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Porträt dreier Menschen, die eine familiäre Bande verbindet, aber von Grenzen getrennt werden. Und die alle ein unterschiedliches Verständnis von Heimat haben und leben.

The Homes We Carry (2022)

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Die, die niemals ankommen

8000 Kilometer trennten die DDR von Mosambik, im Jahre 1979 einte beide Länder jedoch ein gemeinsames Vorhaben: Insgesamt 20.000 Menschen aus dem südostafrikanischen Land reisten in die Deutsche Demokratische Republik, um dort zu arbeiten und ausgebildet zu werden. Eingesetzt wurden sie meist für schwere Arbeiten, die keine Qualifikation brauchten, ausgebildet wurden sie an Maschinen, die sie nie wieder sahen.

Einer dieser Vertragsarbeiter war Eulidio. Wie viele andere verliebte er sich in der DDR in eine junge Frau, die einige Jahre später sein Kind zur Welt brachte: Sarah. Der Vater jedoch musste noch vor der Geburt das Land verlassen: Die Mauer war gefallen, und im neuen System wurden die Mosambikaner*innen nicht anerkannt, Löhne nicht gezahlt, die Menschen zur Rückreise gedrängt. Doch auch in ihrem Geburtsland erfuhren sie Ausgrenzung: Als mutmaßlich Privilegierte bekamen sie keine Arbeit, weshalb Eulidio nun in Südafrika lebt und einen Imbiss betreibt.

Sarah, die ihren Vater erstmals mit elf Jahren sah, ist inzwischen etwa 30, lebt in Berlin und ist kürzlich Mutter geworden. Schwanger wurde sie bei einem längeren Aufenthalt in Mosambik. Der Vater des Kindes, Eduardo, blieb zurück und wartet auf die unregelmäßigen Besuche von Sarah. Sie löste die Beziehung nach ihrer Rückkehr nach Deutschland auf.

Drei Menschen, die ein familiäres Band verbindet, aber von Grenzen getrennt werden. Die sich einander sehnen und sich zugleich entfremden. Und die alle ein unterschiedliches Verständnis von Heimat in Herz und Kopf tragen. Sarahs Traum-Heimat liegt in der Ferne: Als Tochter einer Weißen und eines Schwarzen hat sie in Deutschland immer wieder Ausgrenzung erfahren, fühlte sich stets anders, dafür bei ihren Besuchen in Mosambik umso heimischer. Eulidio ist ein Heimatloser; ein doppelt Vertriebener, der Familie sowohl in Südafrika als auch Deutschland hat, am liebsten aber nach Mosambik zurückkehren würde. Eduardo hingegen weiß genau, wo seine Wurzeln liegen: in Mosambik, wo er ein Haus für seine Tochter errichten möchte, auch wenn die bei ihren Besuchen mit ihm fremdelt.

In Gesprächen miteinander und mit der Kamera offenbaren sich die Dilemmata und ganz und gar menschlichen Ambivalenzen der drei Protagonist*innen, ihre gegenseitigen Reibungspunkte, und so führt die Geschichte nicht zu einem Happy End, sondern in der nüchternen Feststellung, dass Heimat keine Konstante ist, sondern ein individuelles Verständnis, das sich mit fortschreitender Zeit verändert.

Regisseurin Brenda Akele Jorde bemüht sich dabei zwar, den Bogen zurück zum Ausgangspunkt zu spannen, die Ungerechtigkeiten gegenüber den 20.000 Vertragsarbeiter*innen aus Mosambik rücken angesichts der Zeit, die The Homes We Carry seinen drei Hauptfiguren widmet, jedoch zunehmend in den Hintergrund. Ein etwas ausführlicherer Blick auf die größeren Strukturen hätte dem Plädoyer für mehr Aufmerksamkeit gegenüber dieser Problematik, die der Film letztlich ist, die nötige Dringlichkeit verliehen – und The Homes We Carry die Krone aufgesetzt.

The Homes We Carry (2022)

Die Afrodeutsche Sarah reist mit ihrer Tochter ins Südliche Afrika, um ihr die Beziehungen zu ermöglichen, die ihr selbst fehlten. Die Geschichte einer zerrissenen Familie zwischen Deutschland, Mosambik und Südafrika.

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