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Kommentar

Lebloses Worldbuilding – Dune: Part Two, My Personal Fury Road

Ein Beitrag von Andreas Köhnemann

„Dune: Part Two“ scheint alle abzuholen, Kritik und Publikum. Ich fühl’s leider gar nicht, sorry! Nichts gegen Fantasy, nichts gegen bombastisches Blockbuster-Kino. Aber ein bisschen Mühe bei der Figurenzeichnung wäre schon schön gewesen.

Meinungen
Stylish im Wüstensand: Timothée Chalamet
Dune: Part Two (2024) von Denis Villeneuve

Dune: Part Two von Denis Villeneuve sieht sehr teuer aus. Das fiktive Universum, das in der literarischen Vorlage geschaffen wurde, ist beeindruckend. In etlichen positiven Besprechungen zum Film wird das Worldbuilding gelobt. Und das ist ja alles fein. Aber eine Welt braucht auch Figuren, die sie beleben. Auf ihr muss etwas passieren, das mich emotional mitreißt. Staunen über State-of-the-Art-Effekte trägt (mich) nicht über knapp drei Stunden hinweg. Natürlich ist da die wuchtige Musik von Hans Zimmer. Doch wenn der Komponist der alleinige Leiter der Gefühlsabteilung ist, weil das Drehbuch absolut nichts hergibt, stimmt etwas nicht.

Ein paar inszenatorische Punkte haben mich gestört. So ist zum Beispiel eine Sequenz zwischen Austin Butler (als Feyd-Rautha Harkonnen) und Léa Seydoux (als Lady Margot Fenring) gefilmt wie eine klischeehafte Parfumwerbung, die wohl gerne kinky wäre, allerdings nur peinlich gerät. Die Wüstenkulisse des Films ist super – aber Timothée Chalamet, Zendaya, Rebecca Ferguson und viele andere wirken darin durchweg so, als seien sie bei einem High-Fashion-Shooting im sexy Sand. Kein Schmutz, kein Schweiß, keine Spuren einer existenziellen Bedrohung – und damit auch keine Nähe. Hier scheint niemand aus Fleisch und Blut zu sein. Wenn (Neben)Figuren getötet werden, mutet das wie in einem (schlechten) Computerspiel an. Zack, tot! Sollen wir dabei irgendetwas spüren? Falls nein, warum nicht? Und falls ja: funktioniert echt überhaupt nicht! Wo ist der Villeneuve von einst, der mit Prisoners (2013) und Arrival (2016) richtig intensives, körperliches Kino hervorgebracht hat?

Kitschige Herrenduft-Reklame? Nee, großes Hollywood-Kino! © Warner Bros. Pictures Germany

 

Wütend gemacht hat mich indes vor allem die (fehlende) Figurenzeichnung und das schwache Schauspiel. Dass der Protagonist eine Art Anti-Heldenreise durchläuft, ist interessant. Das will ich dann jedoch bitte auch sehen und mitfühlen. Leider können das Skript und Chalamets Interpretation das nicht leisten. Der Protagonist Paul Atreides wird ohne erkennbare Entwicklungsstufen, quasi zwischen den Schnitten von einer Szene zur nächsten, vom drögen Emo zum coolen Alleskönner. Und später ebenso abrupt zum verblendeten Kriegstreiber. Anfangs murmelt Chalamet verschämt herum; gegen Ende gibt’s nur noch wildes Gebrüll. Einzig das Hair-Acting ist on point. Das muss doch besser gehen!

Die großartige Mutter-Sohn-Beziehung zwischen Paul und Lady Jessica aus Teil eins rückt nach den Anfangsminuten in der Fortsetzung nun völlig in den Hintergrund. Derweil wirkt die Romanze zwischen Paul und Chani ziemlich aufgesetzt; sie muss geschehen, um Konflikte zu erzeugen. Über weite Strecken (bis auf einen energischen Schlussblick) ist Zendayas Verkörperung von Chani kaum überzeugend – mehr trotzig und beleidigt als glaubhaft rebellisch. Wenn im Finale eine dramatische Dreiecksbeziehung zwischen Paul, Chani und Prinzessin Irulan angedeutet wird, ist das durch die alberne Blickdramaturgie näher an O.C., California (oder an Hedwig Courths-Mahler, für alle Literat:innen), als an großem Kino. Schade ist das in erster Linie deshalb, weil alle es offensichtlich besser können: Chalamet, Ferguson, Zendaya, Florence Pugh – ausnahmslos begabte Schauspieler:innen. Ihre Promo-Auftritte auf dem Red Carpet, wo der Fashion-Habitus, anders als in der Wüste, perfekt hinpasst, zeichnen sich durch weitaus mehr Sorgfalt und Originalität aus, als das, was sie in Dune: Part Two in ihren Rollen zeigen (dürfen).

Paul und Chani: Ich fand’s nicht romantisch. © Warner Bros. Pictures Germany

 

Von den Gegner:innen mal ganz zu schweigen. Austin Butler als eindimensional-grobschlächtiger Muskel-Skinhead? Stellan Skarsgård als ekliger Blob? Nun, in dieser Hinsicht ist Dune: Part Two bedauerlicherweise sehr realistisch – denn echte Antagonist:innen unserer Zeit, von Trump bis Putin, sind ebenfalls lächerlich-abstoßende Gestalten. Ich hätte es hingegen schön gefunden, wenn die Schurk:innen im Film reizvoll und ihre Motive vielschichtig gewesen wären.

Natürlich lässt sich jetzt sagen: Was weiß denn ich? Ich hätte ja mal den sechs Romane umfassenden Wüstenplanet-Zyklus von Frank Herbert lesen können, ist das zu viel verlangt? Ehrlich gesagt: ja. Der Regisseur und sein Schauspielteam bekommen eine ziemlich hohe Gage, um mir diese Story audiovisuell zu vermitteln. Sie haben dafür in Teil zwei immerhin 165 Minuten lang Zeit. Da darf ich schon erwarten, dass mir das ohne intensive Vorrecherche nachvollziehbar gemacht wird und dass das auf eigenständige Weise spannend ist. Stattdessen wird dann – wie wir das unter anderem bereits aus dem Star-Wars-Kosmos kennen – letztlich alles damit erklärt, dass irgendwer der Enkel/Sohn/Neffe oder die Enkelin/Tochter/Nichte von irgendwem ist. Das, was passiert, war ja eh längst vorherbestimmt; eine blaue Sandwurmflüssigkeit fördert es zutage. Hm, ach so. Na, danke für nichts!

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Bitte nicht falsch verstehen: Ich begrüße es, dass es Dune: Part Two gibt. Dass die Menschen ins Kino strömen und sich unterhalten fühlen. Dass alle Beteiligten vor und hinter der Kamera gut bezahlte Jobs haben. Ich muss mir diesen Film ja nie wieder ansehen; vom dritten Teil (und von allen weiteren möglichen Sequels, Prequels, Spin-offs etc.) werde ich mich fernhalten. Ich werde nichts mehr über das Dune-Universum schreiben, versprochen! No more hate. Aber das musste jetzt einfach raus. Weil ich der Enkel meines Opas, der Neffe meines Onkels, der Sohn meines Vaters bin. Total räudig und unbefriedigend, diese Erklärung – nicht wahr?

Meinungen

Jörg Z. · 26.03.2024

Die Kritik drückt genau das aus, was mir an diesem Film missfallen hat. Alle Welt spricht von einem Sinnes erweiternden Meisterwerk aber mich hat Dune 2 relativ kalt gelassen und zum Ende hin regelrecht geärgert. Dies ist zweifellos die kälteste Wüste aller Zeiten, keine flirrende Hitze, keinen einzigen Schweißtropfen kann man erkennen. Die plötzliche Entwicklung von Paul Atreides vom zögerlichen Antihelden zum kriegerischen Diktator war in keinster Weise nachvollziehbar und hat mich eher an die lächerliche Darstellung von Tobey Maguire in Spiderman 3 erinnert. Apropos: warum ist für den Autor Dune 2 sein persönliches Fury Road?? Das kam in der Kritik leider nicht zum Ausdruck....

Christian Th. · 14.03.2024

Endlich mal jemand der zum Ausdruck bringt was ich über diese Neuverfilmung denke. Klasse Artikel. Der Film versprüht ungefähr so viel Leidenschaft wie eine Balenciaga-Werbung. Ich bevorzuge eindeutig die gute alte Lynch Verfilmung!