufmerksam machte. Auch im fertigen Film zeigen Betta und Hermes als eines von wenigen Paaren Gesicht. Es ist ihnen ein Anliegen, ihre Parallelwelt mit der Welt zu teilen und ihr mitzuteilen, dass sie wie du und ich sind. Das gelingt ihnen mühelos.

Nach drei Vorgesprächen mit dem Paar hat Russo Rouge, der die Kamera selbst führte, einfach drauflos gefilmt. Dieses Spontane und Unverstellte ist dem Film anzumerken. Ein Jahr lang hat er Betta und Hermes durch ihren Alltag begleitet. Small Talk zwischen Regalen voller Tierfutter wechselt sich mit Planungen der nächsten Swinger-Party und deren Durchführung ab. Mal geht das Paar mit der gemeinsamen Tochter auf die Bowlingbahn, mal mit anderen Paaren oder mit Singles ins Bett. Russo Rouge bleibt stiller Beobachter. Wie diese Welt funktioniert, ergibt sich aus dem Alltag heraus ohne explizite Nachfrage. Dafür sind die Aufnahmen umso expliziter. Im Dialog mit Popsongs steigert der Regisseur sie zu kleinen audiovisuellen Orgasmen.

Am Ende der Dreharbeiten hatte Russo Rouge 40 Stunden Rohmaterial im Kasten, aus dem er zunächst einen 135-minütigen Film formte, den er schließlich auf eine Länge von 88 Minuten zusammenstrich. In der Kürze liegt eine der Stärken dieses Films. Denn so sympathisch Betta und Hermes auch sind, so offen, ehrlich und zärtlich sie miteinander umgehen und so herzlich sie die Zusehenden in ihr Leben einladen, ihr Alltag ist schlicht nicht aufregend genug, um das Kinopublikum mehr als eineinhalb Stunden in den Sessel zu fesseln. (Am packendsten ist eine Wende in ihrer Beziehung, die sich erst ganz am Ende offenbart.)

Angesichts des Themas mag das verwundern. Doch auch die Swinger-Treffen folgen Mustern, Regeln und Routinen und laufen irgendwann so vorhersehbar ab, dass das Gesehene im Verlauf des Films immer normaler erscheint. Auch Sex zu dritt, viert, fünft oder sechst muss nicht immer aufregend sein. Erschwerend hinzu kommt, dass Betta und Hermes außerhalb ihres kleinen Swinger-Zirkels kaum (noch) Freunde oder irgendwelche andere Hobbys haben. Außer Arbeit und Sex gibt es in diesem Film nicht viel zu sehen. In Dauerschleife ist das erschreckend banal und auch irgendwie normal – am Ende also vielleicht genau das, was Betta und Hermes wollten.

Bloom up - Hautnah (2021)

“Bloom Up – Hautnah” erzählt die Geschichte von Betta und Hermes, einem italienischen Ehepaar, das bereits seit 4 Jahren in der Swingerszene aktiv ist. Tagsüber betreiben sie gemeinsam eine Tierhandlung, nachts jedoch treffen sie sich für ungewöhnliche sexuelle Begegnungen mit unterschiedlichen Partnern. Vertrauensvoll ermöglichen sie es dabei einander, ihre tiefsten sexuellen Wünsche mit fremden Menschen auszuleben.

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