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Jubiläumsjahr 2004 – April: Dawn of the Dead

Ein Beitrag von Mathis Raabe

Kino-Zeit feiert 20 Jahre und aus jedem Monat des Gründungsjahres kommt ein Film, der im Rückblick betrachtet wird. Mathis Raabe schreibt über den Kinohit des April 2004 – Zack Synders „Dawn of the Dead“ – und wie viel oder wenig sich seitdem im Horrorkino getan hat.

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Zack Snyders „Dawn of the Dead"
Zack Snyders „Dawn of the Dead"

Dass der erfolgreichste Horrorfilm des Kino-Zeit-Gründungsjahres ein Remake ist, ist schon bezeichnend. Auch 20 Jahre später bewegen wir uns im kommerziellen Horrorkino in ewigen Sequel-, Prequel- und sonstigen Franchise-Schleifen, haben sogar das Wort „Requel“ erfunden, um das, was in Scream 5 und Scream 6 passiert, noch rechtfertigen zu können. Die besten Einspielergebnisse des Jahres 2023 hatten The Nun II und der drölfte Teil von Insidious.

Weniger ärgerlich ist, dass es sich um einen Zombiefilm handelt. Das Subgenre ist zu Recht mindestens so unsterblich wie seine ikonische Figuren, denn in den bald hundert Jahren seit White Zombie (1932) sind seine Motive immer wieder weitergedacht und in neue Kontexte gesetzt worden. Das liegt daran, dass es in Zombiefilmen natürlich nicht wirklich um die Zombies geht. George A. Romeros Klassiker handeln von Krisengemeinschaften – davon, wie Menschen zusammenhalten oder eben nicht, wenn sie in eine Ausnahmesituation geraten, und was das mit Rassismus (Night of the Living Dead), Konsumsucht (der originale Dawn of the Dead) und Militarismus (Day of the Dead) zu tun hat.

Auch die Monsterfigur hat sich verändert: Zombies sind im Laufe der Filmgeschichte schneller geworden, prägend hierfür war etwa 28 Days Later. Aus Voodoo wurde Reproduktion durch Beißen und daraus schließlich, passend zur gesellschaftlichen Angst vor Pandemien, ein Virusmotiv. Das Motiv der zahlenmäßigen Überlegenheit wurde von World War Z auf die Spitze getrieben, in dem sich die Untoten wortwörtlich auftürmen. Aber selbst dieser Film, so sehr er das Spektakel feiert und Zombiekino fürs Multiplex sein will, kann die von Romero angelegte düstere Meta-Ebene nicht abschütteln: Zombies bilden eine Gesellschaft, und zwar in vielerlei Hinsicht die bessere. Während die Menschen mit ihren Befindlichkeiten und Ressentiments kämpfen, agieren die Zombies als geeinte Masse.

"Dawn of the Dead (2004) von Zack Snyder"
Die Krisengemeinschaft – © Universal

Wie bitte? Ich soll jetzt aber auch mal über Zack Snyders Dawn of the Dead schreiben, den Horrorhit des Jahres 2004? Na gut, wenn’s denn sein muss. Immerhin ist das Spielfilmdebüt Snyders für die Blockbuster-Geschichte nicht ganz irrelevant. Er liebt auch hier bereits den Pop-Musik-Einsatz, er liebt seine Zeitlupen – klar, er hatte zuvor Musikvideos gedreht. Aber er ist auch hier bereits ein chauvinistischer wirkender Filmemacher. Im Humor und in den Werten der Figuren, ob sie nun sympathisch gezeichnet sind oder nicht, scheint das immer wieder durch. Sein Film ist noch zynischer als das Original, auf nicht sonderlich tiefgründige Weise: Die unsympathischen Figuren werden nach ihrer Zombie-Infektion mit besonderer Genugtuung getötet, und in einer bemüht transgressiven Szene lässt Snyder ein Neugeborenes erschießen. Von Romeros Konsumkritik ist derweil wenig übrig geblieben.

Als Zeitdokument ist Dawn of the Dead trotzdem interessant. Es handelt sich ja bereits um Post-9/11-Horrorkino, das vielfach von Grenzüberschreitungen geprägt ist. Der Film erschien zwar noch kurz vor Saw und dem Beginn des sogenannten Torture Porn, riecht aber bereits nach dem Teil der 2004er Kultur, der das inspirierte – nach Nu Metal, nach Internetforen wie rotten.com, nach auf dem Schulhof Taliban-Videos gucken. Dawn of the Dead erzeugt somit bei mir das Gegenteil von Nostalgie, erinnert an alles, was ich lieber vergessen hätte.

Im kommerziellen Horrorkino ist seitdem durchaus viel passiert. Saw-Regisseur James Wan selbst stieß mit Insidious und Conjuring ein Revival des Haunted-House-Films und anderer klassischer Gruselmotive an, die seither in recht uniformer Form und mit reichlich Jump Scares den Multiplex-Horror dominieren. Erfreulicherweise konnte aber auch Jordan Peele mit einem Horrorfilm über Rassismus in liberalen Gesellschaften große Erfolge feiern. Mögen sich die Genreschaffenden dieses Jahr häufiger an ihm oder an George A. Romero orientieren als am ewigen Verwursten der bekannten Marken.

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