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Specials

Catchen im Kino: Was Filme übers Wrestling sagen

Ein Beitrag von Mathis Raabe

Mit „The Iron Claw“ kommt diese Woche ein prestigeträchtiger Film zum Thema Wrestling ins Kino. Das A24-Drama erzählt die tragische Geschichte der Von-Erich-Familie, die über mehrere Generationen im Showkampf-Business aktiv war und dabei viele Tode und persönliche Verluste zu verkraften hatte. Wrestling im Kino war aber nicht immer so ernst.

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Cassandro / Glow / No Holds Barred
Cassandro / Glow / No Holds Barred

Wrestling ist eine faszinierende Unterhaltungsform, weil es in so vielen unterschiedlichen Formen auftreten kann. Das simple Grundprinzip – ein gestellter Kampf zwischen Gut und Böse – kann als überdrehter Cartoon mit bunten Kostümen umgesetzt werden, oder als harte und möglichst realistische sportliche Auseinandersetzung, oder irgendwo auf dem langen Spektrum dazwischen. Dementsprechend ist Wrestling auch im Kino in den unterschiedlichsten Formen aufgetreten. Hier sind fünf Thesen über die Catch-Kunst – an Hand von vier Filmen und einer Serie.
 

Wrestling ist hart: The Wrestler (2008)

Dass Wrestling fake ist, braucht man heutzutage freilich niemandem mehr erklären. Fans bevorzugen trotzdem die Formulierung scripted, also geschrieben oder vorherbestimmt. Denn körperlich anspruchsvoll ist es zweifellos, Woche um Woche in einer anderen Stadt mit dem Rücken zuerst auf die Matte zu donnern. Entfernt man sich vom Mainstream-Wrestling, das im Fernsehen zu sehen ist, wird der Lifestyle auch gleich unglamouröser. Das Tourleben und die Werte von Indie-Wrestler*innen erinnern an die von kleinen Rockbands, und die Läden, in denen performt wird auch.

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Diese Welt brachte Darren Aronofsky seinem Publikum näher, nachdem er erkannt hat, dass darin viel Potenzial für menschliches Drama liegt. Mickey Rourke, der mit The Wrestler seine Karriere wiederbeleben konnte, vielleicht nicht zuletzt aufgrund von Parallelen zu seinem eigenen Leben, spielt den abgehalfterten Randy The Ram Robinson. Das Wrestling und das Leben on the road haben ihn nicht nur seine körperliche Gesundheit, sondern auch den Kontakt zu seinen Liebsten gekostet, und von seinen Aufopferungen kann er sich nichts kaufen. So süchtig macht aber das Jubeln des Publikums, dass er im Laufe des Films sogar an einem brutalen Hardcore-Match teilnimmt. Auch das ist eine Realität im Independent-Betrieb: Wrestler*innen, die für ein paar Dollar mehr zu bluten bereit sind, aber auch andere, die aus reiner Leidenschaft für dieses Genre zu bluten bereit sind. Randys Gegner in diesem Match wird gespielt vom Necro Butcher – einem realen Independent-Wrestler und Hardcore-Wrestling-Spezialisten, dessen Leben einige Parallelen zur Fiktion von The Wrestler aufweisen dürfte.

Wrestling war oft problematisch: GLOW (2017-2019)

Wrestling kommt aus der Jahrmarktskultur. Man kennt diese Szene aus Filmen und Comics: Der starke Mann als Publikumsattraktion. Wer kann ihn besiegen? Wer traut sich? Freilich handelt es sich um ein abgekartetes Spiel, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Noch heute hört man oft den liebevollen, aber abwertenden Begriff „Carnies“ – Betrüger. Diese lange und profitorientierte Historie ist voller problematischer Charaktere – Gimmicks, wie man im Wrestling-Jargon sagt. Denn die simpelste und häufigste Wrestling-Geschichte sieht in etwa so aus: Ein Bösewicht beleidigt das Publikum, ein Held eilt zur Rettung. Das Ziel: Möglichst laute Buhrufe, dann möglichst lautes Jubeln des Publikums. Was wäre da etwa zur Zeit des Kalten Krieges leichter gewesen, als einen sowjetischen Bösewicht in den Ring zu schicken, und dann einen US-amerikanischen Helden hinterher.

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Die Serie GLOW arbeitet diese Dynamiken auf kluge Art und Weise auf – anhand einer Wrestlingliga, für die nur Frauen antreten, freilich wahlweise sexualisiert oder dämonisiert, die Ende der Achtzigerjahre tatsächlich existierte: Gorgeous Ladies of Wrestling. Marc Maron verkörpert hervorragend den schmierigen und profitgierigen Achtzigerjahre-Promoter mit Kokain-Laster. Die Wrestlingcharaktere, die er entwirft, sind fast durch die Bank rassistische Stereotype, was von den Figuren thematisiert und vor allem in Staffel zwei und drei vertieft wird – etwa wenn Welfare Queen, gespielt von der Schwarzen Wrestlerin Kia Awesome Kong Stevens Scham empfindet, nachdem ihr Sohn eine Show besucht hat. Die Hauptfigur ist eine erfolglose Schauspielerin, gespielt von Alison Brie, mit ambivalenten Gefühlen zum Wrestling: Die stereotype Schurkin zu spielen, zumal mit schlecht vorgetäuschtem russischem Akzent, widerstrebt ihr. Gleichzeitig ist sie froh, als Frau überhaupt einmal im Fokus der Erzählung zu stehen. Als Zuschauer denkt man in diesem Moment ganz ähnlich.

Wrestling ist berührend: Peanut Butter Falcon (2019)

Man muss sich nicht schämen, zuzugeben, dass man beim Wrestling gucken schon des Öfteren geweint hat. Etwa als Shawn Michaels, kurz bevor er seinen Freund und Mentor Ric Flair per Superkick in die Rente schickte, mit Tränen im Gesicht sagt: „Sorry, I love you“. Im Wrestling geht es um Verrat und Hass, aber auch um Freundschaft und Liebe. Schon unzählige Male ist in einem Wrestling-Ring geheiratet worden – zugegeben, selten ohne Unterbrechung und Tortenschlacht.

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Aber Wrestling kann trotz all seiner Probleme unheimlich inspirieren und mitreißen. Dieser Aspekt ist im Kino durch den wunderbaren Peanut Butter Falcon am besten zum Ausdruck gekommen. In bester US-Indiekino-Manier unternehmen darin zwei Außenseiter zusammen einen Roadtrip und werden Freunde: Zak (Zack Gottsagen), ein junger Mann mit Down-Syndrom, ist aus dem Heim geflohen, in dem seine größte Freude eine Wrestling-Videokassette war. Sein Ziel für sein neues, unabhängiges Leben ist freilich, Profi-Wrestler zu werden. Taugenichts Tyler (Shia LaBeouf) wird der Tandempartner, der an ihn glaubt. Zaks Wrestling-Idol spielt mit Thomas Haden Church ein Mann, der fast so viele Furchen im Gesicht hat wie Mickey Rourke. Im Tonfall ist dies aber der gutmütige Gegenpart zum düsteren The Wrestler.

Wrestling ist grundsätzlich völlig bescheuert: No Holds Barred (1989)

Wrestling-Fans, die sich zu ernst nehmen und auf diesem oder jenem Purismus beharren, muss man immer wieder einmal ins Gedächtnis rufen: Wir gucken uns hier Leute in Unterhosen an, die so tun, als würden sie sich kloppen. So wie es ein breites Feld an so-bad-it’s-good-Kino gibt, gibt es auch jede Menge Wrestling, das erst mit viel Humor erträglich wird. Weil Wrestlingfans also bezüglich Trash eine hohe Schmerzgrenze haben, haben sie selbstverständlich auch einige schlechte Wrestlingfilme zu Kultklassikern erklärt. Allen voran: No Holds Barred, mit dem heutzutage in Ungnade gefallenen Achtzigerjahre-Megastar Hulk Hogan als Wrestler Rip Thomas, der sich mit einem zwielichtigen Promoter anlegt – einem waschechten Carnie also.

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Hulk Hogan wirkte immer mehr wie eine Action- oder Cartoonfigur als wie ein Mensch – ein solariumgebräunter Riesenteddy, der plötzlich austickt, wenn man einen Knopf im Rücken umlegt – und ist deshalb Sinnbild für einen ganzen Wrestler-Typus seiner Ära. Abgesehen von seinem imposanten Erscheinen, ein Anti-Schauspieler. Ihm dabei zuzusehen, wie er sich durch einen emotionalen Monolog an einem Krankenhaus und sogar eine Liebesszene kämpft, ist das größte Faszinosum dieses höchst überdrehten und hanebüchenen Films und erlaubt vielleicht, dem Phänomen Hogan ein bisschen näherzukommen.

Wrestling is gay: Cassandro (2023)

So wie die Darstellungen von Menschen of Color, wie in Glow thematisiert, oftmals problematisch waren, kamen auch queer codierte Charaktere im Wrestling lange Zeit nicht ohne problematische Stereotype aus, dienten als Paradiesvögel und nicht zur Repräsentation. Hinter den Kulissen war ein schwuler Wrestler wie Pat Patterson war zwar schon in den Siebzigerjahren unter seinen Kollegen geoutet, von der WWE wurde dies allerdings bis 2014 nicht öffentlich anerkannt. Inzwischen hat sich zum Glück viel getan, und wie so oft ist der Independent-Bereich dem Mainstream voraus. Veranstaltungsreihen wie Effy’s Big Gay Brunch sind explizit Showcases für queere Wrestler*innen. Den Wrestling is gay-Merchandise, den ebenfalls der Indie-Wrestler Effy vertreibt, kann man inzwischen regelmäßig bei Shows in den Zuschauerreihen sehen.

© Nick Perkins, Townsquare Media

Seit die WWE im Mainstream eine Konkurrenz hat (die Liga AEW), die von einem moralisch etwas weniger verdorbenen Milliardär geführt wird, gab es aber auch im Fernsehen wichtige Momente: Eine trans Frau ist Champion gewordenein Wrestler outete sich on air, und das Publikum reagierte darauf mit Jubel.

Bei alledem darf man freilich die Vorreiter*innen nie vergessen: Cassandro ist ein sogenannter Exotico. So nennt man im mexikanischen Wrestling, dem Lucha Libre, Wrestler in Drag. Wie der Name schon verrät, ging es hierbei traditionell nicht um Repräsentation, sondern um ein Ausstellen. Die meisten Exotico-Charaktere waren Karikaturen von Homosexualität, und ihre Darsteller in Wahrheit heterosexuell. Nicht so Cassandro. Seine Kämpfe in und außerhalb des Rings hat Roger Ross Williams mit Cassandro als Spielfilm umgesetzt. Der ist zwar eher an der individuellen Geschichte interessiert als daran, sie in die Geschichte queerer Menschen im Wrestling-Geschäft einzuordnen. Es handelt sich aber um die bislang größte Mainstream-Filmproduktion zu diesem Thema.

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Einen umfassenden Blick verspricht die Dokumentation Out In The Ring, die auch viele Akteur*innen der aktuellen Szene wie Effy zu Wort kommen lässt. Sie hatte nach einem längeren Festival-Run jüngst ihre Fernsehpremiere in den USA. Man darf hoffen, dass sich auch für den europäischen Markt ein Vertriebspartner finden wird.

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