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Kolumnen

Empathie Overload

Ein Beitrag von Beatrice Behn

Wer Filme schaut, versetzt sich auch in die Hauptfiguren. Man fiebert mit, man hat Empathie und manchmal geht die mit mir durch. Besonders, wenn die ProtagonistInnen sich in einer eigenartigen Lage befinden, die in mir eine morbide Faszination des Grauens hervorruft, welche dann in theoretische Gedankenspiralen und in Experimente im Namen der Kunst ausufern.

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Meine Kunstlehrerin hat immer gesagt: „Man kann gar nicht zu viel Fantasie haben“. Doch, kann man. Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe meine beiden Beine in ein Strumpfhosenbein meiner grünen DDR-Strumpfhose verstaut und bin so in die Badewanne gegangen, um zu sehen, wie „Arielle, die Meerjungfrau“ sich so fühlen muss.

Okay, zugegeben, da war ich 10 Jahre alt. Inzwischen sind meine Versuchsreihen zurückgegangen (nach einer schlimmen Verstopfung, weil ich in einem Buch las, wie dort ein Junge versehentlich 60 Eier aß, wollte ich auch mal sehen, wie viele ich heruntergewürgt bekomme. Mein Rekord endete bei 11 Eiern; erst war ich enttäuscht, dann war mir schlecht, dann ging tagelang untenrum gar nichts mehr). Gott sei Dank (?) lebe ich meinen Drang zur ultimativen Einverleibung der Protagonistenwelt jetzt (meist) nur im Kopf aus. Das hätte bei so spannenden Filmen wie The Human Centipede sonst böse enden können.

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(Trailer zu The Human Centipede)

 

Aber trotzdem, noch heute frage ich mich: käme ich in die Bredouille, einmal mit dem Mund an den Arsch eines anderen Menschen genäht zu werden, welche Position wäre wohl die brauchbarste. Nach langer Überlegung habe ich mich entschieden, dass es wohl am günstigsten wäre, den Tausendfüßleranfang zu machen. Dann hat man wenigstens kein verschandeltes Gesicht und keinen Hintern am Kopf und na ja, die Nahrungszufuhr wäre auch viel besser geregelt. Allerdings muss man dann immer das Kommando geben (technisch gesehen ist man ja der/die Einzige, der/die noch sprechen kann) und man muss die anderen hinter sich herziehen. Und die würden einen hassen, weil man privilegierter ist als sie und man würde aus der — wenn auch kurzweiligen — Tausendfüßler-Sozialstruktur ausgestoßen. Und das hatte ich in der Schule schon, das war Scheiße.

Schlimmer noch hat mich Cronenbergs Die Brut erwischt. Die Vorstellung, durch den Berliner Prenzlauer Berg (Brutstätte zukünftiger egoistisch-neurotischer Hipsterkinder und — Gott bewahre — unserer PflegerInnen im Alter) zu laufen mit ein, zwei Hautsäcken am Bauch, in denen parthonogenetische Kindermutationen heranwachsen wie Erbsen in einer Schote. Ich fürchte, da wird man dann eher nicht zum Schwangerschaftsyoga mit anschließendem koffeinfreien Soja-Latte-Macchiato eingeladen.

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(Trailer zu Die Brut)

 

Wie würde ich im Dschungel Südostasiens überleben (gar nicht) und würde ich mich wie Rambo selbst nähen (nein, denn ich hatte im Kurs „Nadel- und Fadenarbeit“ eine 5)? Würde ich wie Julia Roberts in Pretty Woman meinen Freier so toll finden, dass ich Kosmetikerin werde oder würde ich ihm in die Eier hauen, ihn ausrauben, seinen Lotus Esprit verhökern und mir auf Jamaica ein paar Joints auf seine Kosten gönnen? Fragen über Fragen, die gerade auch die Frage beantworten, wieso ich eigentlich nie Zeit habe. Da gibt es so viel zu klären! Aber wenigstens ein Film lässt mich mit so was in Ruhe: Planet der Affen. Das ist die Eins-zu-Eins-Umsetzung von Familienfeiern bei meiner Tante Elke. Die Frage, wie das wohl so wäre, kann als beantwortet abgehakt werden.

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