Bone Tomahawk (2015)

Ins Verderben

Noch bevor Kurt Russell hierzulande in Quentin Tarantinos neuestem Regiestreich The Hateful Eight mit beachtlichem Schnauzbart über die Leinwand stapft, ist der Hollywood-Recke, optisch ähnlich aufgemacht, in einem anderen Western-Streifen zu sehen. Bone Tomahawk hat es, abgesehen von der Vorführung bei den Fantasy Filmfest White Nights, jedoch nur auf den hiesigen Heimkinomarkt geschafft, was einerseits verwundert, da die US-Kritiken positiv ausfielen und der Film mit bekannten Namen aufwarten kann. Andererseits ist das Regiedebüt von S. Craig Zahler eine eher ungewöhnliche Genre-Kreuzung, die der deutsche Verleih in den Lichtspielhäusern wohl nur schwer hätte platzieren können. Was als bedächtig erzählter, stellenweise ironisch gefärbter Ritt durch die Wildnis beginnt, mutiert gegen Ende zu einem archaischen Überlebenskampf samt drastischen Gewalteruptionen im Splatter-Stil.

Das texanisch-mexikanische Grenzgebiet im 19. Jahrhundert: Nach einem Überfall stolpern die Straßenräuber Buddy (Sid Haig) und Purvis (David Arquette) über eine mysteriöse Begräbnisstätte. Während Buddy umgehend getötet wird, kann sich sein Begleiter in das Westernstädtchen Bright Hope flüchten, wo ihn der aufrechte Sheriff Hunt (Kurt Russell) festnehmen lässt. Als kurz darauf Samantha (Lili Simmons), Deputy Nick (Evan Jonigkeit) und der Gefangene verschwinden, drängt sich der Verdacht auf, dass sie von kannibalischen Höhlenbewohnern, den sogenannten Troglodyten, entführt worden sind. Um die Verschleppten zu retten, brechen Sheriff Hunt, sein Mitarbeiter Chicory (Richard Jenkins), Samanthas Ehemann Arthur (Patrick Wilson), der einen Beinbruch auskuriert, und der herablassende Brooder (Matthew Fox) gemeinsam auf – ohne zu ahnen, dass ihre Reise einem Himmelfahrtskommando gleichkommt.

Die Entführung weißer Siedler gehört zu den Standardsituationen des amerikanischen Westernkinos. Dennoch orientiert sich Regiedebütant Zahler deutlicher an den häufig garstigeren italienischen Genreausprägungen, die mit Sergio Leones Für eine Handvoll Dollar Mitte der 1960er Jahre einen beachtlichen Siegeszug antreten konnten. Die Farben in Bone Tomahawk sind ausgeblichen. Die Landschaft ist kärglich-staubig. Und ein rauer Umgangston gang und gäbe. Eine Anspielung auf den Italowestern findet sich gleich zu Beginn. Noch bevor das erste Bild zu sehen ist, dringt von der Tonspur das Summen einer Fliege, was Genrekenner an die berühmte Eröffnungspassage aus Leones Spiel mir das Lied vom Tod erinnern dürfte. Gewalt ist in Zahlers Kosmos von Anfang an präsent, wobei sich die späteren Exzesse sicher nicht erahnen lassen. Ein Ureinwohner warnt zwar vor dem barbarischen Vorgehen der Troglodyten. Dass die Bright-Hope-Eskorte irgendwann in tiefste Horrorgefilde vordringt, muss trotzdem überraschen.

Bis es so weit ist, treibt der Film ein munteres Spiel mit Genre-Konventionen und beleuchtet an manchen Stellen das Zusammentreffen der Kulturen. Auch wenn Samantha als Frau eine klassische Opferrolle einnimmt, unterscheidet sie sich von vielen weiblichen Westernfiguren, da sie weder Hure noch passive Ehefrau ist. Stattdessen greift sie als medizinische Fachkraft den Männern entscheidend unter die Arme, muss für den Einsatz dann jedoch mit ihrer Entführung bezahlen. Wie ein Kommentar auf die Landnahme und die Missachtung indianischer Rechte erscheint die Szene, in der Buddy und Purvis in den ersten Minuten die heilige Stätte der Troglodyten entweihen. Absurd und entlarvend ist dieser Moment vor allem deshalb, weil hier ausgerechnet die beiden abgebrannten Banditen etwas von zivilisatorischen Werten schwafeln.

Überhaupt arbeitet sich Bone Tomahawk ganz bewusst an den rassistischen Mustern ab, die fester Bestandteil des Genre-Kanons sind. Als Verkörperung billiger Ressentiments fungiert der schmierige Brooder, der, ohne mit der Wimper zu zucken, zwei wehrlose Mexikaner erschießt, da er sie für Diebe hält. Diskussionswürdig ist in jedem Fall die Zeichnung der kannibalischen Höhlenbewohner, die das unheimliche Andere repräsentieren und bestens in das altbekannte Schema der grausamen Wilden passen. Obwohl an einem Punkt betont wird, dass man sie nicht mit echten Ureinwohnern verwechseln darf, und ihre Darstellung beinahe ins Fantastische reicht, reproduziert Zahler hier Klischeevorstellungen, die auch in weniger reflektierten Filmen zu finden sind.

Eigentlich muss man den Regisseur und Drehbuchautor dafür loben, dass er sich einer allzu hektischen Erzählweise verschließt. Mitunter gerät die Reise durch die öde Wüstenlandschaft aber etwas schleppend. Spannungsarme Scharmützel brechen wiederholt hervor. Und nicht selten verlieren sich die geschwätzigen Dialoge in kleinen Belanglosigkeiten. Erfreulicherweise kann Zahler die aufkeimende Langeweile mancherorts mit amüsanten Auflockerungen durchbrechen. In den Vordergrund spielt sich dabei vor allem Richard Jenkins, der die rechte Hand des Sheriffs auf genial-kauzige Weise verkörpert. Einen krassen Bruch erfährt das behäbig dahinfließende Geschehen mit der Ankunft im Territorium der Troglodyten. Von diesem Zeitpunkt an entfesselt Bone Tomahawk eine Gewaltspirale, die selbst hartgesottene Horrorfreunde kalt erwischen dürfte. Spätestens hier weichen die üblichen Western-Standards einem brutalen Nihilismus. Und vor den Augen des Zuschauers tut sich ein gruseliges Höllenszenario auf.
 

Bone Tomahawk (2015)

Cowboy und Indianer — diese Kombination kennt man aus unzähligen Western. Neu hingegen dürfte die Konstellation Cowboys und Kannibalen sein, die in S. Craig Zahlers Horror-Western eine wichtige Rolle spielt. Als eine Gruppe blutrünstiger Menschenfresser Siedler aus der beschaulichen Stadt Bright Hope entführt, machen sich der Sheriff und einige andere Revolverhelden auf die gefährliche Reise, um die Entführten wieder heil und am Stück nach Hause zu bringen. Man ahnt, dass das nicht ohne Verluste über die Leinwand geht.

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