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Wer wissen will, wie es im Iran wirklich zugeht, ist auf die Berichte von Exil-Journalisten angewiesen. Sie riskieren mit ihrer Arbeit ihr Leben, denn der Arm des Regimes reicht bis ins Ausland. Dokumentarfilmerin Nahid Persson Sarvestani hat einen der mutigen Berichterstatter begleitet.

Der Sohn des Mullahs (2023)

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Worte als Waffe

Wie brutal eine Diktatur mit ihren Gegnern umspringt, weiß die iranisch-schwedische Dokumentarfilmerin Nahid Persson Sarvestani seit Langem. Bereits 1979, kurz nach dem Sturz des Schahs, wurde ihr Bruder von den Anhängern des neuen iranischen Gottesstaates im Rahmen politischer „Säuberungen“ ermordet, mit gerade einmal 17 Jahren. Seitdem lebt die gebürtige Iranerin in Schweden, wo sie Dokumentationen über das Leben und die Verfolgung in ihrer ehemaligen Heimat dreht. Kein Wunder, dass sie fasziniert ist von Roohollah Zam, einem Journalisten, der aus dem französischen Exil Nachrichten über die Korruption der Mullahs, ihr Doppelleben und ihre Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung verbreitet. Sie besucht ihn, nicht ahnend, dass das ursprünglich geplante Porträt eine unerwartete Wendung nehmen und in einer Tragödie enden wird.

Die Medien des Iran sind seit 1979 fest in staatlicher Hand. Doch immer wieder dringen Meldungen über Proteste nach außen. Das ist unter anderem das Verdienst von Exiljournalisten, die Videos über das reale Leben geschickt bekommen und sie auf ihren Online-Plattformen und über den Messengerdienst Telegram in alle Welt und vor allem in ihr Heimatland verbreiten. Roohollah Zam mit seiner Website „Amadnews“ war einer der bekanntesten von ihnen. Er erreichte im Iran über zwei Millionen Menschen und hatte offenbar Quellen in wichtigen Positionen des Machtapparats bis hinauf zu den Mitarbeitern von „Revolutionsführer“ Ali Chamenei. Der Journalist deckte unter anderem Geldwäsche-Geschäfte, millionenschwere Veruntreuung von staatlichen Finanzen sowie brutale Polizeigewalt auf. Und er zeigte dem unterdrückten Volk, wie Chameneis Söhne sowie Kinder anderer Mullahs ein zügelloses Luxusleben im Ausland führen.

Das rief die Revolutionsgarden und die Geheimdienste auf den Plan, die den Journalisten aus dem Weg schaffen wollen. Nach wiederholten Morddrohungen verschaffte die französische Polizei ihm und seiner Familie eine versteckte Wohnung sowie Personenschutz. Dabei stammte Zam, wie es der Filmtitel schon andeutet, selbst aus der Klasse derer, die er bekämpfte. Als Jugendlicher hatte er Staatsführer Chamenei selbst getroffen, denn sein Vater, Mullah Mohammad Ali Zam, war in den frühen 1980er Jahren ein ranghoher Mitarbeiter der Regierung. Auch Sohn Roohollah war zunächst streng religiös, wandte sich aber aus Enttäuschung über die Vermischung von Geistlichkeit und Politik vom Regime ab. 2009 kämpfte er während der „Grünen Revolution“ gegen den Wahlbetrug des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadineschād.

Der Film zeigt den umtriebigen Journalisten zunächst als gut gelaunten Familienvater, der sein abgeschirmtes, isoliertes und ständig bedrohtes Leben vor allem dank seiner Frau Mahsa und den beiden Töchtern genießen kann. Immer wieder macht er Witze darüber, aus welcher Richtung die Kugeln kommen könnten, die es auf ihn abgesehen haben. Geduldig erklärt er der Filmemacherin, aus welchen Kreisen seine Quellen stammen und auf welchen Umwegen er mit ihnen kommuniziert. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse und der Film driftet in eine Art Spionagethriller mit hektisch bewegten und teils wackeligen Bildern ab. Dieser Mittelteil macht es dem Publikum nicht leicht, sämtliche Wendungen und Komplikationen der Geschichte nachzuvollziehen. Auch die Filmemacherin selbst, die aus der Ich-Perspektive und aus persönlicher Betroffenheit berichtet, wird von Zweifeln getrieben, wem sie noch glauben kann. Den Zuschauenden ergeht es ebenso, die Story scheint sich in Agenten-Intrigen zu verlieren.

Trotzdem kommt Regisseurin Nahid Persson Sarvestani (My Stolen Revolution, 2014) nicht umhin, dem Publikum diese Verwirrung zuzumuten. Denn das Filmprojekt gerät selbst in den Strudel der Verwicklungen. Die Dokumentation wird Teil eines politischen Ränkespiels. Einmal scherzt eine von Roohollah Zams angeblichen „Quellen“ gar: Wenn der Journalist in ein paar Monaten ermordet würde, wäre das doch gut für den Film, dann käme er groß raus. Schon in diesem Moment wirkt der Spruch unangemessen, in der Rückschau aber nur noch gespenstisch. Eine Atmosphäre der Bedrohung erfasst die Bilder. Sie wird bis in den letzten Akt hineinreichen, der von Wut und Trauer, aber auch von Mut und Kampfeswillen geprägt ist.

Bei aller emotionalen Wucht und bei aller Relevanz angesichts der fortdauernden Unterdrückung im Iran hat Der Sohn des Mullahs auch seine aufklärerischen Qualitäten. Er erweitert das, was man immer schon über Diktaturen zu wissen glaubte, um die konkreten Mechanismen der Macht, inklusive ihrer Skrupellosigkeit. Er verschafft Einblicke in die perversen Strategien der Geheimdienste und die Rachegelüste von Herrschern, die offenbar genau wissen, wie wenig ihre Untertanen von ihrer Propaganda halten. Und die deshalb jeden Widerspruch im Keim ersticken oder ihn gnadenlos ausradieren müssen, wenn er sich denn einmal Bahn gebrochen hat. Ein Schelm, wer dabei nicht nur an den Iran denkt.

Der Sohn des Mullahs (2023)

Der iranische Journalist Roohollah Zam flieht nach Frankreich, nachdem er sich den Mullahs in seinem Land widersetzt hat. Obwohl er selbst aus einer zutiefst klerikalen Familie stammt und seinen Vater als Jugendlicher zu Treffen mit dem obersten Führer Khamenei begleitet hat, wird er mehr und mehr zum Regimegegner. Mit seinem Nachrichtensender AmadNews, den er im französischen Exil gründet, deckt er Geldwäscheaktivitäten des Irans auf. Nach Morddrohungen wird Roohollah unter den Schutz des französischen Sicherheitsdienstes gestellt. Ab 2019 dokumentiert die schwedisch-iranische Regisseurin Nahid Persson sein Leben im Exil, beginnt ihn in seinem Versteck zu filmen. Als es dem Regime gelingt, Roohollahs Netzwerk zu infiltrieren und “Maulwürfe” einzuschleusen, die sich als Irankritiker ausgeben, schaffen sie es, sein Vertrauen zu gewinnen. Roohollah wird in eine Falle gelockt und in den Iran entführt. Nach 14 Monaten Gefängnis, einem erzwungenen Geständnis und einem Schau-Prozess, den die Iraner live im Fernsehen verfolgen können, wird er zum Tode verurteilt und hingerichtet.

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