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Zwei junge Hamburger Schauspielerinnen wagen einen mutigen Schritt: von der Großstadt in die Provinz. „Dann gehste eben nach Parchim“ begleitet die beiden zwei Jahre lang auf ihrer ungewöhnlichen Reise.

Dann gehste eben nach Parchim – Von der Leidenschaft des jungen Theaters (2024)

Eine Filmkritik von Christian Klosz

Vorwärts in die Provinz

Es ist eine bekannte Geschichte: Junge Menschen entfliehen der Enge der Provinz Richtung (Groß-)Stadt auf der Suche nach Freiheit, beruflichen Möglichkeiten, Ausbildung, Kultur, ein spätestens seit der Industrialisierung weit verbreitetes Phänomen. Der Weg in die andere Richtung ist da viel seltener und wird meist nur von Familien eingeschlagen, die ins Grüne wollen oder mehr Raum und Ruhe für sich und ihre Kinder. Anders sind da Arikia und Gesa, die aus Hamburg Richtung Parchim siedeln, eine mecklenburgische Kleinstadt mit weniger als 20.000 Einwohnern. Das Motiv: In der Stadt konnten die beiden ausgebildeten Schauspielerinnen keinen Job finden. Regisseur Dieter Schumann begleitet sie über zwei Jahre, von 2020 bis ins Frühjahr 2022, und damit auch durch die Frühphase der Corona-Pandemie, mit der Kamera. Das Ergebnis ist derzeit beim Dok.Fest München, auch online, zu sehen.

Zu Beginn von Dann gehste eben nach Parchim illustriert ein Gespräch im Zug den ungewöhnlichen Weg der beiden jungen Frauen: Sie treffen dort auf zwei circa Gleichaltrige, die soeben dabei sind, aus Parchim nach Hamburg zu ziehen — ebenso auf der Suche nach Arbeit, die sie in ihrer Heimat nicht finden konnten. Wobei anzumerken ist, dass in der Kunst- und Kulturbranche eigene Gesetze gelten. Und die mit Kreativen übersättigten Großstädte besonders harte Pflaster für jene sind, die sich beruflich künstlerisch betätigen wollen.

Arikia und Gesa heuern also beim Parchimer Theater an, das zwar baufällig und in die Jahre gekommen ist, wo aber Theater mit Liebe und Leidenschaft betrieben wird. Die beiden bekommen ein Engagement mit Fixgehalt von 2.100 € brutto — unfassbar viel Geld, wie sie erzählen, so viel, wie sie in ihrem jungen Leben noch nie gesehen haben, und das noch dazu regelmäßig. In weiteren Gesprächen erzählen sie vom Ursprung ihrer Leidenschaft Schauspiel, aber auch sehr persönliche Geschichten und vermitteln damit ein Gefühl, was es heißt, heutzutage SchauspielerIn zu sein. 

Dann gehste eben nach Parchim bietet so nicht nur Einblicke ins Provinztheater, sondern ist auch ein Porträt von Künstlerexistenzen, die ihr Drang, sich auszudrücken, auf ungewöhnliche Pfade verschlägt. Man merkt dem Dokumentarfilm seine Liebe zum Theater an, nicht umsonst gibt es ausführliche Sequenzen, in denen die Proben des anstehenden Stückes Antigone eingefangen werden. Auch der Zusammenarbeit zwischen RegisseurIn und DarstellerInnen wird genug Raum gewidmet.

Angesichts der Drehzeit (2020 bis 2022) spielt auch Corona eine sichtbare Rolle, wenngleich die Pandemie nicht im Fokus steht. Dennoch werden auch die Auswirkungen eines Lockdowns gezeigt und thematisiert, denn Proben mussten abgesagt werden, der Betrieb geschlossen. Gesa berichtet, wie sich diese Zeit auf sie ausgewirkt hat, dass sie etwa ein altes Interesse wieder aufgenommen und ein Fernstudium im Bereich Umwelttechnik begonnen habe. Während dieser Zeit steht auch eine Renovierung des alten Theaters an, über die lange verhandelt wurde und die schließlich tatsächlich stattfindet.

Dann gehste eben nach Parchim ist eine Liebeserklärung an die kleinen kreativen Orte, auch abseits der Metropolen und Zentren, die meist von überzeugten Idealisten betrieben und am Laufen gehalten werden. Der Film ist auch ein Porträt des Mikrokosmos Theater, der in Parchim bestimmt anders, vielleicht auch familiärer aussieht als in den großen, bekannten Häusern. Wie die Reise der beiden Protagonistinnen ist auch dieser Film spürbar ein Leidenschaftsprojekt, ZuschauerInnen mit kreativer Ader oder ähnlichen Berufswegen werden sich im einen oder anderen wiederfinden können. Und die Einblicke in die konkrete Arbeit am Theater „hinter den Kulissen“ ist erhellend. Angesichts des wohl in den Film geflossenen Herzbluts verzeiht man manche Längen gerne. Und freut sich am Ende mit den Protagonistinnen, dass sie die Premiere ihrer Antigone vor vollem Haus und erfolgreich auf und über die Bühne bringen konnten. 

Dann gehste eben nach Parchim – Von der Leidenschaft des jungen Theaters (2024)

Drei Schauspiel-Absolventinnen und Absolventen kommen in die mecklenburgische Provinz an das Kinder- und Jugendtheater Parchim. In Zeiten von Fridays for Future und Corona-Krise will der Intendant mit Hilfe der hoch motivierten jungen Schauspieler sein Theater erneuern, um die Jugend und den Nerv der Zeit zu treffen. (Quelle BKM via Crew United)

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