Belluscone - Warum die Italiener Berlusconi lieben (2014)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Allein gegen die Mafia

Eine bessere Werbung hätte Franco Maresco nicht haben können. Bereits im Vorfeld versuchte Silvio Berlusconis Partei, die Aufführung seines jüngsten Films zu verbieten. „Belluscone – Warum die Italiener Berlusconi lieben“ lief dennoch. Bei den Festspielen in Venedig gab es dafür 2014 in der Sektion Orrizonti den Spezialpreis der Jury.

Eines vorab: Der Verleihtitel ist irreführend. Aus dem poetischen, aber recht kryptischen Zusatz „Una storia siciliana“ (deutsch: „Eine sizilianische Geschichte“) wird „Warum die Italiener Berlusconi lieben“. Das ist zwar allgemeinverständlicher und spricht ein breiteres Publikum an. Dennoch geht es Franco Maresco in erster Linie nicht um das Verhältnis der Italiener, sondern um das der Sizilianer zu ihrem ehemaligen Ministerpräsidenten. Sehenswert ist sein Dokumentarfilm dennoch und noch dazu höchst amüsant.

Und hier tut sich gleich das nächste Problem auf. Denn Belluscone – Warum die Italiener Berlusconi lieben als Dokumentarfilm zu bezeichnen, ist gewagt. Marescos Spiel mit Fakten und Fiktion ist ebenso irreführend wie der deutsche Verleihtitel seines Films. Das zeigt bereits ein Blick auf den (verworrenen) Inhalt und dessen Vermittlung.

Eigentlich wollte Maresco Silvio Berlusconis Verstrickungen mit der Mafia beleuchten. Dazu ist der Regisseur im September 2011 nach Palermo gereist. Dort spürt er dem Rückhalt des Politikers bei seinen sizilianischen Wählern nach, alte Freunde des Cavaliere auf. Doch dann legt der italienische Ministerpräsident im November 2011 sein Amt nieder. Das Thema des Films scheint hinfällig — da tut sich unversehens ein neues auf. Der halbseidene Konzertveranstalter Francesco ‚Ciccio‘ Mira und zwei seiner Stars rücken in den Fokus. Kommt Mira ins Bild, wechselt der Film von Farbe in Schwarzweiß. Nimmt Mira zu einer Fragestunde vor der Kamera Platz, leuchtet Maresco seinen Protagonisten mit harten Schatten wie in einem Gangsterfilm aus.

Gemeinsam mit seinen drei neuen Protagonisten taucht Belluscone fortan in die Straßenfeste Palermos ab und ergründet die seltsame Welt süditalienischer Schlagermusiker und deren Begeisterung für Berlusconi. Immerhin haben Miras Stars, Vittorio Ricciardi und Salvatore De Castro, dem Politiker eigens ein Lied gewidmet. Darin singen sie über ihren sehnlichsten Wunsch: Einmal nur Berlusconi treffen, um mit ihm gemeinsam zu lachen und zu essen. Doch was haben die seltsamen Grüße zu bedeuten, die die Musiker vor ihren Fernsehauftritten an Gefängnisinsassen richten? Sind es verschlüsselte Botschaften der Mafia? Kurz vor dem Ende der Dreharbeiten wird Ciccio Mira wegen Beziehungen zur organisierten Kriminalität schließlich verhaftet – und Maresco steht erneut ohne Protagonist da.

Zu allem Überfluss kommt der Regisseur seinem Film bereits nach zehn Minuten abhanden. Mitten in der Erzählung ist er plötzlich spurlos verschwunden, hat sich enttäuscht von seinem Projekt zurückgezogen. Oder ist er nicht ganz freiwillig gegangen? Für den Rest der Spieldauer übernimmt Marescos Freund, der Filmkritiker Tatti Sanguineti, das Ruder. In Palermo begibt er sich auf Spurensuche, sichtet den unvollendeten Film und stellt die bereits fertigen Teile dem Publikum vor. Zahlreiche Interviews mit Passanten sind ebenso darunter wie der aus Archivmaterial ironisch montierte Aufstieg Silvio Berlusconis. Unter den von Maresco aus dem Off gesprochenen, zutiefst sarkastischen Kommentar des Films mischt sich nun auch noch der selbstreflexive Text Sanguinetis. Die Grenzen verschwimmen zusehends. Etwa als Marcello Dell’Utri, ein ehemaliger Politiker, Weggefährte Berlusconis und verurteilter Mafioso, zu Wort kommt. Just als dieser über den Cavaliere auspacken will, fällt der Ton aus. Das ist Marescos Toningenieur in seiner 30-jährigen Laufbahn selbstredend noch nie passiert. Zufall? Die lange Hand der Mafia? Oder doch eher Marescos Humor?

Satire ist Francesco Marescos Markenzeichen. Die Fernsehserie Cinico TV machte ihn in den 1990ern in Italien landesweit bekannt. Sein Spielfilm Totò, der zweimal lebte (1998), den er gemeinsam mit Daniele Cipì drehte, ist der bislang letzte italienische Film, der jenseits der Alpen verboten wurde. Er war den Zensurbehörden zu blasphemisch. Ähnlich kritisch und bissig geht Maresco nun auch bei Belluscone zu Werke. Seine unermüdlichen Nachfragen zum Verhältnis der Sizilianer zur Mafia stoßen jedoch meist auf Ablehnung. Der Großteil der Befragten äußert sich entweder kryptisch, bemüht neutral oder hüllt sich in Schweigen. Wie sich die „talking heads“ vor der Kamera winden oder Marescos Fragen ein ums andere Mal partout akustisch missverstehen, sobald das Wort „Mafia“ fällt, ist gleichermaßen köstlich wie erschreckend.

Andere äußern sich zum Thema gänzlich unverhohlen. Für diese Befürworter ist die Mafia besser als der Staat, brachte die Organisation Sizilien in der Vergangenheit doch die heute schmerzlich vermissten Arbeitsplätze. An diesen Stellen offenbart Belluscone eine Mentalität, in der der Beruf des Polizisten als Schande gilt und die Mafia nur diejenigen richtet, die es verdient haben. Maresco legt nahe, dass es diese „angeborene Intoleranz gegenüber staatlicher Autorität“ sein könnte, die Berlusconi in Sizilien so populär macht. Es ist ein Sizilien, in dem sich ein geistig verwirrter Mann nach Berlusconis Rücktritt aus Angst um seine Rente mit seinem Haus in die Luft sprengt oder eine Frau in der Sendung eines Fernsehpfarrers anruft, um für die baldige Rückkehr des Ministerpräsidenten zu beten. Absurde Szenen, die sich selbst der Satiriker Maresco nicht besser hätte ausdenken können.

Und genau hier liegt die große Ambivalenz dieses Films. Für das Publikum – zumal für eines außerhalb Italiens – ist es unmöglich festzustellen, wie stark der Grad der Inszenierung tatsächlich ist. Durch seine Form erinnert Belluscone beständig an eine Mockumentary, obwohl er keine ist. Dadurch stellt der Zuschauer zwangsläufig auch die Fakten infrage, weiß am Ende nicht mehr recht, was er über Berlusconi glauben soll und was nicht. Dessen Aufstieg hört sich schlichtweg zu abenteuerlich an, klingt zu sehr nach Verschwörungstheorie – und könnte dennoch genau so passiert sein. Auf diese Weise entpuppt sich Marescos Herangehensweise an das Thema letztlich doch noch als große Stärke. Schließlich bildet sie die konfuse Gemengelage aus Fakten und Lügen auch formal ab. Fast scheint es so, als könne Maresco einem Land, in dem Komiker wie Beppe Grillo in die Politik wechseln, selbst auf dokumentarischer Ebene nur mit bitterböser Satire entgegentreten. Am Ende sagt das dann vielleicht doch mehr über ganz Italien aus als nur über dessen südlichen Zipfel.
 

Belluscone - Warum die Italiener Berlusconi lieben (2014)

Eine bessere Werbung hätte Franco Maresco nicht haben können. Bereits im Vorfeld versuchte Silvio Berlusconis Partei die Aufführung seines jüngsten Films zu verbieten. „Belluscone – Warum die Italiener Berlusconi lieben“ lief dennoch. Bei den Festspielen in Venedig gab es dafür 2014 in der Sektion Orrizonti den Spezialpreis der Jury.

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Meinungen

Nina Schley · 13.10.2016

Hallo Herr Casertano,
kann man den Film irgendwo mit deutschen Untertiteln bekommen?
Viele Grüße
Nina Schley

Stefano Casertano · 29.04.2015

Sehr Geehrte Damen/Herren,

ich bin der Verleiher des Films (www.daringhouse.com). Vielen Herzlichen Dank für die interessante und detaillierte Kritik.

Ich wollte sagen, dass unsere Entscheidung den Film umzubenennen hängt nur davon ab, den Titel für das Deutsche Publikum verständlicher zu machen.

Viele Kontakte hatten uns gesagt, dass der Name "Belluscone" im deutschsprachigen Raum sich nicht unbedingt als "Berlusconi" sofort verstehen lässt, anders als in Italien - "Belluscone" ist "Berlusconi" auf Sizilianisch.

Deswegen unsere Entscheidung, den Namen "Berlusconi" beim (deutschen) Titel zu haben: "Belluscone - Warum die Italiener Berlusconi lieben".

Nach der Meinung des Filmkritikers Tatti Sanguineti (auch Darsteller beim Film) soll es auch das Hauptthema des Films sein: "Die Beziehungen zwischen der italienischen (Sub)Kultur und der Erfolg Berlusconis".

Ich hoffe, der Film lässt sich trotzdem genießen!

Danke,

Liebe Grüße,

Dr. Stefano Casertano

Luce · 26.04.2015

@Lux. Diese Angriffslust nennt sich Furor Teutonicus.

Lux · 26.04.2015

Der Titel ist in Wirklichkeit ´´Bellusconi eine Sizilianische Geschichte´´ aber dass ist ja den Teutonen egal Hauptsache mann kann scheiße auf den italienischen Nachbarn werfen.