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Streaming-Tipps

Streaming-Tipp für Kinder: The Addams Family (1991)

Ein Beitrag von Rochus Wolff

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The Addams Family

Nein, ein Kinderfilm im eigentlichen Sinne ist dies nicht. Schon eher ein Familienfilm, mit Identifikationsfiguren für jedes Alter und noch dazu einer Familie, die man sich als Vorbild nehmen könnte, möchte, sollte.

Eltern und Großmutter unterstützen die Kinder auch noch bei ihren seltsamsten Vorhaben mit großer Geduld und Gelassenheit, und die Eltern sind, obwohl die Tochter schon kurz vor dem Teenager-Alter steht, noch so verliebt ineinander („Cara mia!“) wie am ersten Tag. Und noch dazu Menschen mit so distinguierten Umgangsformen, höflich und freundlich in der Öffentlichkeit, charmant und direkt im persönlichen Umfeld.

Nun gut, die Addams sind schon ein wenig seltsam. Hinter ihrem Haus beginnt gleich der Friedhof der Familie, einer der Bediensteten ist eine abgetrennte, aber sehr bewegliche Hand, und Tochter Wednesday versucht sich scheinbar an immer neuen Methoden, ihren Bruder Pugsley zu töten: Per elektrischem Stuhl zum Beispiel oder mit dem Messer. Aber nein, nein, korrigiert ihre Mutter sie im Vorübergehen: Die Klinge, die du da benutzt, ist viel zu klein. Nimm besser diese hier.

Die Figuren der Addams Family gibt es, als Cartoons und dann Fernsehserie, seit den 1930er Jahren. Anfang der 1990er hat Barry Sonnenfeld (mit einem Drehbuch von Caroline Thompson und Larry Wilson) die Motive aufgenommen und mit einer großartigen Besetzung zu neuem, kinematographischem Leben erweckt. The Addams Family ist eine Ode an das Anderssein und an die Liebe, eine schräge Feier von morbider Romantik. Gedacht war sie einmal als Parodie auf  kleinbürgerliche, amerikanische Familienkonzepte – und das eigentlich Irritierende (und Entlarvende) daran ist eben genau, dass diese Parodie in all ihrer Hinwendung an Tod und Vergänglichkeit all den Familiengeist ausstrahlt, die der Hölle Kleinfamilie nur allzu oft fehlt.

Die Geschichte ist dabei nicht so besonders wichtig, auch wenn sie mäandernd durch die Familie hindurchfühlt: Der Bruder von Vater Gomez (unnachahmlich elegant und verführerisch gespielt vom viel zu früh verstorbenen Raúl Juliá) scheint Jahre nach einem große Streit wieder zurückgekehrt zu sein – er habe im Bermude-Dreieck Amnesie erlitten, berichtet er, und erst jetzt den Weg nach Hause zurückgefunden. Eigentlich aber ist er ein Betrüger, der zufällig (oder doch nicht zufällig?) dem verschollenen Fester (Christophr Lloyd) ähnlich sieht und sich nur ins Haus einschleichen will, um an den Schatz zu kommen, der in einem Gewölbe unter dem Anwesen versteckt ist.

Vor allem die so brillante wie distanzierte Wednesday (Christina Ricci) ist skeptisch, ob dieser Mann wirklich ihr Onkel ist – aber immer mehr findet er sich in die Familie ein, hilft den Kindern bei der Vorbereitung einer Talentshow an der Schule (nie waren die ersten Reihen eines Theaters so sehr in Kunstblut getränkt)…

Vor allem möchte man dieser Familie aber immer weiter zuschauen, auch ohne großen Grund, vor allem der Mutter Morticia, die Anjelica Huston majestätisch, selbst in ihren Bewegungen fast statuenhaft spielt. Sie ist fast immer in Schatten gehüllt, nur ein Lichtstreifen liegt quer über ihren Augen – Sonnenfeld huldigt in und mit ihr zugleich den klassischen Monsterfilmen wie dem Film Noir.

Wenn Morticia Rosenblüten abknipst und achtlos zu Boden fallen lässt (die Stengel kommen zurück in die Vase) und mit fast regungslosen Gesichtszügen, aber liebevollen Blicken auf ihre Familie blickt, vor allem ihren geliebten Gomez betrachtet (nie war ein Friedhof so romantisch), dann ist darin alles verborgen, was man sich von einer Familie wünschen könnte.

Natürlich ist das gruselig, manchmal auch beängstigend, die Todessehnsucht und das Morbide nur sehr fein ironisiert; deshalb ist The Addams Family wirklich kein Kinderfilm; aber für eine liebende Familie mit schon etwas älteren Kindern, die den Grusel Halloweens nicht scheut, gibt es womöglich keine besseren role models als diese schrecklich netten Menschen.

FSK 12, empfohlen frühestens ab 12 Jahren.

Bei Amazon Prime in der Flatrate enthalten, bei mehreren Anbietern als VoD verfügbar.

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