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Im Film „Gernstls Reisen – Auf der Suche nach irgendwas“ blicken wir mit Franz Gernstl, HP Fischer und Stefan Ravasz hinter die Kulissen ihrer langjährigen TV-Dokumentationen.

Gernstls Reisen - Auf der Suche nach Irgendwas (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der Zufall entscheidet

„Ist das eine Auftragsarbeit?“, lautet eine der ersten Fragen, die hier gestellt werden. „Ja, des Bayerischen Rundfunks“, antwortet Franz Gernstl. Die Vorgehensweise des Films „Gernstls Reisen – Auf der Suche nach irgendwas“ wird mit diesem Einstieg schon erkennbar: Das dokumentarische Werk befasst sich mit der Entstehung und mit dem Erfolgsrezept der Berichte, die der Reporter Gernstl in Kollaboration mit dem Kameramann HP Fischer und dem Tonmann Stefan Ravasz seit vier Dekaden dreht.

Im Jahr 2006 erschien bereits der Kinofilm Gernstls Reisen – Auf der Suche nach dem Glück, der mit Ausschnitten aus der 1983 gestarteten BR-Sendereihe Gernstl unterwegs auf die bis dahin unternommenen Bus-Trips der drei Männer zurückschaute. Nun hat der inzwischen über 70-jährige Gernstl mit seinem Sohn Jonas in mehreren Monaten im Schneideraum die Höhepunkte aus 40 Sendejahren zusammengetragen. Zum einen konzentriert sich der neue Film auf die Anfänge des Formats, um zu ergründen, wie einst alles begann. Und zum anderen hakt Gernstl nach, indem er etwa ein Wiedersehen mit Menschen von damals arrangiert.

Um die Vergangenheit zu beleuchten, kommen unter anderem alte Fotos und Animationen zum Einsatz. Gernstl, der in Rosenheim „zwischen den Zapfsäulen einer Tankstelle“ aufwuchs, lernte Mitte der 1970er Jahre Georgia kennen und verliebte sich in sie. Sie lebte wiederum in einer offenen Ehe mit HP Fischer, der zu jener Zeit als Fotograf tätig war. Zwar verließ die Frau alsbald beide Männer – doch die Freundschaft zwischen Gernstl und Fischer hielt an und führte zur Gründung einer WG.

Inspiriert von dem Beatnik-Roman Unterwegs von Jack Kerouac begab sich das Duo auf einen Roadtrip durch die USA, bei dem schließlich die Idee geboren wurde, das Fernsehen mit kleinen persönlichen Dokumentationen, in denen Personen auf der ganzen Welt spontan befragt werden, „neu zu erfinden“. Die beiden konnten einen Redakteur beim bereits erwähnten Bayerischen Rundfunk von ihrem Plan überzeugen; wenig später schloss sich ihnen noch Stefan Ravasz an, der prompt seinen Job als Schriftsetzer bei einer Zeitung aufgab, um mitmachen zu können.

„Im Grunde bin ich ein schüchterner Mensch, mit der Kamera habe ich einen Vorwand, auf jemanden zuzugehen“, erklärt Gernstl in einem Interview. Dass das vom Zufall bestimmte Konzept „Anquatschen, zuhören und ins Plaudern kommen“, das bis dato rund 150 Stunden Sendematerial mit circa 2000 Gesprächspartner:innen geliefert hat, tatsächlich ziemlich gut funktioniert und über großen Charme verfügt, kann Gernstls Reisen – Auf der Suche nach irgendwas als Zusammenschnitt und als Blick hinter die Kulissen nachvollziehbar veranschaulichen.

Spannend ist überdies, wenn sich nach vielen Jahren ein erneutes Treffen mit einstigen Protagonist:innen ergibt. Mitte der 1980er Jahre lernte das Trio zum Beispiel eine Gruppe von Sannyasins, Schüler:innen des indischen Gurus Bhagwan, auf dem Schloss Wolfsbrunnen bei Eschwege kennen. Darunter befand sich der achtjährige Govinda, der wie Gernstl Reporter werden wollte. Der Junge begleitete das Team für ein paar Tage – und zwischen Gernstl und ihm entwickelte sich für kurze Zeit eine enge Verbindung, die den Erwachsenen nach eigener Aussage auf die gerade anstehende Vaterrolle einstimmte.

Nach 30 Jahren treffen Gernstl und Govinda nun abermals aufeinander. Er sei „kein überragend glücklicher Mensch“, meint Govinda – allerdings noch immer auf der Suche. Momente wie dieser, die sich nicht künstlich erzeugen lassen, machen den Film zu einer schönen Erfahrung.

Gernstls Reisen - Auf der Suche nach Irgendwas (2023)

Drei Freunde, ein Bus, hunderte Geschichten: Seit 1983 fährt Franz Gernstl mit seinen Kompagnons HP Fischer und Stefan Ravasz durch die Welt, immer auf der Suche nach … ja, was eigentlich? Das wissen sie selbst nicht so genau, sie lassen sich überraschen. Der Zufall entscheidet, wem sie begegnen. Im Laufe der vier Jahrzehnte haben sie schräge Typen kennengelernt, mutige Frauen, Eigenbrötler, Alltagsphilosophen und Lebenskünstlerinnen. Und sich von ihnen erzählen lassen, was sie glücklich macht. Garniert wird „Gernstls Reisen – Auf der Suche nach irgendwas“ mit einem Blick hinter die Kulissen: Die Filmemacher verraten, wie ihre Dokumentationen entstehen, worüber sie sich in die Haare kriegen und was sie auf ihren Reisen übers Leben herausgefunden haben.

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Meinungen

Hilla Hartung · 26.09.2023

Möchte ich mir auf jeden Fall ansehen. Bin großer Fan dieser Serie im Fernsehen.