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Eine romantische Komödie über eine Frau, die mit 40 ihren Ehemann verlässt und noch einmal neu anfangen will – und die noch dazu mit Reese Witherspoon in der Hauptrolle besetzt ist. Da kann doch bei Liebe zu Besuch eigentlich nichts schiefgehen …

Liebe zu Besuch (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Wie die Mutter, so die Tochter

Nancy Meyers hat die romantische Komödie in den vergangenen Jahrzehnten sehr geprägt – und ihre Filme haben einige Gemeinsamkeiten: Sie spielen alle in einer Schöner-Wohnen-Kulisse, gerne an pittoresken Orten wie den Hamptons und beschäftigen sich mit dem Liebesreigen heterosexueller weißer Amerikaner. Zudem sind ihre Protagonisten in der Regel wohlhabende Menschen, die sich über Kleinigkeiten wie Geld verdienen oder einen Job finden nur wenig Gedanken machen müssen. Und nicht nur hier folgt nun Hallie Meyers-Shyer in ihrem Regiedebüt Liebe zu Besuch dem Vorbild ihrer Mutter.

An ihrem 40. Geburtstag steht Alice Kinney (Reese Witherspoon) weinend vor dem Spiegel. Immerhin hat sie sich gerade von ihrem Musikproduzenten-Ehemann (Michael Sheen) getrennt und ist mit ihren beiden Töchtern von New York nach Los Angeles in das Haus ihres Vaters gezogen, der – wie eine Montagesequenz zu Beginn informierte – einst ein gefeierter Regisseur von anspruchsvollen Filmen in Hollywood war. Quasi ein Louis Malle nur mit amerikanischen Namen und monetärem Erfolg. Aber Alice reißt sich zusammen, bringt ihre Töchter zur Schule und feiert abends mit ihren Freundinnen ihren Geburtstag. Dabei begegnet sie den drei Nachwuchsfilmkräften Harry (Pico Alexander), Teddy (Nat Wolff) und George (Jon Rudnitsky). Sie sind gerade aus ihrer Wohnung geflogen, weil sie ihre Miete nicht mehr zahlen können, müssen aber noch in Los Angeles bleiben, um ihren Film zu pitchen. Also landen sie erst im Trudel der Geburtstagstrunkenheit auf Alices Couch bzw. Bett und einen Tag später haben sie dank der Intervention von Alices Mutter (Candice Bergen) ihr Gästehaus bezogen. Hieraus ergeben sich natürlich einige Komplikationen, zumal sich zwischen dem cleveren Nachwuchsregisseur Harry und der älteren Alice vom ersten Abend eine Affäre entwickelt.

Liebe zu Besuch soll aufregender, jünger sein als herkömmliche romantische Komödien, so sagen es die Werbung und das Presseheft zu diesem Film. Im Plot beschränken sich diese Neuerungen darauf, dass eine Frau mit 40 versucht, ihrem Leben eine neue Wendung zu geben und eine Affäre mit einem jüngeren Mann beginnt, der mit seinen beiden Kumpels im Gartenhaus wohnt. Abgesehen davon, dass zwischen Pico Alexander und Reese Witherspoon nur ein kaum zu spürender Hauch von Knistern entsteht, ist das weder neu noch revolutionär. Sogar in Nancy Meyers Was das Herz begehrt durfte Diane Keaton schon mit Keanu Reeves anbändeln.

Auch in der Bildsprache sucht man Neuerungen vergebens: Natürlich weint Alice vor dem Spiegel, weil sie 40 Jahre alt geworden ist. Natürlich entspricht ihr Haus dem Innendekorateur-Traum eines Nancy-Meyers-Films – hier ist jedes Accessoire kunstvoll drapiert, herrscht selbst nach einem Essen keinerlei Unordnung und wird mal eben ein Picknick im Garten gezaubert. Und natürlich hält sich die Kamera an brave Kadrierungen.

Daher gibt es in Liebe zu Besuch nur wenige Momente, die man nicht schon in ähnlichen Konstellationen einige Male gesehen hat. Dazu gehört, wenn Alice ihre Freundinnen fragt, ob sie es wirklich als Innenausstatterin versuchen soll, weil sie nicht eine dieser Hausfrauen sein will, die glauben, aus jedem Hobby einen Beruf machen zu können. Oder wenn Alice klar erkennt, dass eine Beziehung zu Ende ist. Hier deutet sich eine emanzipatorische Schlagrichtung an, aber letztlich bleibt es bei Momentaufnahmen. Denn die Macht einer Frau besteht in diesem Film lediglich im Familiären und bei Beziehungen.

Gegen das schwache Drehbuch kann auch Reese Witherspoon nur wenig ausrichten. Sie darf nur in wenigen Momenten stark und energisch sein, stets ist die Inszenierung darauf bedacht, dass sie ebenso niedlich und bewundernd ist. Und vor allem nett. Alice lässt ihre Mutter entscheiden, dass drei Fremde bei ihr wohnen. Sie rügt ihren Ehemann zwar, dass er unangekündigt vor der Tür steht, nimmt seine wiederholte Äußerung aber, dass er „seine“ Töchter und „seine“ Frau nicht mit fremden Männern wohnen lassen kann, einfach so hin. Obwohl er doch ein Mann ist, der sich bisher nicht sonderlich um seine Familie gekümmert hat. Und sie getrennt sind. Aber hier darf nichts die schöne Oberfläche zerstören, nein, in diesen Film darf keine Unordnung einkehren.

Deshalb soll Alice zwar eine Frau sein, die schon einiges hinter sich hat – aber damit sind eine Ehe und zwei Kinder gemeint. Ansonsten nämlich scheint Alice keine Schwierigkeiten zu haben: Weder damit, sich alleine um zwei Kinder zu kümmern, noch ihren Lebensunterhalt zu bestreiten oder alleine eine Selbständigkeit zu finanzieren. Deshalb besteht die große Revolution dann auch darin, dass sie sich am Ende für keinen der Männer entscheidet.

Die große Kunst einer romantischen Komödie besteht darin, dass man sich für die Charaktere interessiert – aber hier sind niemals Charaktere zu sehen, sondern lediglich Figuren, denen in einem Drehbuch eine bestimmte Funktion beigegeben wurde: der Verführer, der Versteher, der gute Freund. Deshalb sind die Männer, die zur Wahl stehen, vorhersehbar und konventionell: Harry ist als angehender Regisseur bestimmend und manipulierend, Schauspieler Teddy entspricht einem jüngeren Bruder für Alice, während George sich als Drehbuchschreiber besonders gut in andere Menschen einfühlen kann – was ihn laut eines Dialogs in diesem Film „weiblich“ werden lässt. Und das ist nur eine der Stellen, an denen ein Klischee zugunsten eines Gags bedient wird.
 

Liebe zu Besuch (2017)

Nancy Meyers hat die romantische Komödie in den vergangenen Jahrzehnten sehr geprägt – und ihre Filme haben einige Gemeinsamkeiten: Sie spielen alle in einer Schöner-Wohnen-Kulisse, gerne an pittoresken Orten wie den Hamptons und beschäftigen sich mit dem Liebesreigen heterosexueller weißer Amerikaner. Zudem sind ihre Protagonisten in der Regel wohlhabende Menschen, die sich über Kleinigkeiten wie Geld verdienen oder einen Job finden nur wenig Gedanken machen müssen. Und nicht nur hier folgt nun Hallie Meyers-Shyer in ihrem Regiedebüt „Liebe zu Besuch“ dem Vorbild ihrer Mutter.

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