Die versunkene Stadt Z (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Schwitzend durch den Regenwald

„There’s no sense in going further – it’s the edge of cultivation“ beginnt Rudyard Kiplings Gedicht The Explorer, in dem das lyrische Ich eine Stimme quält, die ihm jeden Tag und jede Nacht zuflüstert, „Something hidden. Go and find it. Go and look behind the Ranges“. Eine ähnliche innere Stimme wird auch bald Colonel Percival Fawcett (Charlie Hunnam) verfolgen.

Zu Beginn von James Grays Die versunkene Stadt Z ist er noch in Cork, Irland auf der Suche nach einer Herausforderung, die ihm Ruhm und Ehre bringt. Nach Aufenthalten in Asien lauert er auf eine Gelegenheit, sich zu beweisen, denn er sieht zwar in seiner Uniform gut aus, ist mutig und talentiert, aber ihm fehlen Orden, Anerkennung und vor allem eine angemessene Herkunft. Doch statt in einen weiteren Krieg wird er 1906 von der Royal Geographic Society auf eine Expedition zur Landvermessung nach Südamerika geschickt. Er soll die Grenze zwischen Bolivien und Brasilien festlegen – und damit einen Krieg verhindern, der vor allem die lukrativen Gummi-Geschäfte der Krone behindern würde.

Visuell ist Die versunkene Stadt Z ein sehr guter Abenteuerfilm: der Kühle der irischen und englischen Landschaften steht die Feuchte des Amazonasgebiets gegenüber, der kalte Wind wird abgelöst von schwerer Schwüle. Gerade während der beschwerlichen Reise auf einem Floß den Amazonas herunter wird durch die Stille, die von Urwaldgeräuschen durchbrochen wird, die Abenteuerlichkeit des Unterfangens deutlich. Denn dieser Film setzt dem Entdeckergeist ein Denkmal, der besessenen Neugier eines Forschers, der nicht davon ablassen kann, die Welt zu entdecken. Deshalb ist die Erkundung des Amazonasgebiets hier keine klamaukhaft-erfolgreiche Angelegenheit (Die Vermessung der Welt), keine Wahnsinnsexpedition (Aguirre, der Zorn Gottes), sondern ein lebensgefährliches Unterfangen – mit Hunger, eitrigen Wunden, ständiger Angst und permanentem Schwitzen.

Die Handlungsebene ist indes im Vergleich zu dieser visuellen Inszenierung deutlich schwächer. Fawcett ist ein guter Mann, der mit der Expedition nicht nur Geschichte schreiben, sondern auch seinen Familiennamen von einer Schande befreien will. Vorgeblich tut er dies insbesondere für seine Kinder (u.a. Tom Holland) und seine Frau Nina (Sienna Miller), tatsächlich aber in erster Linie für sich. Er will geehrt und geachtet werden. In Bolivien tritt dann etwas anderes an diese Stelle: Er entdeckt – einige Jahre bevor Machu Picchu „offiziell“ vom Westen gefunden wurde – Hinweise auf eine verlorene Zivilisation und glaubt, dass die Stadt Z tief im Regenwald vergraben ist. Sie würde beweisen, dass es in Südamerika eine entwickelte Zivilisation gab. In England aber stoßen Fawcett und sein Kompagnon Henry Costin (Robert Pattinson) überwiegend auf Aberglaube und Widerstand angesichts einer vermeintlichen Zivilisation indigener Völker („der primitiven Wilden“). Es gibt aber auch Unterstützer, die ihm eine weitere Expedition finanzieren. Damit beginnt in dieser Adaption von Davin Granns gleichnamigem Sachbuch gewissermaßen der zweite Teil: Fawcett stößt auf Widerstände und Hindernisse. Das Drehbuch aber konzentriert sich hier zunehmend auf den inneren Drang von Fawcett, der ihn inmitten seiner Kinder abwesend erscheinen lässt, der ihn selbst im Schützengraben im Ersten Weltkrieg nicht verlässt. Diese Ausdauer erscheint im Film ehrenhaft, letztlich scheint sie es sogar wert zu sein, dass der eigene Sohn bei der Rückkehr fragt, ob Fawcett sein Vater sei. Den Preis für dieses Entdeckerunterfangen scheint allein die Familie zu bezahlen. Dass dies deutlich wird, ist insbesondere der Anlage von Fawcetts Frau Nina zu verdanken. In vielen Filmen, in denen Männer die Hauptrolle spielen, ist die Ehefrau und Freundin zu Hause, wahlweise duldend oder leise beschwerend. Nina will ihrem Mann helfen, sie versucht, seine Partnerin zu sein, sie will schließlich sogar mit auf eine Expedition kommen. Aber so progressiv Fawcett in manchen Bereichen ist, hinsichtlich der Geschlechterrollen ist er fest in seiner Zeit verankert. Für Nina bleibt letztlich eine spirituelle Gläubigkeit an den Mann und die Stadt Z, die leider auch im letzten Drittel von dem Film übernommen wird.

Die versunkene Stadt Z bleibt daher insbesondere dank der fehlenden Glamourösität der Bilder in Erinnerung: es ist wenig heroisch, sich tagelang in den Amazonas zu übergeben und sich mit delirierenden Mitreisenden auseinanderzusetzen. Der Regenwald ist hier nicht strahlend grün und sauber, sondern ein dunkler, feuchter Ort voller Ungewissheiten. Hier werden keine Helden gemacht, sondern wartet an jeder Ecke der Tod.

Die versunkene Stadt Z (2017)

„There’s no sense in going further – it’s the edge of cultivation“ beginnt Rudyard Kiplings Gedicht „The Explorer“, in dem das lyrische Ich eine Stimme quält, die ihm jeden Tag und jede Nacht zuflüstert, „Something hidden. Go and find it. Go and look behind the Ranges“. Eine ähnliche innere Stimme wird auch bald Colonel Percival Fawcett (Charlie Hunnam) verfolgen.

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