Du neben mir (2017)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Verliebt und endlich frei

Mit Du neben mir liefert Stella Meghie ihren zweiten Langfilm nach der Familienkomödie Jean of the Joneses (2016); das Drehbuch des im Dramenfach versierten J. Mills Goodloe (Für immer Adaline) basiert auf dem Young-Adult-Debütroman Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt von Nicola Yoon. Die literarische Vorlage und deren Adaption lassen unweigerlich an die Arbeiten von Jojo Moyes und John Green, insbesondere an die ebenfalls verfilmten Werke Ein ganzes halbes Jahr und Das Schicksal ist ein mieser Verräter, denken – wobei sich sowohl die Stärken als auch die Schwächen dieser Geschichten in Goodloes Skript und Meghies Leinwandumsetzung finden.

Im Zentrum der Erzählung steht die gerade volljährig gewordene Maddy Whittier (Amandla Stenberg), die seit frühester Kindheit das Haus nicht mehr verlassen darf, da bei ihr ein „schwer kombinierter Immundefekt“ (SCID) diagnostiziert wurde, kurz nachdem ihr Vater und ihr Bruder bei einem Unfall starben. Ihre Mutter Pauline (Anika Noni Rose) – eine Ärztin – kümmert sich gemeinsam mit der Krankenschwester Carla (Ana de la Reguera) um sie; die beiden sind neben Carlas Teenager-Tochter Rosa (Danube R. Hermosillo) ihre einzigen sozialen Kontakte außerhalb des Internets. Maddy nimmt an einem Online-Architekturkurs teil, verfasst originelle Buchrezensionen, tauscht sich mit anderen SCID-Betroffenen via Chat aus – und träumt davon, am Strand zu sein und im Meer zu schwimmen. Als der etwa gleichaltrige Olly Bright (Nick Robinson) mit seiner Familie in die südkalifornische Nachbarschaft zieht, kommt es rasch zu interessierten Blickwechseln zwischen den Jugendlichen; bald beginnen die beiden, sich Textnachrichten zu schreiben. Maddy kann Carla dazu bringen, ein häusliches Treffen zu erlauben – doch als Pauline davon erfährt, verbietet diese den Kontakt. So fasst Maddy den Entschluss, mit Olly das Weite zu suchen – und für einen gemeinsamen Urlaub nach Hawaii zu fliegen.

Stella Meghie beweist in ihrer Bildfindung zunächst ein beachtliches audiovisuelles Können. Maddys Wohn- und Lebenssituation im suburbanen Zuhause wird präzise eingefangen; die seltene Krankheit wird in einer gelungenen Animationssequenz veranschaulicht. Auch die Imaginationen der jungen Frau – wenn sich Maddy etwa an den Strand träumt – werden treffend umgesetzt. Besonders bemerkenswert ist, dass Meghie und ihr Kameramann Igor Jadue-Lillo für die auch im Roman äußerst wichtige Chat-Kommunikation zwischen Maddy und Olly einen Weg der ansprechenden filmischen Übertragung finden: Wir sehen die beiden Chattenden im Modell eines Diners, das Maddy im Rahmen ihres Architekturkurses gebaut hat; stets werden wir aber – zum Beispiel durch Geräusche und nicht zuletzt durch die Künstlichkeit des Ortes – daran erinnert, dass es sich hierbei um Gespräche via Smartphone, nicht von Angesicht zu Angesicht handelt. Im zweiten Teil von Du neben mir geht dieser gestalterische Einfallsreichtum bedauerlicherweise mehr und mehr verloren; wenn Maddy sich mit Olly auf die Reise begibt, werden Maddys Erfahrungen (etwa zum ersten Mal in einem Auto zu fahren) allzu schnell in konventionelle, mit Pop-Songs untermalte Jung-und-endlich-frei-Momente verwandelt, wie man sie aus vielen anderen Werken kennt. Wenn Olly Maddy das Schwimmen beibringt, ähnelt die Szene einer Schlüsselpassage aus Barry Jenkins‘ Moonlight – doch auch hier schaffen es Meghie und Jadue-Lillo nicht, dieser Situation etwas Eigenes zu verleihen und Maddys Empfinden bildsprachlich zu demonstrieren. Hinzu kommt, dass der Film in der zweiten Hälfte, die einen Twist bereithält, auch dramaturgisch schwächer wird.

Die Liebesgeschichte nähert sich zuweilen den seichten Gefilden, profitiert aber – wie schon Josh Boones Das Schicksal ist ein mieser Verräter und Thea Sharrocks Ein ganzes halbes Jahr – von zwei begabten Nachwuchsstars und deren Leinwand-Chemie. Amandla Stenberg, die bereits als jüngste Teilnehmerin an den grausamen Hungerspielen im ersten Teil der Tribute-von-Panem-Reihe sowie im still-mitreißenden Coming-of-Age-Drama As You Are einen tiefen Eindruck zu hinterlassen vermochte, verkörpert ihre erste Kinohauptrolle äußerst sympathisch und einfühlsam. Die Einsamkeit und Sehnsucht sowie die Klugheit und Kreativität Maddys sind für uns als Zuschauer_innen stets spürbar. Ebenso kann Stenberg die aufkeimende Zuneigung der 18-Jährigen zum Nachbarsjungen Olly überzeugend vermitteln, ohne dabei auf die süßlich-kitschigen Darstellungsmodi von Teenager-Verliebtheit zurückgreifen zu müssen. Als love interest ist Olly fraglos etwas zu gefällig angelegt; so ist es kaum begreiflich, dass dieser freundlich-schlaue junge Mann an seiner neuen Schule ein Außenseiter sein soll, dem es nicht gelingt, Freundschaften zu schließen. Überdies wird Ollys familiärer Hintergrund mit gewalttätigem Vater und passiver Mutter leider mit ganz breitem Pinsel gezeichnet – vom innigen Verhältnis zur Schwester (gespielt von Taylor Hickson) hätte man gern deutlich mehr gesehen. Dennoch schafft es auch Nick Robinson (wie schon im Adoleszenz-Abenteuer Kings of Summer), sein Talent zu zeigen und den (fast) immer schwarz gekleideten boy next door zu einer Figur zu machen, die zur Anteilnahme einlädt. Als glaubhaftes Paar tragen Stenberg und Robinson maßgeblich dazu bei, dass Du neben mir ein einnehmendes Stück Jugendkino ist, das trotz einiger Mankos berührt.
 

Du neben mir (2017)

Mit „Du neben mir“ liefert Stella Meghie ihren zweiten Langfilm nach der Familienkomödie „Jean of the Joneses“ (2016); das Drehbuch des im Dramenfach versierten J. Mills Goodloe („Für immer Adaline“) basiert auf dem Young-Adult-Debütroman „Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt“ von Nicola Yoon.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen