Kolumnen

Kolumnen: Es ist nicht leicht, ein Uwe Boll zu sein

Ein Beitrag von Rajko Burchardt

Um die sogenannte Karriere von Uwe Boll scheint es schlecht bestellt. Seit Wochen rührt der Wermelskirchener Regisseur nun schon die Werbetrommel für einen Film, den er noch gar nicht gedreht hat. Dazu nämlich fehle ihm das Geld, sagt Uwe Boll. 0.000 müsse er noch zusammenbekommen, um die Finanzierungslücke des geplanten Actionfilms Rampage 3 — No Mercy schließen zu können.

Ein Vorhaben, das uns alle angeht. Schließlich gebe es „keinen anderen Film, der so hart und so kompromisslos die Politik der Amerikaner in die Schusslinie nimmt“, heißt es auf der Crowdfunding-Seite Indiegogo, über die das fehlende Geld reinkommen soll. „Und der eben auch nicht davor Halt macht, sehr unbequeme Wahrheiten auszusprechen und dementsprechende Konsequenzen zu fordern“. Politisches Kino also, für das man schon mal ein paar Dollar locker machen könne.

Die Fanbase war dann auch schnell mobilisiert, das Schwarmfinanzierungsprojekt in aller Munde. Aber unterstützen mochte es beinahe niemand: Wie die einst vorzeitig abgebrochene Kickstarter-Kampagne zum bislang nicht realisierten Postal 2 kann auch diese Indiegogo-Initiative — mit gerade einmal fünf erreichten Prozent des angestrebten Ziels — nur Fiasko genannt werden. Was wohl einigermaßen bitter ist. Denn gefallen haben dürfte sich Uwe Boll ohnehin kaum in seiner neuen Rolle als Bittsteller, der die vermeintliche Bedeutsamkeit des eigenen künstlerischen Schaffens mit Nachdruck bekräftigen muss. Er ist ja bekannt für ein Regiewerk, das sich bisher gleichermaßen konsequent wie autark mit den jeweiligen Bedingungen des internationalen Video- und Fernsehmarktes zu arrangieren wusste.

Seltsamerweise ist er darüber nie zu einem bloßen Erfüllungsgehilfen geworden. Uwe Bolls relativ gleichförmig debiles Kino (beziehungsweise Nicht-Kino, mit Blick auf die Veröffentlichungspraxis seiner Produktionen) lässt durchaus eine Autorenhandschrift erkennen. Vermutlich aber würde er selbst nicht leugnen, all die Filme über Amokläufe, Zombieepidemien und anderweitige Katastrophenszenarien ausschließlich deshalb zu drehen, weil sie ihm gutes Geld bringen. Und wenn sie das einmal nicht tun sollten, hat ihre Herstellung eben einen anderen, einen höheren Sinn. Boll spricht dann von seinen persönlichen Lieblingsfilmen, den politischen also. Sie mögen Verluste gemacht haben, doch der Welt würde es ohne sie bedeutend schlechter gehen.

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(Trailer zu Postal)

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(Uwe Boll über Postal: „Don’t go and see it!“)

Zu diesen weniger rentablen Geschäften zählte etwa die angeblich satirisch gedachte, aber brutal infantile Videospielverfilmung Postal. Oder auch das Exploitationvehikel Auschwitz, von dem Uwe Boll behauptet, es sei der erste Film über den Holocaust, der zeige, wie es „wirklich war“. Gedreht wurde er quasi nebenher, ganz praktisch in den Kulissen von Bloodrayne: The Third Reich und Blubberella — zwei Produktionen, die nicht unter dem Verdacht stehen, irgendetwas so zeigen zu wollen, wie es wirklich gewesen sei. Die Gelegenheit aber, den unbedingt erheblichen Auschwitz gleich in einem Rutsch mit zwei Horror- bzw. Actionstreifen abzuwickeln, kann ein Uwe Boll nicht verstreichen lassen. Politisches Kino schön und gut, aber effizient muss es ja irgendwie auch sein.

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(Trailer zu Darfur von Uwe Boll)

In diesem Spannungsfeld aus törichter Ambition und pathologischer Selbstüberschätzung bewegen sich viele der jüngeren Boll-Filme, wenn auch auf unfreiwillige Art. Sie wollen ihre zuweilen geschmacklose (und obendrein kompetenzfreie) Gewaltinszenierung nicht allein unterhaltsam, sondern erzieherisch verstanden wissen. Immer wieder versteift sich Uwe Boll in tobsuchtartige Schimpfkanonaden, wenn er über die behauptete Relevanz seiner mal nicht auf Computerspielen basierenden Arbeiten schwadroniert. Und tatsächlich konnte er für sein sensationalistisches Kriegsdrama Darfur vereinzeltes Kritikerlob einheimsen — ausgerechnet Hollywoodregisseur Ron Howard soll den Film ein Meisterwerk genannt haben. Es gibt natürlich kaum ein Interview, in dem Boll diese Anekdote einfach mal Anekdote sein lässt.

Entsprechend grobe Spuren zieht die Mär vom Politfilmemacher Uwe Boll dann auch auf der Indiegogo-Seite zu Rampage 3. Sprachlich überarbeitungswürdig, aber sicher aufrichtig heißt es da: „RAMPAGE 1 und 2 waren HALLO WACH Rufe …das sind Filme, die die die Augen öffnen und weh tun. Die einen nicht davonkommen lassen mit der Hoffnung irgendwie ist doch alles in Ordnung“ (sic). Und ja: Wehgetan haben die beiden bisherigen Rampage-Filme tatsächlich. Sie erzählten von einem Massenmörder, der seine Erschießungsarien als Kritik an bestehenden Unrechtsverhältnissen verstanden wissen möchte. Während sich der erste Teil dabei vor allem über eine zynische Schlusspointe als Produkt aus Absurdistan zu erkennen gab, quälte einen die Fortsetzung mit Monologen, in denen der einfältig daherplappernde Protagonist das amerikanische Mediensystem vorzuführen meint. Ein Alter Ego seines Regisseurs?

Uwe Boll zumindest gibt selbst gern den scharfen Beobachter unserer grausamen Wirklichkeit, und manchmal muss man beinahe ein wenig Angst haben vor seinem pitbullartigen Duktus. Auf Kinotouren, Sonderveranstaltungen und neuer- wie schlechterdings auch YouTube redet er — so würden es seine Fans vielleicht sagen — einfach mal Tacheles. Bullshitfrei, geradeaus. Und gerät dabei schnell in Verbalrage: Über die Massenmedien zum Beispiel, deren „Ablenkungsgeplänkel“ (was nicht weniger meint als „ISIS, Syrien, Big Brother oder Kochshows“) allein den Zweck verfolge, das „Große und Ganze“ nicht in Frage zu stellen. Oder über den US-amerikanischen Kapitalismus, der in Gestalt von Barack Obama vor allem kriegstreiberisch auftrete. Ein heilloses argumentatives Durcheinander — mal ganz links, mal ganz rechts, immer auf die Zwölf.

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Man kann das unterhaltsam finden, weil es das manchmal auch ist. Nur darf diese aggressive Ballaballa-Bescheidwisserei eben nicht mit politischem Statement verwechselt werden. Es scheint außerdem, als habe Uwe Bolls Frustration über das mangelhafte Crowdfunding-Feedback seine Angriffslust nicht gerade zum Besseren gewendet. Ziemlich munter liebäugelt [2] er dieser Tage mit Pegida („da sind ja auch viele intelligente Leute bei“), mit dem Medienverdruss der Demonstrationsanhänger („weil sie wissen, dass sowieso alles verdreht und gegen sie verwendet wird“), mit einem also leider gar nicht mehr so unterhaltsamen Verschwörungsgerede über angebliche Lügenpresse. Dass Boll diese und andere Wutreden möglicherweise nur aus PR-Gründen schwingt, macht die Sache ja auch nicht besser. Im Gegenteil.

Das jüngste Zeugnis einer vielleicht doch besorgniserregenden Verzweiflung legte Uwe Boll auf seinem ganz persönlichen YouTube-Kanal  ab. In einer sonderbar dusseligen Mischung aus Jahresrückblick, Weihnachtsansprache und Spendenaufruf kommentierte er jüngere Ereignisse, die im entfernten Sinne etwas mit Politik und Boulevard zu tun haben. Bill Cosby nennt er darin etwa einen „alten farbigen Heini“ (sic), Bryan Singer einen Kinderschänder, Hollywood einen Ort, wo man „mit perversen Schweinen überhaupt kein Problem“ habe, denn dort seien die meisten Leute eben „schwul oder kleine Perverslinge“. Und weil es die vorweihnachtliche Laune offenbar so wollte, spannt Boll am Ende des Videos auch noch einen Bogen zu IS-Terroristen, den „kleinen Schwuletten-Mohammedaner-Islam-Scharia-Pissern“ (sic).

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(Uwe Bolls ganz persönlicher Jahresrückblick 2014)

Natürlich versteht sich diese Provokation als Promotion. Und natürlich ist sie genauso geschmacklos und hirnverbrannt, wie es eben auch die passenden Filme zum Gebrüll sind. Wenn nun der Wahlkanadier Uwe Boll seit Wochen vor dem Computer seines Arbeitszimmers ausharrt, um sich in grauem Pulli Kaffee schlürfend mit YouTubern zu unterhalten, für Rampage 3 zu werben und uns allen die Welt zu erklären, dann vermittelt dieses triste Bild nicht nur etwas über eine mutmaßliche Karrierekrise. Sondern es lässt das ganze Gepolter auch schrecklich überflüssig erscheinen: Ihr Ziel wird die am 24. Januar 2015 endende Indiegogo-Kampagne zu Rampage 3 grandios verfehlen. Der Politfilmemacher Uwe Boll also, er findet gottlob unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

(Rajko Burchardt)

(Rajko Burchardt war Student und ist Menschenfreund. Für Online- und Offline-Magazine schreibt er regelmäßig Filmtexte.)