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Elena Wolffs ASCHE ist radikales und seine Künstlichkeit betonendes Independentkino. Eine kaleidoskopartige Abrechnung mit dem Patriarchat, mit sehr wenig Budget eindrucksvoll umgesetzt.

Asche (2024, II)

Eine Filmkritik von Julian Stockinger

Rache am Patriarchat

„Ich will keine Gleichberechtigung, noch nicht… Ich will Gerechtigkeit“. Was am Ende eines performanceartigen Monologs, von denen es in „Asche“ einige gibt, zu hören ist, kann auch als Leitmotiv des gesamten Films herhalten. Die zweite abendfüllende Kinoarbeit der österreichischen Künstlerin Elena Wolff ist Vieles, definitiv aber auch eine wütende Rachegeschichte am Patriarchat, oder vielmehr viele Rachegeschichten am Patriarchat. Eine kaleidoskopartige Abrechnung mit geschlechtsspezifischen Machtverhältnissen, die großen Spaß macht und den Einsatz von drastischen Bildern nicht scheut.   

Zwischenmenschliche (Liebes-)Beziehungen stehen im Zentrum des Films. Da wären unsere namenlose Protagonistin, gespielt von Wolff selbst, und ihr Boyfriend Simeon, gespielt vom tatsächlichen Partner der Regisseurin und Hauptdarstellerin, nämlich Thomas Schubert. Er, ein erfolgreicher Jungkünstler, überheblich und übergriffig in seinen kleinsten wie lautesten Handlungen. Sie, eine weniger erfolgreiche Künstlerin, die sein toxisches Verhalten erkennt, bis zu einem gewissen Grad erduldet und es im Gespräch mit anderen bagatellisiert. Simeon fordert gleich zu Beginn von ihr, zu sagen, dass sie ihm gehöre, was sie nur widerwillig tut. „Willst du mich oder willst du mich haben?“, fällt später an anderer Stelle. Ein Satz, der sich als Gretchenfrage über Konsens in der Beziehung entpuppen wird. Schubert spielt die groteske Zuspitzung der personifizierten Frauenverachtung mit ausgeprägtem Hang zum Narzissmus zum Brüllen komisch. Vielleicht wirkt das alles auch besonders belustigend, weil man den Schauspieler sonst mit ganz anderen Rollen assoziiert.

Wir lernen noch andere Personen aus der hochprivilegierten bis wohlstandsverwahrlosten Linzer Kunst-Bubble kennen. Anna zum Beispiel, die sich von ihrem Freund trennt, eines nachts über eine Männerleiche im Park stolpert und sogleich eine neue romantische Seite an sich entdeckt. Oder den in unsere Protagonistin verliebten und in Selbstmitleid badenden Außenseiter mit Stalking-Tendenzen. Jakob weiß zum Glück nichts über das Brad-Pitt-Kalenderblatt in ihrer Wohnung, denn Menschen wie Brad Pitt seien natürlich verantwortlich für seine Misere. Und dann wären da noch Elisa und Emilia, deren anfangs glücklich wirkende Beziehung zunehmend ins Schwanken gerät und in einer abstrusen Apologizing-Women-Szene gipfelt. 

Die Vergeltung am Patriarchat passiert in Asche auf unterschiedlichen Ebenen. Mal explizit, wenn Tätern die Kehle durchgeschnitten wird, mal, indem Gender-Stereotype radikal umgedreht werden und mal auf der filmischen Meta-Ebene. Jahrzehntelang wurden im Horrorkino Frauenmorde zelebriert und weibliche Leichen fetischisiert. Wolff dreht den Spieß um und liefert eine der einprägsamsten Szenen des Films, wenn sich über den sexualisierten toten Körper eines Mannes hergemacht wird. Der Bauchschnitt, der vor der Entnahme sämtlicher Innereien eine vulvaähnliche Öffnung preisgibt, betont dabei die Lächerlichkeit eines festgefahrenen binären Geschlechterverständnisses.

Gleichberechtigung ist also nicht gleich Gerechtigkeit und Asche ist sicherlich nicht versöhnlich, sondert holt zum Gegenschlag aus. Und das in Form von unberechenbarem, hochartifiziellem und ideenüberladenem Independentkino, das aber nie an der Fülle seiner Einfälle zu ersticken droht. Vielmehr lädt die Low-Budget-Groteske, die aus ihrem geringen Budget von weniger als 50.000 Euro genug herausholt, um sich den Diagonale-Preis für Bildgestaltung (für Nora Einwaller) zu sichern, zu wiederholten Sichtungen ein. Und Elena Wolff beweist nach ihrem Langfilmdebüt Para:dies einmal mehr, dass sie eine der aufregendsten jungen Stimmen des österreichischen Kinos ist. 

Gesehen auf der Diagonale 2024.

Asche (2024, II)

Elena Wolff taucht ein in die turbulente Lebenswelt der jungen aufstrebenden Linzer Kunstschickeria. Episodisch erzählt Asche von drei Liebespaaren und einem Außenseiter, von Alphamännern und Musen, von Einsamkeit und vom Drang nach Selbstverwirklichung. Dabei übt die poppige Kunstweltsatire lautstarke Kritik am Patriarchat wie auch an der Kulturszene – unerwartete Rachefeldzüge und skurrile Begegnungen inklusive. Ein schonungslos selbstironischer queer-feministischer Independentfilm aus Österreich. (Quelle: Diagonale)

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