Tom of Finland (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Zu schnell hinweggehuscht

Es beginnt in einer der vielen dunklen finnischen Nächte. Doch diese Nacht ist anders. Denn der Himmel wird immer wieder erleuchtet von Blitzen, die von einer Schlacht in der Nähe mit den Russen kommen. Denn wir befinden uns mitten im Zweiten Weltkrieg. Es ist aber auch die Nacht, in der Touko Laaksonen (Pekka Strang), ein junger schlaksiger Soldat, sich zum ersten Mal auslebt. In einem kleinen Waldstück, das sein Kommandant ihm ohne große Worte zeigt, findet er andere Soldaten, die wie er schwul sind. Hier im Dunkeln der Nacht vergnügen sie sich und hier wird er geboren: Tom of Finland.

Touko Laaksonen alias Tom of Finland war ein Künstler und Illustrator, dessen homoerotischen Zeichnungen seit den 1950er Jahren weltweit sehr großen Zuspruch fanden. Typisch für seine Kunst sind die Portraits „richtiger Männer“, also hypermaskuliner, muskulöser Körper, deren Geschlechtsmerkmale gern extra prominent ausgestellt wurden. Tom of Finlands Kerle sind riesig, perfekt proportioniert, sie haben riesige Schwänze, große Nippel und aus jeder Pore trieft männliche Sexualität. Ganz so wie es Toukos eigener Geschmack war. Hinzu kommt ein weiterer fetischistischer Aspekt. Seine Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg, so suggeriert es zumindest der Film, haben in ihm eine Vorliebe für Uniformen und vor allem für Leder geformt. Und so sind viele seiner gezeichneten Männer in Uniformen zu sehen. Sie tragen Lederwesten, weiße Feinripp-Unterhemden, hohe Lackstiefel oder Uniformen. Vom Matrosen bis zum Polizisten ist alles dabei, was das Fetisch-Herz begehrt.

Wenn Touko/Tom und seine Kunst also eigentlich etwas nicht sind, dann übliches Material für eine mainstreamige Arthouse-Biografie. Und doch hat Regisseur Dome Karukoski genau diesen Weg gewählt. Sein Tom of Finland ist wirklich klassisches Arthouse-Kino, welches die Genese des Menschen und Künstlers von den Anfängen im Zweiten Weltkrieg bis ins hohe Alter verfolgt. Ganz klassisch für ein breites und eher konservatives Publikum inszeniert. Touko ist ein guter Kerl, der eben schwul ist und damit klarkommen muss. Er wohnt bei seiner Schwester Kaija (Jessica Grabowsky), eine recht konservative Frau, die weiß, dass ihr Bruder homosexuell ist und hofft, er könne sich ändern. Doch Touko hat daran gar kein Interesse. Nach dem Krieg heuert er in der gleichen Werbefirma wie sie an und wird Illustrator. Tagsüber zeichnet er Werbungen, abends seine erotischen Fantasien. Mehrmals zeigt der Film, wie Touko sich heimlich mit andern Männern trifft, denn in Finnland ist Homosexualität strafbar. Seine Liebe, seine Sexualität und seine Kunst sind alle verboten und können ihn sofort ins Gefängnis bringen. Dementsprechend schwer und gefährlich ist es für Touko, sich auszuleben und Anschluss zu finden. Erst als ein Veli (Lauri Tilkanen), ein junger schwuler Tänzer, bei den beiden als Untermieter einzieht, findet Touko wirklich Anschluss. Ein kleines Drama strickt der Film daraus, dass Kaija eigentlich Veli will und Touko ihn dann doch bekommt, aber dies ist nur eine Fußnote, so wie viele andere Momente und Geschichten, durch die der Film in Windeseile hindurchstürmt. Da ist noch der Kommandant, der ihn aus einem Berliner Gefängnis holen muss, der Liebhaber, der Toukos Kunst klaut, und der amerikanische Superfan, der Tom of Finland nach Hollywood holt. Oder auch die Aids-Epidemie, die in den 1980ern ausbricht und unendliche Mengen an Menschen mit sich reißt. Selbst diese wird nur angeschnitten und wie so viele andere Momente auch benutzt, um schnell ein paar herzzerreißende Momente zu schaffen, die Drama bieten und Katalysator sind für Toms Safer-Sex-Kampagne.

Dome Karukoski hat alle Hände damit zu tun, die vielen kleinen Geschichten einzufangen, und so muss er an anderen Stellen Aussparungen vornehmen. Am härtesten trifft es den künstlerischen Aspekt seines Lebens, der hier viel zu kurz kommt. Die Genese Toukos als Illustrator ist kaum zu sehen. Seine Kunst, die bis heute immer wieder an der albernen Dichotomie von Kunst vs. Porno abgearbeitet wird, wird hier von den Protagonisten immer wieder zur Wichsvorlage degradiert. Nicht, dass sie es nicht auch wäre, aber doch ist es schade, dass auf seinen Stil und sein Können fast gar nicht eingegangen wird. Auch sein immenser Einfluss auf die schwule Kultur, alternative Sexualität und Counterculture wird immer nur in leicht abgeschmackten Momenten oder Dialogen angedeutet. Da hilft es auch nicht, dass der Film ansonsten liebevoll und unaufgeregt mit seinen Figuren umgeht.

Die Opfer, die Dome Karukoski bringen muss, um einen Künstler, der eben durch und durch schwul und kinky ist, der Fetisch liebt, der BDSM und überhaupt Sexualität in all ihrer Saftigkeit zeigte, für ein Mainstream-Publikum aufzubereiten, sind hoch. Zu hoch. Und hier ist sie wieder, diese „Normalisierung“, die nur erreicht werden kann, wenn man das Queere herunterspielt oder entfernt, wenn man den Sex bereinigt und entkernt. Es erinnert an The Danish Girl, die Problematik ist gleich: So gut es ist, dass Menschen, die nicht klassisch heteronormativ oder cisgender sind, im Arthouse-Kino langsam ankommen, so wichtig ist es aber auch, dass die Repräsentation stimmt und sie nicht doch wieder zu Gunsten vermuteter Sensibilitäten eines Mehrheitspublikums negiert wird.

Was nutzt es also, wenn Tom of Finland ins Kino kommt, wenn die Kamera über seine Bilder nur schnell hinweghuscht? Was bringt es, wenn sein Leben und seine Sexualität immer dann, wenn es intim, wenn es schwul oder mal dreckig wird, ausgeblendet werden? Nicht viel. Maximal vermag der Film hier und da Interesse am Künstler auszulösen, welches nur außerhalb des Kinos gestillt werden kann. Aber dafür, dass hier ein Biopic über einen der einflussreichsten finnischen Künstler des 20. Jahrhunderts gemacht wurde, ist es schon eine Schande, wie stark hier der Kern der Kunst beschnitten wird.
 

Tom of Finland (2017)

Es beginnt in einer der vielen dunklen finnischen Nächte. Doch diese Nacht ist anders. Denn der Himmel wird immer wieder erleuchtet von Blitzen, die von einer Schlacht in der Nähe mit den Russen kommen. Denn wir befinden uns mitten im Zweiten Weltkrieg. Es ist aber auch die Nacht, in der Touko Laaksonen (Pekka Strang), ein junger schlaksiger Soldat, sich zum ersten Mal auslebt.

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