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Film - Kino - Date

Ein Beitrag von Sebastian Seidler

Das Kino als Ort zum Knutschen. Im Licht des Autokinos schwärmen. Oder eben zum Date gemeinsam einen Film aussuchen. Was hat es mit dieser Romantik auf sich? Ein persönlicher Essay über Kino und Liebe, als Auftakt für eine Textserie. 

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Wenn wir das Kino retten wollen, dann müssen wir uns Geschichten über das Kino erzählen. Es gilt verstehen zu lernen, dass wir mit dem Verlust dieser Orte nicht einfach nur Abspielstätten verlieren, sondern Lebens- und Kulturräume. Zum Kino gehört der Kneipenbesuch nach dem Film ebenso dazu, wie mit dem Schwarm im Dunkel vor der Leinwand zu knutschen. Deshalb sei bereits an dieser Stelle gesagt, dass wir als Redaktion an euren Geschichten interessiert sind. Schreibt uns: Ist euch etwas passiert, was nur im Kino hatte passieren können? Habt ihr eure Partner_In bei einem wüsten Splatterfilm kennengelernt? In dieselbe Popcorntüte gegriffen? Her damit, schickt uns eine Mail an redaktion.kz@gmail.com. Als Betreff gebt ihr bitte KinoDate an. Aus euren Zusendungen werden wir einen Text bauen.

Sich in den Geschichten finden

Ich erinnere mich mit einem gewissen Schaudern an die ersten Dates im Kino, weil sich im pubertären Nebel unsichere Nervosität und leidvolle Unsicherheit vermischen. Gleichzeitig war es doch auch eine herrlich aufregende Anspannung, dort im Dunkel zu sitzen, in der Anwesenheit dieses anderen Menschen, in dem man verknallt war. Irgendwie hatte es für mich immer etwas sehr Intimes, mit einem anderen Menschen ins Kino zu gehen: Man teilt die Liebe zum Film, während man inständig hofft, dass der oder die andere Person den hellen Gegenschein der Leinwand ebenso genießen wird. Während man in eine Geschichte hineingezogen wird, da fühlt man sich bigger than life, herausgerissen aus dem schnöden Alltag. Peinlich, zugegeben, aber ich habe früher immer meine Hand so gelegt, dass eine Berührung möglich wäre, umschlossen vom Tanz der Bilder.

Sagen wir es so: Die Hand lag durchaus öfter einsam herum. Und doch kann ich mich an die Filme erinnern: Einmal war es American Pie – vermutlich der zweite Teil. Das Geisterschloss, diese grausige Version mit Liam Neeson. Wie an den Filmtiteln klar werden dürfte: Ich war nicht die Kategorie Filmnerd, der das angehimmelte Mädchen mit seinem krassen Filmwissen beeindrucken wollte. Zu dieser Zeit war das Mainstreamkino mein Zuhause, und anderes Kino gab es in der bayerischen Kleinstadt kaum.

Mir ist durchaus bewusst, dass es in der heterosexuellen Filmbubble eine lange Tradition von bürgerlicher Romantik gibt, die vor allem durch das amerikanische Kino geprägt ist: Der Typ fährt sein Baby mit dem schicken Schlitten ins Autokino, wie ohnehin das Kennenlernen im Auto beinahe analog zum Kinosaal lesbar wird. Der Grund ist relativ einfach: Man suchte einen Ort, an dem man dem Zugriff der Eltern entgehen konnte, in dem man sich weitgehend geschützt vom elterlichen Blick ausprobieren konnte. Der Film beginnt, die Türen schließen sich: Es musste schon mit dem Teufel zugehen, dass man dort gestört wurde. (Was nun nicht heißen soll, dass das Kino per se ein Safe Space ist). 

Wie bereits angedeutet, schreibt sich die eigene, beginnende Romanze in die jeweiligen Narrative der Film mit ein. Zumindest wird das eigene, pochende Herz umspielt, davongetragen. Wer kennt es noch, dieses Gefühl, wenn man nach einem großartigen Film in die Nacht hinaustritt und die Bilder nachwirken? In diesen Momenten ist alles ein klein bisschen ver-rückt, also verschoben, so als wäre das Reale unterspült. Es gibt keinen besseren Moment, kein leichteres Atmen. Und auch die Küsse schmecken nach Popcorn und weiter Welt — selbst wenn es nur die kleine piefige Stadt im Osten Bayerns war, die für einen Abend doch über sich hinauswuchs.

Später dann, während meines Studiums, wurden die Filmtitel bei Dates sonderbarer. Mein Geschmack hatte sich verändert und ich war neugierig, wollte Arthouse, Underground und seltsames Kino. Nicht um als der krasse Hipster zu erscheinen, sondern weil die große Liebe der Leinwand gehörte. Daher wurde auch die Videothek zum zweiten Wohnzimmer. Doch nicht immer war ich es, der einen Film aussuchte oder gar einen Film mitbrachte: Robert Bressons erhaben-religiösen Zum Beispiel Balthasar habe ich durch ein Date kennengelernt. Ich war gebannt, fasziniert und vollkommen verliebt: In den Film und auch die Frau, die ausgerechnet diesen Films ausgewählt hatte. Am Ende konnte ich nicht anders und habe geweint. Aus der Romanze ist nichts geworden, aber an diesen Tag denke ich immer noch oft zurück. Das ist Kino, das weit über den Film hinausreicht.

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