Three Thousand Years of Longing (2022)

Es war einmal...

Eine Filmkritik von Sarah Stutte

Im Laufe seiner abwechslungsreichen Karriere hat der australische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent George Miller bewiesen, dass er ein meisterhafter Geschichtenerzähler ist. Von der postapokalyptischen Action der "Mad Max"-Quadrilogie über "Die Hexen von Eastwick" bis hin zum charmanten Tierabenteuer "Ein Schweinchen namens Babe" – jeder von Millers Filmen ist ambitioniert, einzigartig und hat eine gewisse Magie an sich. 

Das gilt auch für Millers neuen Film Three Thousand Years of Longing, seinem ersten seit Mad Max: Fury Road von 2015. In dieser spirituell-mythologisch angehauchten Geschichte über das Geschichtenerzählen spielt Tilda Swinton die Narratologin Alithea Binnie. Eine Forscherin also, die nicht nur von Erzählungen fasziniert ist, sondern auch davon, wie diese entstanden sind und welchen Zauber sie erzeugen können – natürlich auf eine streng wissenschaftlich-nüchterne Art und Weise.

Zumindest betrachtet sie so die Welt, bis sie eines Besseren darüber belehrt wird, dass diese auch für sie selbst viele fantastische Momente bereit hält. Deshalb erzählt sie die von ihr gemachte Erfahrung rückblickend auch wie ein modernes Märchen. Als sie ihre Arbeit eines Tages nach Istanbul führt, findet sie in einem Geschäft eine antik aussehende Phiole – ein birnenförmiges Glasgefäß mit langem Hals, das vor allem von Alchemisten benutzt wurde.

Als sie dieses in ihr Hotelzimmer mitnimmt (in dem schon Agatha Christie "Mord im Orient-Express" schrieb) und näher untersucht, lässt sie dadurch unbewusst einen Dschinn frei (Idris Elba). In der islamischen Vorstellung ein Wesen, das aus "rauchlosem Feuer" erschaffen ist und auf das menschliche Leben einwirken kann.

Dieser Dschinn wurde jedoch durch einen Fluch an das ihn seit Jahrtausenden beherbergende Gefäß gebunden. Um sich wirklich von seinen Fesseln lösen zu können, muss er Alithea deshalb zuerst drei Wünsche erfüllen. Sie behauptet jedoch, mit ihrem Leben vollkommen zufrieden und wunschfrei glücklich allein mit ihren Geschichten zu sein – was die Dinge für den Dschinn kompliziert macht.

Der grösste Teil von Three Thousand Years of Longing – geschrieben von Miller und Augusta Gore und basierend auf einer Kurzgeschichte von A. S. Byatt – spielt sich in diesem Hotelzimmer ab. Hier offenbart der Dschinn in visuell berauschenden Rückblenden der aufmerksam zuhörenden Alithea seine tragischen Liebesgeschichten, die für ihn immer unglücklich in der Flasche endeten. Sei es durch seine Faszination für die Königin von Saba (Aamito Lagum) oder für Zefir (Burcu Gölgedar), einer Frau im 19. Jahrhundert, die sich in Sachen Genialität mit Leonardo da Vinci hätte messen können.

Darin offenbaren sich die Wunder und Weiten von Millers und Gores Vision, denn es fällt dem Publikum wie auch Alithea anfangs leicht, sich in die Wendungen der Erzählung des Dschinns zu vertiefen und dadurch die Aussenwelt zu vergessen. Sicherlich ist der Charakter der Story ein wenig repetitiv, da im Hotelzimmer stets die Folgen der letzten Reminiszenz rekapituliert werden. Trotzdem vermag die mystische Sinnsuche zu faszinieren und auch die Szenen von Swinton und Elba im Hotelzimmer bergen interessante Momente, wenn sie in Bademäntel gehüllt über Geschichten, Gefühle und alles andere reden, was ihnen gerade in den Sinn kommt.

Der Fokus auf die sich langsam entwickelnde Liebesgeschichte der beiden wirkt auf den ersten Blick vielleicht ein wenig weit hergeholt und ist auch vor kitschigen Momenten nicht gefeit. Dennoch sind die darin enthaltenen Fragen Millers nach den Untiefen der Einsamkeit und dem Streben nach Verbundenheit interessant: Wie können Geschichten uns verändern? Und inwiefern können sie uns helfen, unser Leben klar zu sehen – mit all seinen Geheimnissen? Der Film regt zudem zum Nachdenken darüber an, ob beispielsweise die Wissenschaft unsere Fantasie und die Erzählungen, mit denen wir unsere Welt einst erklärten, inzwischen überholt hat.

Three Thousand Years of Longing fühlt sich oft wie Millers persönlichste Geschichte an, weil sie zeigt, dass Miller, nachdem er mit Mad Max: Fury Road einen der brillantesten Actionfilme aller Zeiten gedreht hat, sich nun vielleicht etwas mehr auf die Stille einlässt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/three-thousand-years-of-longing-2022