What Josiah Saw (2021)

Whiskey, Staub und Trauma 

Eine Filmkritik von Sebastian Seidler

Die Graham-Geschwister kämpfen mit den Dämonen ihrer Vergangenheit. Thomas (Scott Haze) lebt mit dem grausamen Patriarchen Josiah (Robert Patrick) auf der alten Farm. Alkohol und unterwürfige Gehorsamkeit bestimmen den Alltag. Bruder Eli (Nick Stahl) wurde gerade aus dem Knast entlasten und muss die Wettschulden bei einem Kleinstadtgangster abbezahlen, während Schwester Mary (Kelli Garner) in einer Vorstadthölle gefangen, sich in einen Kinderwunsch hineinsteigert. Als eine Ölfirma die Farm kaufen möchte, findet sich die Familie nach Jahren wieder zusammen am selben Tisch, und ein lange verdrängtes Geheimnis bahnt sich gewaltvoll seinen Weg an die Oberfläche.

What Josiah Saw erzählt seine Familiengeschichte in drei Episoden, die sich dem Geheimnis auf unterschiedlichen traumatischen Fluchtlinien nähern. Jedem Graham-Kind wird ein Erzählstrang gewidmet und in jedem dieser Leben herrscht eine unaussprechliche Trostlosigkeit. Drehbuchautor Robert Alan Dilts spart nicht an drastischen Themen; Drogensucht, Kindesmissbrauch und Inzest durchziehen die Welt dieses Films. Es gibt sogar einen völlig deplatzierten Bezug auf den Holocaust, der mit Archivaufnahmen unterfüttert wird. Das hätte es nun wahrlich nicht gebraucht. Weniger plakative Verrohung und Lebensbürgen hätten dem Film besser zu Gesicht gestanden und das Geschehen subtil geerdet. 

Denn Regisseur Vincent Grashaw und seinem Kameramann Carlos Ritter gelingt eine visuell durchaus beeindruckende und vielstimmige Atmosphäre. Auf der Farm werden die Bilder von einer drückenden Hitze, dem Geruch von Whiskey und staubiger Luft dominiert. Der Strang um Eli siedelt sich irgendwo zwischen Alan Parkers Angel Heart und der ersten Staffel von True Detective an, während die Mary-Episode sich an der aufgeräumten Leere der amerikanischen Vorstadt orientiert. Jeder Figur wird durch diese jeweilige Bildsprache mit einer eigenen Aura belegt, die What Josiah Saw über den Durchschnitt eines im Grunde klassisch erzählten Southern Gothic Thrillers hebt. 

Die Erzählung wartet nämlich mit wenigen Überraschungen auf. Da ist der gottlose Patriarch, der einem religiösen Wahn verfällt. Selbstverständlich sind da geisterhafte Erscheinungen, die als Metapher für das an die Oberfläche drängende Geheimnis stehen. Etwas muss nach all den Jahren endlich ausgesprochen. Bis es dazu allerdings im vorhersehbaren Finale kommt, finden sich am Wegrand der Geschichte eine unheimliche Wahrsagerin, ein tödlicher Fluch und unzählige mysteriöse Andeutungen. Da können auch die altbekannten Plot Twists und die aus dem Hut gezauberten Ambivalenzen nicht mehr viel retten.      

Ähnliche Motive fanden sich jüngst bereits wesentlich überzeugender bei Das Geheimnis von Marrowbone. Doch hatte auch dieser Film bereits Probleme, seinen Horror auszuspielen. In dieser Hinsicht versagt auch What Josiah Saw. Denn irgendwie wollen sich die Elemente aus Familiendrama, Thriller und Horrorfilm nicht zu einer überzeugenden Einheit zusammenfügen. Das mag vor allem am harmlosen Finale liegen, bei dem das abgründige Geheimnis seiner lange aufgebauten Fallhöhe nicht wirklich gerecht wird. Da können die Streicher noch so eindringlich von der Finsternis und der Apokalypse künden: Die Story schmeckt wie ein mittelmäßig gemixter Cocktail. Okay, aber auch schnell wieder vergessen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/what-josiah-saw-2021