Battle Royale (2000)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Immer noch zeitgemäß

Vergesst Die Tribute von Panem, hier kommt das Original! Nach mehr als einem Jahrzehnt, in dem Battle Royale in Deutschland indiziert und nur in einer stark geschnittenen Variante erhältlich war, kann man nun Kinji Fukasakus Werk auch hierzulande so ansehen, wie es eigentlich gedacht war. Und das lohnt sich.

Battle Royale ist die Mutter aller dystopischen Metzelspielchen-Filme und setzte schon bei seiner Veröffentlichung im Jahr 2000 die Latte für alle Nachfahren und Nachahmer sehr hoch an. Hier wird nicht angedeutet, hier wird knallhart und mit einer Brutalität gearbeitet, die militante und diktatorische Regimes eben auch in der Wirklichkeit ohne mit der Wimper zu zucken aufrufen. Dabei ist der Film an sich gar nicht in einem solchen Regime verankert. Vielmehr sind einfach die japanischen Werte von Respekt und harter Arbeit den Bach runter gegangen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Jugendkriminalität ebenso. Um dem Ganzen beizukommen, entsinnt die Regierung das BR-Gesetzt, das besagt, dass jedes Jahr eine Schulklasse auserkoren wird, die sich gegenseitig bis auf eine Person niedermetzeln muss. Dieses Jahr trifft es die Klasse 3B (entspricht in Deutschland der 9. Klasse). Die denken noch, es handle sich um einen Schulausflug, doch plötzlich finden sie sich in einer Halle auf einer Insel wieder mit Kitano (eine seiner besten Rollen: Takeshi Kitano), ihrem ehemaligen Klassenlehrer. Der präsentiert den eigentlichen Lehrer als Leiche und legt gleich mal die Regeln fest: Wer rummuckt, wird kaltgemacht. Ansonsten bekommt jeder Schüler einen Rucksack mit Ausrüstung und eine durch Zufall ermittelte Waffe. Von der Halbautomatischen bishin zum Topfdeckel ist die Spannbreite hier allerdings recht groß. Dann werden die Jugendlichen ins Freie geschubst und haben 48 Stunden, um sich gegenseitig zu töten. Und wer versehentlich in der sich alle paar Stunden ändernden Todeszone ist, dessen Kopf explodiert dank eines Halsbands, das alle tragen. So, und jetzt viel Spaß …

Noch bevor sie überhaupt denken können, werden die Hauptfigur Shuya Nanahara (Tatsuya Fujiwara), seine heimliche Liebe Noriko Nakagawa (Aki Maeda), der Rest der Klasse und zwei unheimliche Neuankömmlinge ins Spiel geschickt, das sofort beginnt. Schneller als man „Scheiße!“ sagen kann, sterben schon die ersten TeilnehmerInnen und das nicht gerade unblutig. Hier allerdings wird es ein wenig philosophischer, als man von den amerikanischen Verwandten wie Die Tribute von Panem gewohnt ist. Denn es gibt durchaus sehr verschiedene Reaktionen und Strategien, die die TeilnehmerInnen hier anwenden. Die einen wählen den Freitod und trotzen so der Unmenschlichkeit und der Gewalt, die ihnen aufgezwungen wird. Die anderen suchen nach Auswegen aus dem System. Manche halten zusammen und versuchen, als Gruppe zu bestehen, auch wenn das nicht sinnvoll ist, denn sollte nach den zwei Tagen mehr als nur eine Person noch leben, sterben alle. Shuya und Noriko wiederum versuchen sich durchzuschlagen, ohne ihre Menschlichkeit zu verlieren und ohne zu töten. Das ist einfacher gesagt als getan. Und dann ist da noch Kitano, der ehemalige Lehrer, der die Klasse aus Rache (oder aus erzieherischen Gründen?) erst in diese Situation gebracht hat und jetzt das Geschehen beobachtet und manchmal eingreift.

Battle Royale ist auch siebzehn Jahre später noch ein zeitgemäßes und durch und durch blutiges Werk. Aber genau diese konsequente Haltung des filmischen Regimes gegenüber macht den Film herausragend und zu einem wichtigen Werk, nicht nur dieses Genres, sondern allgemein. Der Verzicht auf viel Erzählstruktur und darauf, die vielen ProtagonistInnen einzuordnen und ihnen eine Geschichte zu geben, ist Teil der durchexerzierten Grausamkeit. Genau wie im wahren Leben sterben Menschen durch andere. Sie haben keine elaborierte Geschichte, sie sind nicht besonders und wenige erinnern sich an sie, vor allem, wenn ihr Tod Teil eines Systems ist, das Leichen im Dutzend produziert. Und auch das Konstrukt des Tötens an sich ist nah und präzise an vielen anderen Kriegsschauplätzen, die die Welt damals schon und auch jetzt hervorbringt. Einzig der medial-voyeuristische Aspekt fehlt. Niemand schaut hier zu beim Battle-Royale-Spiel. Einzig Kitano ist Zeuge der Ereignisse. Und man selbst als ZuschauerIn. Aber genau dies macht vielleicht doch die Macht des Filmes wieder aus: Man kann sich nicht, wie bei Die Tribute von Panem hinter den diegetischen ZuschauerInnen verstecken. Es gibt keine doppelte Ebene, man ist schlechthin das Publikum dieses Massenmordes an Teenagern. Und noch bevor man sich versieht, hat man gar Favoriten oder KandidatInnen, die man nicht mag und ist damit selbst Teil der perfiden, sadistischen Strukturen. Kurzum: Battle Royale funktioniert ganz genau so wie intendiert und ist dabei nicht nur Spiegel von Gesellschaftsstrukturen, sondern ordentlicher Action- und Gore-Film sowie bitterböse Satire, die noch immer perfekt ins Schwarze trifft.
 

Battle Royale (2000)

Vergesst „Die Tribute von Panem“, hier kommt das Original! Nach mehr als einem Jahrzehnt, in dem „Battle Royale“ in Deutschland indiziert und nur in einer stark geschnittenen Variante erhältlich war, kann man nun Kinji Fukasakus Werk auch hierzulande so ansehen, wie es eigentlich gedacht war. Und das lohnt sich.

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