Dragged Across Concrete (2018)

Und nach uns die Sintflut

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Fick sie doch alle, diese politisch korrekten Scheißer! denkt sich Brett Ridgeman (krachledern: Mel Gibson) als er und sein Partner Anthony Lurasetti (Vince Vaughn) suspendiert wird. Und das alles nur, weil ein Video aufgetaucht ist, wie sie bei der Festnahme eines Verdächtigen dem Mann fast den Kopf einschlagen. Die alte hard-boiled-detective-Nummer ist vorbei und Schuld ist nur diese verdammte Welt der social justice warrior, dieser linksgrünversifften Kackbratzen, die ein Problem mit Polizeigewalt haben.

Gleich von Anfang an macht S. Craig Zahlers neuer Film Dragged Across Concrete klar, wo er sich verortet. Es ist – wie schon seine Vorgängerwerke – ein nihilistischer, brutaler Film, dessen Welt von Männern der alten Schule, Männern mit hartgesottener Maskulinität bewohnt wird und die hier das Sagen haben. Es ist auch ein Film, dem Menschenleben – außer das besagter männliche Hauptfiguren – völlig egal ist und bei dem Frauen in zwei Kategorien fallen: Katalysator oder Fleisch. Die Katalysatoren, dass sind Ridgemans an Multipler Sklerose erkrankte Frau Melanie (Laurie Holden) und seine Tochter, die mit 15 Jahren im besten Alter ist für eine gehörige Portion Beschützerinstinkt vom Vater. Die Fleisch-Frauen sind die weiblichen Geschöpfe, die diesem Film als Futter für Sadismus und Erniedrigung dienen. In Dragged Across Concrete ist die wohl auffälligste von ihnen eine junge Mutter (Jennifer Carpenter), die erst ausführlich eingeführt wird als Frau, die Angst hat ihr Baby nach den drei Monaten Mutterschutz zu verlassen und die nur widerwillig zur Arbeit in ihrer Bank geht. Dort wird sie zwei Minuten nach Ankunft niedergemetzelt. Erst schießt man ihr einen Arm und mehrere Finger ab, dann, nachdem sie eine Babysocke in die Kamera hält und von ihrem Kind spricht, in den Kopf, der in tausend Teile zerplatzt. Danach hört man nie wieder von ihr oder ihrer Familie, sie war nur ein lustiger Ausflug, ein Warnung, was mit Familien passiert, in denen nicht der Mann der Versorger ist. 

Ridgeman ist so ein Versorger. Seit 27 Jahren nicht befördert, wie sein ehemaliger Partner Lt. Calvert (für die Nostalgischen: Don Johnson), weil er nicht politisch korrekt ist und einfach nur seinen Job macht. Dass er schon mehrfach suspendiert wurde und nun wieder, das liegt nicht an ihm, sondern an den anderen. Und diese anderen schulden ihm jetzt was, er ist ja der Versorger und deshalb holt er sich, was ihm seiner Meinung nach zusteht. Seinen Partner Anthony zieht er hier mit rein und schon bald beobachten die beiden einen Lorentz Vogelmann (Thomas Kretschmann), der einen Coup vorbereitet, bei dem es eindeutig um viel Geld geht. Was genau das ist, wissen die beiden suspendierten Cops nicht. Ein Nebenstrang erzählt von einem weiteren Mann: Henry Johns (Tory Kittles), der gerade aus dem Knast kommt und seine Mutter als drogenabhängige Prostituierte vorfindet, die den querschnittsgelähmten Bruder nicht gut betreut. Er lässt sich von Vogelmann als Fahrer anheuern, er ist ja auch ein Versorger. Und so treffen nun diese vier Männer, Vogelmann, Johns, Ridgeman und Lucasetti nach einem erfolgreichen Banküberfall brutalster Art an einem abgelegenen Ort aufeinander und die große Schießerei und Metzelei geht los. 

Mit letzterer beschäftigt sich der Film ausführlich. Unterbrochen wird sie, wie der Rest des Filmes, immer wieder von nostalgischen Dialogen der Männer über das Früher. Über das, was ihnen „zusteht“ und was sie sich jetzt in einer von ihnen empfundenen Selbstgerechtigkeit holen. Es ist die wiederkehrende Philosophie Zahlers, die ihn immer wieder umtreibt: das Sehnen nach Zeiten, in denen Männer noch ohne Probleme Männer im Sinne der Alleinherrschaft, der Brutalität sein durften. Es ist ein Sehnen nach den alten Clint-Eastwood-Figuren, den Renegades, die über dem Gesetz stehen, nein, die selber das Gesetz sind, die rassistisch sein können und es ist witzig. Die sexistisch und sadistisch sein können und es ist cool. Die dazu einen kessen Spruch auf den Lippen haben, genau wie Gibsons frühere Figur Martin Riggs aus den Lethal-Weapon-Filmen. Die Sehnsucht ist groß, so groß, dass Zahler immer wieder Filme produziert, die eben solche Figuren und Welten mit viel Spaß wiederholen und nicht nur die nostalgisch-schmerzhaften Wunden damit lecken (als weiteres Pflaster und Coolnessfaktor mit dabei: Udo Kier), sondern gleichzeitig eine Opferstilisierung anstreben. Denn diese Hartgesottenen, sie sind alle Opfer. Opfer einer Zeit, die sie nicht mehr will, ihre Methoden nicht cool findet und auch ihr Anspruchsdenken nicht mitträgt. Ein perfider Akt, der für das Zielpublikum perfekt funktionieren wird und das diesen Film ebenso, wie die letzten Zwei - Bone Tomahawk und Brawl In Cell Block 99 - genau wegen der Melange aus Wiederaufleben lassen und Opfertum lieben und feiern wird. 

Und so ist auch klar, wer am Ende noch steht und wer nicht. Die einen werden die Märtyrer sein, die anderen rekurrieren auf eine abgewandelte, neue Art des hartgesottenen Typen, der das Kino in der jetzigen Zeit durchschreitet und den Kern der Alten in sich trägt. 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/dragged-across-concrete-2018