zurück zur Übersicht
Specials

Nachflimmern: E.T. - Der Außerirdische

Ein Beitrag von Christian Neffe

Nach fast 25 Jahren war es Zeit, dass sich unser Autor Christian Neffe einem Kindheitsalbtraum stellt und sich nochmal an eine Sichtung von Steven Spielbergs zweitbekanntestem Horrorfilm wagt.

Meinungen
Still aus "E.T. - Der Außerirdische"
Still aus "E.T. - Der Außerirdische"

Jede Woche erscheinen auf den bekannten Streaming-Plattformen Unmengen von Filmen. Wir können uns vor Geschichten, Filmen und Serien, ja vor Bildern gar nicht mehr retten. Doch wenngleich es so scheint, als wäre alles nur einen Klick entfernt, gibt es am Rande dieser Masse immer noch Filme, die kurz vor dem Vergessen steh… Moment, was?

Ich muss diesem für unsere Reihe „Nachflimmern“ obligatorischen Einstieg gleich mal einen Riegel vorschieben. Denn wo es hier üblicherweise um die weniger bekannten, aber umso heller schimmernden Perlen geht, kann davon im Zusammenhang mit E.T. — Der Außerirdische natürlich nicht mal ansatzweise die Rede sein. Millionenerfolg, vier Oscars, Kultklassiker-Status. Und dennoch soll es hier um eine ganz persönliche Neubegegnung mit Steven Spielbergs zweitbekanntestem Horrorfilm nach Der weiße Hai gehen.

Halt, stopp — Horrorfilm? Jap, denn das war E.T. für mich in meiner Kindheit, in der ich ihn vielleicht zwei-, dreimal und danach nie wieder gesehen habe, und anschließend auch lange, lange Jahre, in denen ich mich wie ein Außenseiter fühlte. Denn während der Rest der Welt verzaubert war vom Außerirdischen, war das titelgebende Alien für mich stets eine der gruseligsten Kreaturen, die mir je auf der Leinwand (beziehungsweise auf VHS) begegnet ist.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

 

Inzwischen weiß ich: Ich bin mit diesem Gefühl doch nicht allein; es gibt noch andere, die so empfinden. (Hände hoch in den Kommentaren!) Doch bin ich mittlerweile eben auch 25 Jahre älter, und deshalb war es an der Zeit, mich endlich meinen Dämonen (respektive meinem Dämon) zu stellen. Also: Beruhigungstee gekocht und Stream an! Und zwei Stunden später kann ich frohen Herzens verkünden: Ich bin therapiert. Nun ja, zumindest teilweise.

Nennt mich oberflächlich!

Denn nach wie vor finde ich die Figur E.T. – man verzeihe mir die drastische Wortwahl – scheiße gruselig. Ja, sicher, genau das mag Spielbergs Intention sein: seinem Publikum (nicht nur dem jüngeren Anteil, auch dem älteren) ein, sagen wir mal, nicht besonders hübsch anzusehendes Wesen zu präsentieren und uns genau wie die drei Geschwister, die im Mittelpunkt der Erzählung stehen über das Äußerliche hinweg und in den zutiefst empathischen Kern dieser Kreatur blicken zu lassen, die Wunden heilen und Blumen entwelken kann. Wahre Schönheit, Güte und Größe sind innere, keine äußeren Werte. Tolle, wertvolle Botschaft, keine Frage.

Damit das klappt, muss es natürlich einen gewissen Kontrast zwischen Äußerem und Innerem geben, und gemessen an den Standards gutes für SciFi-Horrordesign liefert E.T. voll ab: Diese glibschig-braune, faltige Haut, die knubbeligen Grabbelfinger, E.T.s Röcheln und Stöhnen, das ihn klingen lässt wie einen Mitt-50er, der erst eine Stange Zigaretten geraucht hat, anschließend einen Halbmarathon gelaufen ist und direkt danach noch eine Stange geraucht hat (die roten, nicht die blauen). Und der Höhepunkt dessen, wenn E.T. bleich und kurz vor dem Herzstillstand im Badezimmer liegt, die Hand nach oben reckt und „Mamaaaa“ krächzt. David Cronenberg, anyone? Das Äußerliche erzielt bei also den gewünschten Effekten.

Allerdings derart, dass der Folgeeffekte dann nicht mehr zündet. Da hilft auch all die Drollig- und Tollpatschigkeit nur wenig, die der Regisseur dem Außerirdischen verpasst, wenn er ihn in Frauenkleider steckt oder angetrunken durch das Haus watscheln lässt: Ich komme einfach nicht – nennt mich ruhig oberflächlich – über meine ästhetische Abscheu für E.T. hinweg, kann mich vom Horroresken seines Aussehens lösen. Die sonst so erfolgreichen Versuche des großen Gefühlsmanipulateurs Spielberg (was durchaus als Kompliment zu verstehen ist) fruchten zumindest im Hinblick auf das Alien bei mir nicht.

Gott sei Dank isser weg

Alles andere hingegen: schon. Allein diese ersten fünf Minuten im Wald, die ganz ohne Worte so viel erzählen (und den Film direkt als Horrorfilm framen – wusste ich’s doch!) sind großes Kino. Der Soundtrack von John Williams, der damals noch (bestens heraushörbar) in seiner Star-Wars-Hochphase steckte, natürlich auch. Oder die ebenso authentische wie dramabeladene Familiensituation von Elliot, die den Film zu einer großen Erzählung über Verlust, Trauer und Verarbeitung selbiger macht. Alles ganz toll, alles ganz Spielberg im besten Sinne.

Meine Katharsis kommt aber erst am Ende. Nicht das große Gefühlschaos, sondern die schlichte Tatsache, dass E.T. endlich nach Hause fliegt. Gott sei Dank isser weg, denke ich mir. Und mit ihm auch mein (über die Jahre freilich etwas hochgeschaukeltes) psychische Last. Diese Wiederbegegnung war wichtig und richtig, um meine über so lange Zeit so diffusen Ängste hinsichtlich des Aliens (be)greifen und über sie hinwegkommen zu können.

Und vielleicht – aber nur vielleicht! – war’s auch nicht unsere letzte Begegnung.

Meinungen