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Sasha Nathwani folgt in „Last Swim“ seiner Protagonistin durch das pulsierende London, zwischen Magie und Melancholie.

Last Swim (2024)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Ein heißer Sommertag

Der Regisseur Sasha Nathwani wurde als Sohn einer iranischen Mutter und eines indischen Vaters in London geboren. Auch die junge Protagonistin seines Langfilmdebüts „Last Swim“, dessen Skript er gemeinsam mit Helen Simmons geschrieben hat, hat iranische Wurzeln und lebt in der Hauptstadt von England. Ziba (Deba Hekmat) interessiert sich für das Weltall; sie möchte Astrophysik studieren.

Das Werk beginnt mit einem Bild der Erde, vom Universum aus. Es gehe ihr um das „große Ganze“, meint Ziba. Was seien im Vergleich dazu schon die kleinen Probleme einer einzelnen Person? Rasch begreifen wir, dass diese Denkweise auch eine Strategie ist, um mit einer schweren Krankheit umzugehen. Wir sehen Ziba mit ihrer alleinerziehenden Mutter Mona (Narges Rashidi) beim Arzt. Die Blutwerte der Jugendlichen sind äußerst besorgniserregend; sie muss diverse Medikamente einnehmen. Ihre Clique, bestehend aus Tara (Lydia Fleming), Shea (Solly McLeod) und Merf (Jay Lycurgo), scheint dieser Zustand nicht bewusst zu sein. Wenn Ziba am Tag der Bekanntgabe der Ergebnisse ihrer Schulabschlussprüfungen ihren Laptop verkauft, scheinen ihre Freund:innen nicht zu merken, dass Ziba offenbar einen Schlussstrich gezogen hat.

Zusammen mit dem gleichaltrigen Sportler Malcom (Denzel Baidoo) verbringt die Gruppe einen freien Tag miteinander. Ziba hat hierfür einen genauen Plan erstellt. Die Krönung der Unternehmung soll die Beobachtung eines einmaligen Himmelsereignisses – eines Meteoritenschauers – sein. Bis dahin flanieren die Teens durch die Fußgängerzone, cruisen mit einem alten Auto, dessen Fensterscheiben nicht mehr runtergehen, durch die City, gehen im See baden, sind auf Leihrädern unterwegs, liegen im Gras, haben einen Drogentrip, essen Eis, bestellen Pizza im Park, knutschen unter Bäumen – und so weiter.

Mit seinem Kameramann Olan Collardy erfasst Nathwani die sommerliche Hitze; der Schweiß auf der Haut ist omnipräsent. Auch gelingt es dem Film, den Taumel der gemeinsamen Zeit mit Freund:innen in der Jugend energisch zu transportieren. Wenn ein Falafel-Sandwich in der Runde herumgereicht wird, wird dies in einer Kreisbewegung eingefangen. Snacken als Zeichen der Verbundenheit. Satte, intensive Farben bilden einen Kontrast zur Traurigkeit der Ausgangssituation. In Zeitlupe preschen die Figuren durch den Schulflur. Ein gewöhnlicher Tankstellen-Shop wirkt geradezu magisch in der Wahrnehmung des adoleszenten Quintetts (und damit auch für uns). Die Gesichter strahlen, der durch die Luft wirbelnde Blütenstaub hat etwas Märchenhaftes, und das Innere der U-Bahn wird zum Catwalk, auf dem die fünf jungen Leute die Stars sind. Hinzu kommt die gekonnt eingesetzte Musik.

In der Thematisierung ernster Themen – von Krankheit über Suizidgedanken bis zu gravierenden Verletzungen und Unfällen – überzeugt Last Swim indes nicht durchweg; manches mutet zu oberflächlich an. Die Dramaturgie und der Wechsel des Tonfalls sind nicht immer stimmig. Zusammengehalten wird das Ganze jedoch von einer eindrücklichen Heldin, die sogar beim morgendlichen Zähneputzen lehrreiche YouTube-Videos über astrophysikalische Phänomene schaut. Ihre leidenschaftliche Hingabe und ihr rauschhaftes Erleben eines Tages sind trotz dramaturgischer Schwächen mitreißend.

Gesehen auf der Berlinale 2024.

Last Swim (2024)

Eine ehrgeizige iranisch-britische Jugendliche begibt sich am Tag der Verkündung der A-Level-Prüfungsergebnisse mit ihren Freund*innen auf eine Reise durch London, während sie insgeheim um eine lebensverändernde Entscheidung ringt. (Quelle: Berlinale)

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