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Couch-Perle: Süßer Rausch

Ein Beitrag von Joachim Kurz

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Filmstill zu Süßer Rausch (TV, 2022)
Süßer Rausch (2022) von Susanne Derflinger

Eine Familiensaga im Gewand eines TV-Dramas — und das noch beim eher weniger innovationsfreudigen ZDF (gelegentliche Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel). Echt jetzt? Zugegeben: Die unfassbar schönen Bilder und Locations irgendwo in Veneto (allein die Brücke, auf der es mehrfach zu einem Showdown kommt), das ganze Setting einer erfolgreichen Schnapsbrennerdynastie; die verzwickt-verzwackten Familienverhältnisse, bei denen zwischen plötzlichem Ableben des Patriarchen, Erbstreitigkeiten, Intrigen, Trunk- und Drogensucht sowie Krebserkrankung quasi alles an menschlichem Elend (zumindest jenem der Reichen und Schönen) vorkommt — das ist schon alles sehr opulent und von einer Üppigkeit, die man so kaum mehr gewohnt ist. Und aus dem zumindest deutschsprachigen Kino schon gar nicht.

Zum 60. Geburtstag von Karl Preus (Sven-Eric Bechtolf), eines erfolgreichen Herstellers von Edelbränden, sind sie alle erschienen: die drei Frauen in seinem Leben, seine Zwillingsschwester Jukia (Leslie Malton) ebenso wie seine erste Ehefrau Constanze (Suzanne von Borsody) und seine aktuelle Gattin Ricarda (Desirée Nosbusch) sowie die gesamte Verwandtschaft, die Freunde und Geschäftspartner*innen. Es ist, wie es sich gebührt für einen Hersteller erstklassiger Alkoholika, ein rauschendes Fest, doch am nächsten Morgen ist Karl tot, und die zerstrittene, zersplitterte Familie, wie Karl die Seinen am Vortag in einer Rede noch bezeichnete, gibt sich alle Mühe, dieser Titulierung gerecht zu werden. Als dann noch Karls heimliche Ex-Geliebte Dorothea (Susanne Wüst) nebst unehelichem Anhang auftaucht, brechen nicht nur Erbschaftsstreitigkeiten aus, sondern es wird vielmehr alles auf den Tisch gepackt, was an Verwerfungen und dunklen Geheimnissen bislang verschwiegen wurde.

Obgleich man vieles von dem, was hier als TV-Festmahl aufgetischt wird, zu kennen glaubt, gelingt es der Regisseurin Sabine Derflinger (Alice Schwarzer), ihrem Drehbuchautoren Sathyan Ramesh und einem rundum großartigen Cast, Facetten und Pointen aus dem verschachtelten Plot herauszukitzeln, die immer wieder erstaunen und auch dank der exzellenten Dialoge großes Vergnügen bereiten.

 

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Süßer Rausch erinnert an große Serienerfolge wie Das Erbe der Guldenburgs oder auch ein wenig an Altes Geld, ist aber insgesamt viel weniger zynisch und den durch die Bank zumindest ambivalenten Figuren gegenüber viel zugeneigter, als dies etwa bei David Schalko der Fall ist. Eine ausführliche Besprechung dazu gibt es bei tittelbach.tv — doch vielleicht sollte man gar nicht noch mehr wissen, bevor man für drei Stunden in diese Welt des schönen Seins und der dahinter schlummernden Abgründe eintaucht.

Das zweiteilige Drama befindet sich in der Mediathek des ZDF und ist genau das Richtige für ein verregnetes oder trübseliges Wochenende. Und derer bahnen sich ja gerade einige an. 

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