Weißbier im Blut (2021)

Der Krimi, der Schnaps, die Heimat in Moll

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Schon wieder ist ein Mord passiert im beschaulichen Niederbayern! Aber diesmal muss nicht wieder der geplagte Kommissar Eberhofer aus den Verfilmungen der Kriminalkomödien von Rita Falk ermitteln. Nein, beim Verzehr eines deftigen Schweinsbratens mit Knödel wird der Kriminalkommissar Kreuzeder (Sigi Zimmerschied) aus Passau gestört. Der neue Filmcharakter ist schon seit 20 Jahren bei der Mordkommission und tut sein Bestes, um die Frühpensionierung zu erzwingen. Als praktisch einziger Gast seines Stammlokals hält er dieses mit seinem Alkoholkonsum am Laufen. Abgerissener noch als weiland Inspektor Columbo pflegt er am Tatort zu erscheinen, aber sein Gehirn funktioniert und sein Herz ist erfüllt von Barmherzigkeit.

Kreuzeder hat ein Problem – mit dem Leben, dem Job, dem Elend um ihn herum. Das Bauernsterben geht weiter in Bayern, viele Höfe sind verschuldet und wenn dann ein Mann von der Sparkasse auf einem entlegenen Anwesen im Mähdrescher zu Tode kommt, liegt das Tatmotiv nahe. Das seit Jahren grassierende Genre der geschriebenen und verfilmten Heimatkrimis hat das Publikum ordentlich geschult. Eigentlich geht es ja mehr um das Lebensgefühl, die Atmosphäre, den rebellischen Bauernhumor in diesem Genre und die Morde sind ohnehin nur Vorwand, um all das aufzublättern. Das Wetter ist in diesem von Regisseur und Drehbuchautor Jörg Graser (Der Mond ist nur a nackerte Kugel) nach seinem gleichnamigen Roman inszenierten Film sehr verhangen. Eine melancholische, ja trostlose Stimmung breitet sich aus, während Kreuzeder wieder einmal zum Tatort Holznerhof am Waldrand fahren muss, an den eintönigen Feldern vorbei. Pittoresk und symbolträchtig ist dieser Schauplatz, der existenzielle Verlorenheit ausstrahlt.

Rein atmosphärisch setzt sich Grasers Film also erkennbar ab von den leichtfüßigeren Eberhofer-Krimis, die Ed Herzog zu inszenieren pflegt. Hier wird trotz humoriger Dialoge in Moll gespielt, aber hat die Geschichte damit auch schon mehr Tiefgang? Um es gleich zu sagen: nein. Die Versatzstücke des Heimatkrimigenres verstellen offenbar längst den Zugang zur Authentizität, von der diese Geschichten ja leben wollen. Ob nun Eberhofer, der im Allgäu ermittelnde Fernsehkommissar Kluftinger oder eben Kreuzeder – sie alle wirken gerne indisponiert. Das macht sich gut als komödiantische Pose, aber ins Posenhafte verdichtet werden oft auch die Beziehungen im mal heimeligen, mal konfliktträchtigen Umfeld, die deftigen, im Dialekt gesprochenen Dialoge. Im Genre geht offenbar die Angst um, dass Realitätsnähe auf Dauer nicht genug unterhält. Der von Herbert Knaup so urig gespielte Kluftinger musste in der Folge Seegrund, von einer taumelnden Kamera orchestriert, zur stilisierten, selbstironischen Figur mutieren.

Und nun soll Sigi Zimmerschied, der den Kommissar Kreuzeder übrigens schon als Hörspielfigur sprach, ebenfalls ordentlich Theater bieten. So stürmt er beispielsweise einmal wild entschlossen in die Kirche und verkündet, all das Gold hier, das gehöre doch verschenkt! Diese Karte der Überhöhung, des Überdrehten spielt der Film gerne sowohl bei der Figurenzeichnung als auch bei der Handlung aus. Wie Kreuzeder sind die meisten Personen hier Typen – und längst nicht alle wirken interessant. Zimmerschieds Charakter hat schon einige Facetten zu bieten, etwa einen Messiaskomplex. Was ist ein guter Kriminalbeamter, wenn nicht einer, der wenig tut, schon weil er die Mörder ja eh meistens für arme Säue hält? Da kann sein Vorgesetzter Becker (Johannes Herrschmann), eine unrühmlich klamaukig geratene Figur, noch so zetern. Kreuzeder weiß, dass es mit Ermittlung allein nicht getan ist, es gilt vielmehr, hier und dort und überall wo Not herrscht, die Dinge wieder zu richten. Bei Zimmerschied genügt ein mitleidiger Blick, damit man weiß, wen er verdächtigt.

Leider lässt der Film Kreuzeder allzu oft im Wirtshaus hocken. Es ist nicht gerade spannend und auch nicht so tiefgründig, was er da mit der Kellnerin Gerda (Luise Kinseher) und der Psychologin Dr. März (Brigitte Hobmeier) zu besprechen hat. Gerda wird von ihrem Chef zum Sex genötigt, sie bangt um ihren Arbeitsplatz und sucht Schutz bei Kreuzeder. Dieser tut, was er betrunken noch kann und lässt sich im Gegenzug von ihr ein wenig bemuttern. Er bringt aber auch gerne die Frau März, die ihn eigentlich therapieren soll, zum Trinken mit. Hobmeiers Charakter schwebt überdreht in eigenen Sphären. Der Grund, warum die Psychologin so gerne im Wirtshaus mit Kreuzeder abhängt, bleibt rätselhaft.

Die musikalischen Kompositionen von Stofferl Well werden in der Regel dezent eingestreut, ob nun Blasinstrumente oder eine einzelne Maultrommel ein paar Takte spielen. Es liegt nicht an der Musik, den Schauplätzen, dem Wetter und auch nicht an den Schauspieler*innen, wenn die Geschichte unterwegs zu ermüden beginnt. Der Inhalt wirkt oft sehr ausgedacht und mäandert unschlüssig zwischen den Ansprüchen herum, komödiantisch, dramatisch, tiefgründig sein zu wollen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/weissbier-im-blut-2021