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Zwei junge Frauen umkreisen sich beim Versuch, ein Gefühl von Heimat zu finden. Dabei gelingen dem Film aber nur selten wirklich eindringliche Momente.

Baan (2023)

Eine Filmkritik von Sebastian Seidler

Ortlose Einsamkeit

Sie trägt den Namen El (Carolina Miragaia). Ein Name, der sich wie ein Buchstabe anhört, der die junge androgyne Frau zu einer Art Vertreterin für eine Generation macht. Eine Generation, die überfordert ist von all den unerschöpflichen Möglichkeiten der Welt, von der Globalisierung und dem digitalen Strom. Die Sinnfrage nagt Zweifelsschneisen in den Alltag: Was, wenn ich mit einer anderen Person glücklicher sein kann oder sich ein anderer Ort besser als Zuhause eignen würde?

Liebe, Heimat und Identität sind die drei großen Themen in Leonor Teles‘ Debütfilm Baan. Hinzukommt ein völlig selbstverständliches Verflüssigen von Geschlechtsidentitäten. El, die sich mit ihrer Erscheinung jeglicher Zuordnung entzieht, irrt durch ein Leben, dessen Kompass ins Trudeln geraten ist.

In einem hippen Architekturbüro verdient sie ihren Lebensunterhalt. Die große Stadt Lissabon ist ein Versprechen von Freiheit, Unabhängigkeit und intensivem Leben. Allein, die junge Frau lässt sich gerne von der Liebe mitreißen, die bislang offenbar immer dramatisch geendet ist: jede Beziehung ein Schiffsbruch.

Von ihrem Freund kürzlich getrennt, trifft El auf Kay (Meghna Lall), eine Kanadierin, die als Baby adoptiert wurde. Ursprünglich stammt sie aus Thailand; aber was heißt das schon: ursprünglich? Auch bei ihr ist die Ortlosigkeit ein Thema. Sie fühlt sich fremd, nirgends zugehörig und zieht deshalb von Ort zu Ort.

Zwischen El und Kay entsteht eine zarte Bande, ohne dass zwischen den beiden Frauen wirklich viel passiert. Beide scheinen jedoch eine tiefe Verbundenheit zu spüren. Kay teilt mit ihrer neuen Bekanntschaft die Welt. Sie zeigt die selbst angefertigten, kunstvollen Flyer, mit denen sie auf antiasiatischen Rassismus hinweisen möchte. Gemeinsam besucht man die Party eines Freundes. Und dann – ist Kay plötzlich verschwunden: kein Wort, keine Nachrichten.

Für El bricht die Welt zusammen. Die Sehnsucht und der Schmerz des Verlustes treibt die Frau in Selbstzweifel und Exzess. Sie weiß, dass sie eine Antwort auf ihr Begehren finden muss, und kann die Leere in ihrem Herzen doch nicht füllen. Bis Kay plötzlich doch wieder in Lissabon aufschlägt.  

Teles webt einen pochenden Strom der Desorientierung. Bilder aus Bangkok, wo sich El auf einem Termin mit dem Architektenbüro befindet und Kay sich auf die Spuren ihrer Herkunft begibt, mischen sich oft kaum unterscheidbar mit Lissabon. Wo man sich befindet, wird zu einem Übergang und einem Gefühl. Die adoleszente Verwirrung wird Neonlicht und Bewegung. Fahrten mit dem Motorrad oder dem Taxi unterstreichen die Suche nach einem Ziel. Und der Einsatz von Musik wird zum Herzschlag von Baan

Wenngleich Teles, die auch als Kamerafrau arbeitet, durchaus eindringlich-schöne Bilder gelingen, so rückt sich der Film mit zunehmender Laufzeit in die Gleichgültigkeit. Den altbekannten Konflikten der unglücklichen Liebe wird keine neue Dimension abgerungen: Der Film gleicht mitunter einem Musikclip, was immer die naheliegendste Form der Vermittlung jugendlicher Lebensweise ist.

Dabei sind in der Geschichte durchaus interessante Motive angelegt, die jedoch kaum aufgegriffen werden. So bleibt der Umstand, dass El Architektin ist, eine bloße Behauptung. Ein Spiel mit Räumen und architektonischen Formen, die maßgeblich unser Gefühl von Heimat und Zugehörig bestimmen, hätte Baan unter größere Spannung versetzt. So bleibt der Film eine unentschlossene Angelegenheit und wird gen Ende hin gar zur enttäuschenden Fingerübung.

Baan (2023)

Wenn die Heimat sich nicht mehr wie eine anfühlt, wird Umherstreifen zu einer Angewohnheit. Raum, Zeit und Emotionen verwischen zwischen Lissabon und Bangkok. Die Vergangenheit, die Gegenwart und möglicherweise auch die Zukunft verbinden sich zu einer Geschichte, als L auf K trifft.

 

 

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