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Rex Gildo, 1999 nach einem Sprung aus dem Fenster gestorben, hat seine Homosexualität zeitlebens verheimlicht. Rosa von Praunheim schildert in einer faszinierenden Mischung aus Spiel- und Dokumentarfilm dieses Doppelleben.

Rex Gildo - Der letzte Tanz (2022)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Hossa!

Rosa von Praunheim über Rex Gildo: eine spannende Paarung, ein famoser Film. „Rex Gildo – Der letzte Tanz“ beginnt, natürlich, mit Fiesta Mexikana. Er endet mit Wer das verbietet. Dazwischen wird das Leben, nein: das Doppelleben des Schlagerstars gezeigt. So wie Rosa von Praunheim die Dinge eben zeigt.

Von Praunheim ist ein Klassiker unter den Filmemachern, er hat seine ganz eigene Art der Inszenierung: Gewollter Dilettantismus wird bei ihm zur kunstvollen Stilisierung, Kitsch zu Pathos und damit zu Wahrheit, und Film und Welt durchdringen sich ohnehin, weil Film in die Gesellschaft wirkt und umgekehrt. Von Praunheim erzählt von sich, von den Schlagern seiner Kindheit, von Paragraf 175, vom Erwachen der Schwulen (an dem von Praunheim als frühkrähender Hahn nicht wenig Anteil hatte). Aber dies alles nur nebenbei, als Begleitung zur biografischen Rex Gildo-Schilderung, angefangen bei dessen Grab. Hier tauchen drei alte Frauen auf, der Film verlässt den dokumentarischen Gestus, geht hinein ins Spiel dieses Lebens: drei Superfans, die Rex verehren, ihn anhimmeln, Rex, wie sie ihn immer gesehen haben, ihren Rex, der gute Laune verbreitet, eine heile Welt besingt, der auf keinen Fall schwul war und eine Perücke nie nötig hatte. Drei Superfans, die auch mal den Film stören, die einschreiten, wenn wir den jungen Rex im Bett mit seinem Manager sehen, die Rosa von Praunheim beschimpfen, der alles beschmutzen muss – eigentlich hätten wir gerne noch mehr gesehen von diesen drei Verblendeten, die nur die Glanz-, die Außenseite von Rex Gildo kennen, kennen wollen.

Rosa von Praunheim zeigt den ganzen Rex Gildo. Beide Rex Gildos: Den öffentlichen und den privaten, zwei verschiedene Figuren, zwei Ausformungen einer Person, die nichts miteinander zu tun haben. Kilian Berger spielt den jungen Rex, der beim Herrenausstatter arbeitet und den älteren Fred Miekley kennenlernt, der sein Manager wird – Ben Becker spielt ihn intensiv. Um ihn geht es nicht wirklich in dem Film, auch wenn er ständig präsent ist, wird seine Biografie, seine Persönlichkeit kaum ausgebreitet – doch Becker gelingt es, in kleinen Gesten und den Details seiner Blicke diesen Menschen lebendig werden zu lassen. Miekley formt aus Ludwig Hirtreiter Rex Gildo, den Star. Er investiert in dessen Zukunft, er leitet ihn, führt ihn, treibt ihn, peitscht ihn voran. Er liebt ihn, das wird offensichtlich, und er verzichtet auf die Öffnung dieser Liebe nach außen, weil er selbst, als Fliegeroffizier im Krieg, die Disziplin eingebläut bekommen hat. Er verzichtet und zwingt Rex zum Verzicht – die Liebe bleibt privat. Nach außen wächst Rex Gildo zum Liebling, erst an der Seite von Conny Froboess, dann an der Seite von Gitte Haening – beide sind, real, Teil des Films. Rosa von Praunheim hat Weggefährten interviewt, weitet so den Blick; Cindy Berger ist auch dabei, Costa Cordalis, und sogar die Haushälterin. Sie wohnt, kleiner Gag am Rande, in Tuntenhausen, und sie hat nie etwas mitbekommen von Gildos wahrem Ich, hinter der Scheinehe mit der Kusine.

Gildo muss den Frauenschwarm spielen, den Liebhaber, den ewig Jungen, er muss flirten, ein echter Mann sein, und er ist dies alles – nur gehört eben zu all dem, auf keinen Fall schwul zu sein. Das ist die Moral, das ist das Gesetz. Und das hat Rex Gildo verinnerlicht, für immer. Schwulenbewegung? Er singt von Glück und Frauen und immer wieder von Mexiko.

Ein Dokumentarfilm, der frei erzählt wird. Ein Spielfilm, der dokumentarisch fundiert ist. Die Grenzen verschwimmen. Der Tragik von Rex Gildo ist wohl nur so nahezukommen: Durch Spielszenen, die niemals naturalistisch sind, durch Kulissen, die gemalt sind, durch eine Welt, die im Studio gebaut wurde. Durch Künstlichkeit, die den künstlichen Künstler erklärt. In Wer das verbietet singt sexy Rexy: „Wir suchen nicht die Dunkelheit / Wir halten nichts von Heimlichkeit / Für einen Blick, für einen Kuss / Ist überall Gelegenheit / Lass die Welt es doch seh’n / Dass wir zwei uns versteh’n.“ Vielleicht lugt hier der durch, den Rex Gildo immer verleugnet hat, der private Mensch hinter dem öffentlichen Produkt. Aber natürlich ex negativo, anders kann es nicht sein.

Rex Gildo - Der letzte Tanz (2022)

Rex Gildo feiert große Erfolge mit seinen Liedern und Musikfilmen. Sein bekanntester Schlager ist „Fiesta Mexicana“ aus dem Jahr 1972. Rosa von Praunheim erzählt ein Leben im gesellschaftlichen Kontext der Schwulenbewegung, vom normativen Druck der Schlagerbranche und den gravierenden Veränderungen von heute. (Quelle: Filmfest München 2022)

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Meinungen

Viv Wolf · 24.02.2024

Ich sehe es gerade auf 3sat und es ist ganz grauenvoll. Hatten die Darsteller Anweisung, möglichst schlecht zu spielen? Was für ein lächerliches Werk.

Werner F. Schütze · 12.07.2023

Ich kann mich der positiven Kritik nicht anschließen – in meinen Augen ein grottenschlechter Film, handwerklich und künstlerisch dilettantisch. Die Darsteller (die Bezeichnung "Schauspieler" wäre eine Beleidigung für alle Menschen, die diese Kunst wirklich beherrschen) agierten zwischen Laienspiel und Amateurtheater, selbst Ben Becker konnte es nicht rausreißen und blieb m. E. weit unter seinen Möglichkeiten. Geradezu grotesk in ihrem Spiel waren die 3 Parzen, Schicksalsnornen or whatever, und auch in den Nebenrollen glänzten die Darsteller durch übertriebene Tuntigkeit: Rosa von Praunheim hat wieder einmal alle Klischees erfolgreich bedient. Fazit: Wie bei den meisten seinr Filme: Gute Themen, aber miserabel umgesetzt!

Detlef Engel · 26.11.2022

Der Film stellt in einem Dokumentations Drama das Doppelleben des Rex Gildo dar. Die erfundenen und nachgestellten Szenen könnten ziemlich nah an der Wirklickeit sein. Das Versteck- Spiel mit der Sexualität war in den Erfolgsjahren von Rex Gildo erforderlich, da ein Auting mit dem sofortigen Karriere Aus bzw. mit Gefängnis bestraft worden wäre.Was mir am Film fehlt ist die Darstellung von schönen Erfolgsmomenten , die Rex Gildo mit Scherheit auch hatte und genossen hatte,-auch in dem Bewußtsein, das er immer ein Geheimnis mit sich herumgetragen hat, wie fast jeder Schwule in dieser Zeit.Es war eine Zeit der Täuschung, Vorgaukeln und das Leben in der schwulen Subkultur. Zum Glück haben sich die Zeiten geändert.

Margret Schülke · 27.10.2022

Bei diesem Film haben mir die Ausschnitte gereicht und die Berichte von Freunden, die ihn gesehen haben. Was R. v. Praunheim da gedreht hat ist einfach nur schlimm. Das hat Rex Gildo nicht verdient .

Werner F. Schütze · 12.07.2023

Hallo Frau Schülke, ganz Ihrer Meinung! Hier mein Kommentar:
Ich kann mich der positiven Kritik nicht anschließen – in meinen Augen ein grottenschlechter Film, handwerklich und künstlerisch dilettantisch. Die Darsteller (die Bezeichnung "Schauspieler" wäre eine Beleidigung für alle Menschen, die diese Kunst wirklich beherrschen) agierten zwischen Laienspiel und Amateurtheater, selbst Ben Becker konnte es nicht rausreißen und blieb m. E. weit unter seinen Möglichkeiten. Geradezu grotesk in ihrem Spiel waren die 3 Parzen, Schicksalsnornen or whatever, und auch in den Nebenrollen glänzten die Darsteller durch übertriebene Tuntigkeit: Rosa von Praunheim hat wieder einmal alle Klischees erfolgreich bedient. Fazit: Wie bei den meisten seinr Filme: Gute Themen, aber miserabel umgesetzt!

Susanne Wagner · 05.10.2022

Ein großartiger Film.