Der Passfälscher (2022)

Ein (Über-)Lebenskünstler

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Immer wieder stehen Historienfilme vor der Aufgabe, uns mit ihrem Plot und mit ihrer Inszenierung glaubhaft in eine vergangene Zeit zu transportieren. Mal versuchen sie dies etwa durch eine Bildgestaltung in Schwarzweiß, mit der wir unweigerlich das Alte, Vergangene verbinden, mal durch eine möglichst akkurate Nachstellung bekannter geschichtlicher Ereignisse oder auch durch eine bemüht originalgetreue Imitation berühmter Persönlichkeiten.

Die 1974 in Heidelberg geborene Drehbuchautorin und Regisseurin Maggie Peren wählt für ihr neues Werk Der Passfälscher einen spannenden Weg: Um uns ein Gefühl für das Berlin des Jahres 1942 zu geben, konzentriert sie sich ganz auf die detailreiche Darstellung des Alltags ihres Protagonisten. Bei diesem handelt es sich um Cioma Schönhaus (verkörpert von Louis Hofmann) – eine reale Person, geboren im September 1922, verstorben im September 2015. Die Eltern von Cioma waren 1920 aus dem weißrussischen Minsk immigriert. Wegen ihrer jüdischen Herkunft sollte die gesamte Familie Anfang der 1940er Jahre ins Konzentrations- und Vernichtungslager Lublin-Majdanek deportiert werden; Cioma konnte dem jedoch durch seine Arbeit in einer Rüstungsfabrik entgehen.

Hier setzt Der Passfälscher ein. Nach dem gleichnamigen autobiografischen Bericht von Cioma Schönhaus entwirft Peren mit ihrer Szenenbildnerin Evi Stiebler und ihrem Kameramann Christian Stangassinger die persönliche Welt des Helden. Wir sehen Cioma allein in der großen Stadtwohnung, die das einst geführte familiäre Leben noch erahnen lässt; wir begleiten ihn in der Straßenbahn zu seiner Arbeitsstätte an der Drehbank – und wir sind dabei, wenn er mit seinem guten Freund Det (Jonathan Berlin) oder seiner strengen Vermieterin Frau Peters (Nina Gummich) interagiert und sich Hals über Kopf in die rebellische Gerda (Luna Wedler) verliebt.

Als der Jurist und Widerstandskämpfer Franz Kaufmann (Marc Limpach) Cioma aufgrund von dessen Grafikfähigkeiten um Hilfe bei der Fälschung von Ausweispapieren für andere im Untergrund lebende jüdische Menschen bittet, zögert Cioma nicht lange: "Gute Fälschungen sind im Grunde wie kleine Kunstwerke", stellt er mit leuchtenden Augen fest. Louis Hofmann demonstriert in Augenblicken wie diesen, weshalb er die Idealbesetzung für diese Rolle ist: Der Schauspieler vermittelt den Hang zum Leichtsinn, durch den Cioma oft auch in Gefahr gerät, ebenso wie dessen Gewitztheit – und lässt bei allem bewundernswerten Optimismus von Cioma doch stets durchscheinen, dass die vielen Bedrohungen, mit denen sich der junge Mann konfrontiert sieht, nicht ohne Spur bleiben.

In Detailaufnahmen wird eingefangen, wie exakt Cioma bei den Fälschungen vorgeht – wir tauchen mit ihm in die Kunst des Fälschens ein. Wenn sich Cioma wiederum ins Leben auf der Straße, umringt von Nazis, begibt und dabei in Mimikry-Manier Aussagen, Posen und Attitüden nachahmt, um sich seiner Umgebung anzupassen, ist das verschmitzte Lächeln der Figur beziehungsweise des Interpreten für uns immer sichtbar: Mit dem "richtigen" Haarschnitt, der passenden Kleidung und dem notwendigen Vokabular fügt sich Cioma perfekt ein – nicht aus Konformität, auch nicht aus Angst, sondern um sich trotz Verfolgung eine Freiheit zu bewahren, die ihm und den anderen jüdischen Menschen von allen Seiten brutal geraubt wird.

Von den circa 7.000 Jüd:innen, die während des Krieges in Berlin unterzutauchen versuchten, sollten nur etwa 1.700 überleben. Cioma vermochte nicht nur sich selbst zu retten, sondern verhalf mit dem Fälschen von Pässen etlichen Verfolgten zur Flucht. Es gelingt Peren, den Schrecken des Dritten Reichs in ihrem Film aufzuzeigen und zugleich einen lebensbejahenden, einfallsreichen Menschen zu porträtieren, der seinen eigenen Weg des Widerstands fand.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-passfaelscher-2022