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Burghart Klaußner: Leise Töne, klare Kante

Ein Beitrag von Markus Fielder

Er ist keiner von den schrillen Vertretern seiner Zunft, nimmt sich eher zurück als zu übertreiben und überzeugt mit leiseren Tönen. Gerade das macht die Magie des Burghart Klaußner aus. Zum Start seines neuen Films „Die Unschärferelation der Liebe“ wirft die Redaktion einen Blick auf das Schaffen des Ausnahme-Schauspielers.

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Unschärferelation der Liebe
Die Unschärferelation der Liebe

Der Mauerbau 1961 war schuld daran, dass Klaußners Familie Ost-Berlin verlassen und nach München ziehen musste. Eine lebensverändernde Entscheidung, getrieben durch die Politik – ein Umstand, den der damals 12-jährige Burghart vielleicht noch nicht vollends verstand, der ihn aber seitdem mit Sicherheit begleitet. Und möglicherweise seine Sinne für jene Rollen schärfte, in denen er sich direkt oder indirekt mit den Auswirkungen politischer Macht beschäftigte.

Seine Karriere begann Klaußner allerdings nicht beim Film, sondern am Theater. Ab 1969 lernte er seine Kunst an der Max-Reinhard-Schule in Berlin, schon ein Jahr später gehörte er zum Ensemble der Schaubühne am Halleschen Ufer. Danach wechselte Klaußner an die renommiertesten Häuser des Landes, ob das Hamburger Schauspielhaus oder das Schillertheater in Berlin. Erst vergleichsweise spät wagte Klaußner den Sprung vor die Kamera und wurde 1985 durch den Mehrteiler Das Rätsel der Sandbank auch einem größeren TV-Publikum bekannt.

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Im Kino landete er erstmals 2003 einen Hit – ausgerechnet mit der Ost-West Dramödie Goodbye Lenin, der das Ende eben jenes Staates zum Thema hatte, der Klaußner einst zwang, Berlin zu verlassen. Als Vater des Protagonisten Alexander, gespielt von Daniel Brühl, überzeugte Klaußner als scheinbar an seinen Kindern nicht interessierter Vater, der in den Westen geflohen war und seine Familie hinter sich gelassen hatte. Mit Brühl arbeitet Klaußner bereits ein Jahr später erneut in Die fetten Jahre sind vorbei.

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Tod und Teufel

2006 dreht Klaußner den nächsten wichtigen Film – Requiem von Hans-Christian Schmid. Die Geschichte um den Tod einer angeblich vom Teufel besessenen jungen Frau spielt auf wahre Ereignisse an und zeigt Klaußner als Vater der Hauptfigur, die von der jungen Sandra Hüller gespielt wurde. Klaußner kann also mit Fug und Recht von sich behaupten, am Beginn einiger großer Karrieren dabei gewesen zu sein. Und hier zeigte Klaußner auch, dass er das seltene Talent besitzt, auch unsympathische Charaktere so spielen zu können, ohne dass sie zum Klischee oder zur Karikatur verkommen. Klaußner verleiht auch diesen Charakteren eine Tiefe, die sie menschlich machen.

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Nach einer kleineren Rolle im oscarprämierten US-Film Der Vorleser nach dem Bestseller von Bernhard Schlink brillierte Klaußner schließlich als bigotter Pastor in Michael Hanekes Meisterwerk Das weiße Band. Das machte ihn endgültig zu einem der großen deutschen Schauspieler unserer Zeit. Denn auch hier gelingt es Klaußner, seine Rolle ohne schrille Auftritte oder Übertreibung so anzulegen, dass die ganze Grausamkeit der Figur völlig ohne Text zutage tritt, spürbar wirf. Obwohl es auf den ersten Blick nicht unbedingt ersichtlich ist, zeigt Klaußner hier auch sein Interesse an Politik. Hanekes Portrait über die Gesellschaft am Vorabend des Ersten Weltkriegs schaut in seinen intensivsten Momenten schon weiter in die Zukunft und entdeckt erste Spuren des braunen Gespenstes, das später für Millionen Tote verantwortlich war.

Ein Denkmal für einen Aufrechten

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2015 übernahm Klaußner eine historische Rolle und erweckte den Staatsanwalt und aufrechten Nazijäger Fritz Bauer zu neuem Leben. In dem feinen Polit-Thriller nach wahren Begebenheiten spielt Klaußner seinen vielleicht lautesten Charakter. Bauers unnachgiebiger Kampf gegen Nazis stößt nicht nur bei Kollegen mit brauner Vergangenheit auf wenig Gegenliebe, der Staatsanwalt muss sich ständig mit Intrigen gegen seine Person auseinandersetzen. Für Regisseur Lars Kraume, mit dem Klaußner noch weiter zusammenarbeiten wird, erweist sich die Besetzung als wahrer Glücksfall – Der Staat gegen Fritz Bauer räumt zahlreiche Preise ab, unter anderem die Lola in Gold als bester deutscher Film 2016. Und wieder ist Klaußner zutiefst politisch und zugleich zutiefst menschlich. In einem Interview sagt Klaußner später über Fritz Bauer, man halte es schier nicht für möglich, wie Angriff und Verteidigung in einem Körper (gemeint ist der echte Fritz Bauer) einen derart unentwirrbaren Ausdruck bilden könnten. Und dokumentiert mit diesem Satz, wie sehr er sich seinen Figuren über genaue Beobachtung und das emotionale Aufnehmen ihrer Eigenheiten nähert.

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2018 gibt Kraume seinem Star die wichtige Rolle eines DDR-Ministers in der wahren Geschichte um eine ganze Oberschul-Klasse, die in den späten 50er Jahren aus der DDR flieht, nachdem ein harmloser Streich von der bereits äußerst gereizten Staatsführung zum Politikum aufgebauscht wird. In Das schweigende Klassenzimmer zeigt Klaußner wieder sein Talent für dunkle Figuren, denen man nur ganz im Hintergrund den Kampf gegen das eigene Gewissen anmerkt. Klaußner lässt diesen Charakter durch diese Nuancen lebendig werden, ohne ihn deswegen zu entschuldigen. Aber er zeigt einen mächtigen Mann, der in dem sich verselbständigten System der Ungerechtigkeit und Unterdrückung schon längst nicht mehr die Fäden in der Hand hält, sondern ebenfalls von der Dynamik davongerissen werden könnte – und das sehr wohl weiß.

Die Wurzeln bleiben klar

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Bei aller Politik, denen Burghart Klaußner in seinem Schaffen breiten Raum gibt, so leugnet der Schauspieler doch auch nie seine Herkunft als Kind des Theaters. 2010 wirkt er in einem Film über Goethe mit, 2019 schlüpft er in die Rolle des älteren Bertolt Brecht, der nach dem Krieg in ein verändertes Deutschland zurückkehrt, das den überzeugten Sozialisten schließlich ins Grübeln bringt. Klaußner arbeitete mit Peter Zadek und mit Steven Spielberg und beweist allein dadurch seine Bandbreite als Schauspieler mehr als deutlich. Klaußner spielt in Straßenfegern wie Das Adlon oder übernahm Rollen im Tatort. Aber er ist auch in kleinen Projekten zu sehen, die ihm am Herzen liegen. Und er engagiert sich auch mit Mitte 70 noch immer deutlich gegen Rassismus und Antisemitismus, Themen, die er auch immer wieder in seinen Rollen in den Fokus rückte.

So bleibt Burghart Klaußner ein Schauspieler, der bevorzugt vor der Kamera leisere Töne anschlägt und seine Figuren fast behutsam an den Zuschauer heranführt. Er bleibt aber auch ein politischer Mensch, jemand mit klarer Kante gegen Ausgrenzung und Diskriminierung jeder Art. In seinem neuesten Film – Die Unschärferelation der Liebe – arbeitet er erneut mit Lars Kraume zusammen und verzaubert mit seiner Rolle nicht nur den kino-zeit-Kritiker. Klaußner bleibt ein Großer des deutschen Films – und das hoffentlich noch sehr lange.

 

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