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Darling der Woche

Jim Jarmusch auf ARTE

Ein Beitrag von Mathis Raabe

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Night on Earth von Jim Jarmusch
Night on Earth von Jim Jarmusch

Das Werk von Jim Jarmusch ist so etwas wie Bewegtbild gewordene Bohème und Hipster-Coolness. Seine Filme kennen sich so gut in der Popkultur aus, dass manchmal die Orte, die Musik oder auch nur die Hüte eher Hauptfiguren sind als die Menschen. Es sind Filme, in denen man gerne leben würde, um auch mal mit Tom Waits eine Zigarette zu rauchen oder um endlich mal New York so zu sehen, wie es das Kino zeigt, und nicht so, wie es wirklich ist. Es sind poetisch-plätschernde Filme, und nicht zuletzt sind sie zusammen mit Do The Right Thing oder Sex, Lies, and Videotape wichtige Pfeiler des aufstrebenden US-Independent-Kinos der späten Achtzigerjahre. Manchmal wird Jarmusch vorgeworfen, er habe sich innerhalb seines Stils nicht ausreichend weiterentwickelt. Anhand der fünf Filme, die ARTE in seiner Mediathek als Themenschwerpunkt versammelt hat, kann man diese These auf den Prüfstand stellen.

Denn die Auswahl beginnt ganz am Anfang: Permanent Vacation war Jarmuschs NYU-Abschlussfilm, ähnelt aber bereits späteren Filmen wie Paterson als Porträt einer Außenseiterfigur und ihres Wohnorts: Im von Wirtschaftskrisen zerrütteten New York der späten Siebzigerjahre findet der junge Aloysious Parker keine Arbeit und kein Zuhause, und so driftet er durch die Stadt und trifft auf andere Außenseiterfiguren, die ihr Leben Tag um Tag improvisieren. Passend dazu wird Permanent Vacation noch nicht wie spätere Film von Pop-Musik begleitet, sondern von Saxofon-Improvisationen, gespielt von Jarmuschs Freund John Lurie.

Der ist bei Down By Law bereits zum Hauptdarsteller aufgestiegen, der zusammen mit Tom Waits und Roberto Benigni in einer Gefängniszelle feststeckt – ausnahmsweise mal ohne Hut, aber lapidar und lässig wie eh und je, als Kontrast zur redseligen Benigni-Figur. Down By Law ist vielleicht Jarmuschs lustigster Film und ebenso wie Dead Man in Schwarzweiß veröffentlicht. Kameramann Robby Müller erklärte einmal, wenn die Farben der Geschichte nichts hinzufügten, dann seien sie eben auch nicht notwendig, eher gar ablenkend. Auch Dead Man, Jarmuschs Version eines Western, lässt Charaktere unterschiedlicher Façon aufeinandertreffen und zieht daraus Komik. Die Komik steckt aber in einer Narration voller Brüche über den Weg eines Mannes in den Tod.

"Down By Law"
Lurie, Waits und Beigni in „Down By Law“ – © Pandora

Jarmuschs Episodenfilme fühlen sich oft besonders repräsentativ für sein Werk an, sind doch selbst seine nicht episodischen Filme alles andere als linear erzählt, sondern schwebend und mäandernd – der Weg ist das Ziel. Bei Night On Earth führt dieser Weg kreuz und quer durch gleich mehrere nächtliche Städte: In Jarmuschs Heimat New York sowie Los Angeles, Paris, Rom und Helsinki haben fünf Taxifahrer*innen schicksalhafte Begegnungen mit Fahrgästen. Die Episoden sind in den jeweiligen Landessprachen gedreht, und lassen sich nicht nur als Hommagen an die Städte, sondern auch an Regiekollegen lesen – an Spike Lee, mit dem Jarmusch in New York auf die selbe Uni ging, oder an die Brüder Kaurismäki.

Jarmuschs Liebe für die Popkultur kommt auch in Mystery Train deutlich zum Vorschein, in seinem späteren Werk soll sie noch vordergründiger werden. (Das Vampirpaar aus Only Lovers Left Alive würde auf einer Party sicher alle über ihre Plattensammlung vollquatschen.) In drei Episoden, in denen einmal mehr drei verschiedene Sprachen gesprochen werden, verbringen Leute die Nacht in einem heruntergekommenen Hotel in Memphis, der Heimatstadt von Elvis Presley. Einmal erscheint sogar der Geist des King of Rock ’n’ Roll im Zimmer. Die Musiker Screamin’ Jay Hawkins, Joe Strummer und Rufus Thomas, selbst aus Memphis, haben Gastauftritte, und mal wieder kann man über kleine Zufälle und Zusammenhänge sinnieren, die die Episoden verbinden und was sie uns wohl über die USA oder über die menschliche Existenz an sich verraten.

Die erwähnten Filme sind in der ARTE-Mediathek abrufbar.

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