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Specials

Im Fokus: Edgar Wright

Ein Beitrag von Christian Neffe

Mit „Last Night in Soho“ legt Edgar Wright einen radikalen Genre-Wechsel hin: weg von der Action-Komödie, hin zum Mystery-Horror-Thriller. Eigentlich aber nur eine konsequente Weiterentwicklung, denn das Spiel mit Genres ist das Steckenpferd des Briten, wie ein Blick auf seine bisherigen Filme in unserer Reihe „Im Fokus“ zeigt.

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Scott Pilgrim / Hot Fuzz / Baby Driver
Scott Pilgrim / Hot Fuzz / Baby Driver

Von wegen die Briten können nur trockenen Humor: Edgar Wright zeigt seit den 90ern, dass es auch anders gehen kann. Ganz anders: Mit wahnsinniger Energie, einem auf Hochtempo-Montagen basierenden visuellen Humor, einem feinen Gespür für gute, nicht überspielte Songs und extremen, aber doch greifbaren Charakteren zieht er seitdem eine Schneise durchs Genre-Kino.

(c) Eva Rinaldi from Sydney Australia, CC BY-SA 2.0

Geboren im englischen Poole im Jahre 1974 drehte Wright bereits Ende der 80er erste Kurzfilme mit seiner Super-8-Kamera, bevor er am „Bournemouth and Poole College of Art and Design“ audiovisuelles Design studierte. Er schloss die Ausbildung ab und kam 1995 bereits mit seinem ersten Langspielfilm A Fistful of Fingers um die Ecke. In den darauffolgenden fünf Jahren widmete er sich vor allem dem Fernsehen, inszenierte unter anderem 14 Episoden der Serie Spaced. Nach 2000 folgte schließlich die Rückkehr zum Film und parallel zum Dreh mehrere Musikvideos, etwa für The Bluetones und Charlotte Hatherley.

Das hohe Tempo und die prägnante Visualität, die solche Musikclips in der Regel anschlagen, finden sich auch in Wirghts Filmen wieder, die anfangs vor allem als Parodien angelegt waren. In den vergangenen Jahren jedoch griff der Regisseur zunehmend originäre Stoffe auf — hat sich sein Faible fürs Genre allerdings erhalten.

 

Dead Right (1993)

Gerade mal 19 Jahre war Wright alt, als er seinen ersten Film inszenierte — einen 40-Minüter, der exakt so aussieht, wie man sich ein Hobbyfilmprojekt Anfang der 90er-Jahre vorstellt. Die Dirty Harry-Persiflage Dead Right, bei der vor allem Wrights Freunde vor der Kamera agierten, legte allerdings schon damals die späteren Qualitäten des Regisseurs offen: ein Gefühl für das Spiel mit Genre-Konventionen und -Klischees sowie ein Händchen für visuelle Comedy und Meta-Humor. So wird das Versteck des Mörders, der hier gesucht wird, etwa dadurch entdeckt, dass die Antiheldenfigur das Skript des Films liest; sein Partner stirbt in der Mitte des Films, weil das Drehbuch solcher Geschichten das nun mal vorgibt; der Regisseur wird erschossen; und gen Ende entspinnt sich ein ulkig-blutiges Gemetzel. Auch heute noch durchaus anschaubar, sehr unterhaltsam und nicht nur dann empfehlenswert, wenn man Wrights Filmografie in Gänze erleben will.

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A Fistful of Fingers (1995)

Und die nächste Genre-Persiflage, dem Look und Produktionswert nach zu urteilen ebenfalls ein Hobbyprojekt. Der Western A Fistful of Fingers dreht sich um einen Kopfgeldjäger auf der Suche nach dem großen Geld — klassische Ausgangslage also, die Wright mit größter Freude in eine Parodie ummünzt, die in ihrer Albernheit durchaus an Monty Python erinnert. Und das nicht nur, weil der Held hier auf einem Steckenpferd unterwegs ist, sondern auch weil das Ende in einen bizarren Meta-TV-Show-Moment kippt und schon davor ganz viel Slapstick und Wortwitz an der Tagesordnung steht.

Das ist mal brillant (Stichwort: „None/Nun shall pass“), mal etwas zu viel respektive zu albern. Unangenehm stößt außerdem das Red-Facing auf, das hier betrieben wird. Zumindest kann man das als Jugendsünde einordnen, dann taugt A Fistful of Fingers noch immer als mittelgroßer Spaß.

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Shaun of the Dead (2004)

Zombie-Parodien gibt es so einige, doch kaum eine geht ihre Thematik so frisch, verspielt und doch ernst an wie Shaun of the Dead. Die Geburtsstunde des Traumdous Simon Pegg + Nick Frost beginnt, wie jeder Zombie-Film beginnen muss: mit einem erschreckenden, aber nicht ganz unerwartetem Erwachen inmitten einer Zombie-Apokalypse. Im Mittelpunkt stehen zwei beste Kumpels, deren Freundschaft durchaus brüchig ist, denn der eine liegt dem anderen auf der Tasche und auf dem Gemüt, interessiert sich lediglich für Musik, das Bier in seine Lieblingskneipe und kommt nicht von seiner Ex-Freundin los. Alles Dinge, die er auf seinem Survival-Trip durch die Untotenhorden nicht zurücklassen muss, sondern die essenziell für sein Überleben sind.

Wright gabelt typische Zombie-Klischees auf, die zur Entstehungszeit von Shaun of the Dead noch nicht bereits etliche Male durch den Kakao gezogen worden waren. Etwa dass niemand in Zombie-Filmen die Untoten auch als solche bezeichnet. Oder dass man sich doch einfach unter ihnen tarnen kann, wenn man sich nur wie sie verhält. Das war seinerzeit bereits ein riesiger Spaß — und ist es auch heute noch.

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Hot Fuzz (2007)

Teil zwei der sogenannten Cornetto- oder auch Blood&Icecream-Trilogie kommt erneut mit Simon Pegg und Nick Frost daher, die Charaktere sind diesmal allerdings getauscht: Während Pegg einen stahlharten, unnachgiebigen und etwas zu sehr auf die Regeln bedachten Cop verkörpert, der wegen seiner zu hohen Erfolgsquote in ein ländlichen Kaff versetzt wird, spielt Frost einen dort ansässigen Polizisten, dessen Vorstellungen von der Verbrechensbekämpfung vor allem aus Action-Filmen stammen und der dezent überenthusiastisch agiert. Zumal es vor Ort nur Geschwindigkeitskontrollen durchzuführen und Schwäne einzufangen gilt. Wäre da nicht die plötzliche Mordserie, deren Todesfälle von den Dorfvorstehern aber allesamt zu Unfällen erklärt werden…

Was als Hommage an und Persiflage auf zunächst Cop-Movies und im zweiten Drittel auf Kriminalfilme à la Edgar Wallace beginnt, entwickelt sich im letzten Drittel zu einem waschechten Action-Spektakel, bei dem das halbe Dorf in Schutt und Asche gelegt wird. Hinzu kommt ein Potpourri an skurril-schrulligen Figuren, die mit einem tollen Cast glänzen können. Mit dabei sind etwa Olivia Colman, Bill Nighy und Martin Freeman, die sich hier mal richtig austoben können.

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Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt (2010)

Bei einem visuell derart talentierten Regisseur — was läge da näher, als eine Comic-Verfilmung? Tatsächlich wird Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt, in dem ein Nerd und Musikliebhaber gegen die sieben Ex-Freunde seiner antreten muss, gelegentlich noch als die beste Filmadaption eines Bilderbuches bezeichnet. Zumindest was die Optik mit ihren knallig-bunten Farben, Schriftzug-Einblendungen und Übergängen anbetrifft. Inhaltlich ist Scott Pilgrim hingegen Geschmackssache, etwas zu energetisch und zu kindisch, albern und/oder absurd.

Dennoch ein wichtiger Film für Wright, stellte der doch sein Debüt auf internationalem Produktionsparkett dar: Wo er zuvor nur in Großbritannien drehte, wurde Scott Pilgrim auch in den USA, in Japan und in Kanada produziert. Und ebnete den Weg für größere Budgets.

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The World’s End (2013)

Auf den Abschluss der Cornetto-Trilogie mussten Wright-/Pegg-/Frost-Fans lange warten — und das Ergebnis sorgte für durchaus gespaltene Gemüter. Denn The World’s End überrascht in der Mitte mit einem Twist, den man zuvor einfach nicht kommen sehen konnte. Was als Sauftour einer Handvoll ehemaliger Klassenkameraden beginnt, mündet im schieren Wahnsinn. Das kann man entweder brillant oder völlig hanebüchen finden. Unzweifelhaft ist jedoch, wie sehr einem dieser Film den Genuss von Hopfensaft schmackhaft macht.

The World’s End markierte nichtsdestotrotz einen weiteren Schritt in der kreativen Entwicklung von Wright: weg von Zitate-geschwängerten Persiflagen/Hommagen, hin zu Geschichten, die zwar immer noch spielerisch mit Gerne-Konventionen hantieren, aber sich nicht einzig darauf fokussieren, sondern eigenständiger, individueller daherkommen.

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Baby Driver (2017)

Edgar Wrights bester Film? Vermutlich — je nachdem, wen man fragt. Fest steht jedoch: Baby Driver ist Wrights formal spektakulärster Streifen, was an der Umsetzung der Action-Sequenzen liegt, die hier dem Sound und Text der Songs untergeordnet sind. Tempo, Schnitt und Bewegungen sind exakt auf Takt und Melodien abgestimmt, die Verfolgungsjagden geradezu Ballett-artig geraten. Da verkommt die Handlung um einen Fluchtwagenfahrer, der aus der kriminellen Welt aussteigen will, fast schon zum Beiwerk.

Wright spielt hier jedenfalls seine größte Stärke aus: die Visualität in Verbindung mit der akustischen Ebene und sein Gefühl für mitreißende Montagen. Diesmal jedoch weniger auf Gags und stattdessen auf Action gemünzt. Ohne Klischees (auch überkommene wie die Damsel in Distress) kommt er dabei nicht aus, doch angesichts des energiegeladenen Ritts, den er hier inszeniert hat, lässt sich das verschmerzen.

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The Sparks Brothers (2021)

Doku kann er auch: Noch vor Last Night in Soho veröffentlichte Wright 2021 den Film The Sparks Brothers, in dem er die 25 Alben umfassende Karriere des oft vergessenen, aber doch so bedeutsamen Musikduos zusammenrafft. Ein Film, dem man seinen Aufwand anmerkt, aber auch die Fülle seines Inhaltes. Denn Wright scheint wirklich keine Anekdote und kein Album auslassen zu wollen, weshalb sich dieser Film auf 140 Minuten ausdehnt — und er hat ebenso damit zu kämpfen, dass man dem Regisseur sein Fan-Dasein deutlich anmerkt. Doch so ist das eben bei diesem Briten: Die Leidenschaft spürt man einfach aus jedem Projekt heraus.

Aktuell noch nicht fürs Heimkino verfügbar.

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