Sie nannten ihn Jeeg Robot (2015)

Römischer Rächer

Eine Filmkritik von Falk Straub

Wer vom Bombast kostümierter Capeträger die Nase voll hat, aber nicht völlig auf sie verzichten möchte, sollte auf Adaptionen unbekannterer Comics oder gleich auf Filme ohne Vorlage setzen. Gabriele Mainettis Debütfilm Sie nannten ihn Jeeg Robot ist solch ein Originalstoff und der bislang beste, weil skurril-charmanteste Superheldenfilm der letzten Zeit.

Die Erwartungshaltung der Fans an die neuesten Abenteuer von Batman, Superman, den Avengers & Co. wird immer häufiger zu einem Hemmschuh, was deren Inhalt und dessen (kreative) Umsetzung betrifft. Kick-Ass (2010), Guardians of the Galaxy (2014), Ant-Man (2015) und Deadpool (2016) hatten es da leichter, kennen doch deutlich weniger Zuschauer deren Vorlagen, die zudem mit Anti-Helden und einem subversiven Humor aufwarten, der vielen anderen Produktionen über weite Strecken abgeht. Auch Gabriele Mainettis Langfilmdebüt Sie nannten ihn Jeeg Robot macht sich diesen Umstand zunutze und haucht der vornehmlich amerikanischen Welt der Spandexträger italienisches Leben ein. Mit Dolce Vita hat das allerdings nichts zu tun.

Vom Heldenstatus ist Enzo (Claudio Santamaria) ebenso weit entfernt wie seine verdreckte Einzimmerwohnung von den Prachtbauten in Italiens Hauptstadt. Zwischen leeren Bierflaschen, vollen Aschenbechern und klebrigen Porno-Magazinen haust der Taschendieb an der römischen Peripherie. Seine Superkräfte erhält er hingegen ganz klassisch, als er mit radioaktiver Strahlung in Berührung kommt. (In Italien geschieht so etwas selbstredend nicht in einem Labor, sondern durch Atommüll im Tiber.) Statt seine neuen Fähigkeiten in den Dienst der Armen und Unterdrückten zu stellen, denkt Enzo erst mal nur an sich und reißt einen Geldautomaten mit bloßen Händen aus der Wand. Das ruft den Kleinganoven Fabio (Luca Marinelli) auf den Plan, der den maskierten Unbekannten für den nächsten Überfall gewinnen will. Denn Fabio und seine Truppe brauchen dringend Geld, schließlich stehen sie bei den richtig üblen Kriminellen, denen aus Neapel, mächtig in der Kreide. Erst die Liebe zu seiner psychisch labilen Nachbarin Alessia (Ilenia Pastorelli) bringt Enzo schließlich auf den rechten Weg. Von ihr erhält er auch seinen Namen, glaubt sie doch, Enzo sei der fleischgewordene Roboter aus einer japanischen Zeichentrickserie.

Klingt schräg? Ist auch so! Sie nannten ihn Jeeg Robot ist ein herrlich verrückter Mix aus Gangsterballade, Superheldenfilm, Komödie und Romanze, der sich nicht davor scheut, mehrfach die Tonalität zu wechseln. Das gelingt Gabriele Mainetti im gesamten Film nicht immer ganz so elegant wie zu Beginn seines Debüts, als sich die Kamera von der Vogelperspektive über den Dächer Roms in die Straßenschluchten stürzt und an Enzos Fersen heftet. Wähnten sich die Zuschauer eben noch in einer Ode an die ewige Stadt, wie sie zuletzt Paolo Sorrentino 2013 in La Grande Bellezza anstimmte, finden sie sich schlagartig in einer Verfolgungsjagd im Stile der Bourne-Reihe (2002-2016) wieder, nur um kurze Zeit später eine Melange aus Superheldenfilm und ironisch überzeichnetem Gomorrha (2008) serviert zu bekommen.

Dass das trotz einiger Unebenheiten im Drehbuch so glatt geht, liegt an unzähligen skurrilen Ideen und am herausragenden Darstellerensemble. Claudio Santamaria verleiht seinem Superhelden wider Willen ebenso viel Bodenständigkeit und Gravität wie Ilenia Pastorelli ihrer "Jungfrau in Nöten" Vielfalt und Luca Marinelli seinem Bösewicht den nötigen Schuss Hybris und Wahnsinn. Wenn dieser aufmerksamkeitsgeile Möchtegern-Gangster im Brustton der Überzeugung, geschminkt und in Lederkluft in der Disko einen italienischen Schlager intoniert, dann verströmt das eine befremdliche Absurdität, wie sie viel zu selten auf der großen Leinwand zu sehen ist.

Auch wenn es erzählerisch zwischendurch etwas holpert, die Effekte nicht mit den großen amerikanischen Produktionen mithalten können und dem Film beim großen Showdown etwas die Luft ausgeht, ist Sie nannten ihn Jeeg Robot der beste Superheldenfilm seit längerer Zeit. Gemeinsam mit Vorläufern wie Defendor (2009), Super (2010) und Chronicle (2012) zeigt er, wie man mit kleinem Geldbeutel, aber großen Einfällen das Subgenre gleichermaßen dekonstruieren wie voranbringen kann.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/sie-nannten-ihn-jeeg-robot