Home (2016)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein schonungsloser Blick

Kevin ist gerade aus dem Jugendknast entlassen worden, wo er wegen schwerer Körperverletzung einsaß. Nun soll er resozialisiert werden, doch nach Hause kann er nicht zurück, da er und sein Vater sich miteinander in einem zermürbenden Kleinkrieg befinden. Also findet er nach seiner Entlassung Unterschlupf bei seiner Tante Sonja, seinem Onkel Willem, bei dem er ein Praktikum als Klempner absolviert, und seinem Cousin Sammy. Über letzteren und dessen Freundin Lina erhält er Zugang zu einer Gruppe von Teenagern, die abhängt, wilde Partys feiert und recht ziellos durchs Leben driftet.
Kevin freundet sich mit John an, einem nervösen jungen Mann, der komplett unter dem Diktat seiner psychisch labilen Mutter zu stehen scheint. Und mit der Zeit wird sich herausstellen, dass die Frau ihren Sohn nicht nur emotional, sondern auch sexuell missbraucht. Obwohl John dies immer wieder artikuliert, greift doch niemand ein, bis es schließlich zu der Katastrophe kommt, die das Leben von Kevin, John und Sammy von Grund auf verändern wird …

Es ist ein überaus harter Stoff, den die belgische Regisseurin Fien Troch hier basierend auf einer wahren Begebenheit präsentiert. Ihr Portrait einer verlorenen Jugend erinnert streckenweise ein wenig an Larry Clarks Kids, doch mit der Zeit entwickelt der Film seinen ganz eigenen Zugang und erzählt zunehmend nicht nur von seinen jungen Protagonist_innen, sondern auch vom zerrütteten Verhältnis der Generationen untereinander. Dabei sind es vor allem die Mütter, die als Gegenparts zu den Jugendlichen fungieren – behütend, aber ahnungslos wie im Falle von Sammy oder übergriffig und destruktiv wie im Falle von John. Die Väter hingegen sind weitgehend abwesend, sie bilden Nullstellen, die im Leben der Jugendlichen allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Und selbst in der Schule, in der wir zumeist männliche Autoritäten sehen, agieren die männlichen Bezugspersonen ausschließlich negativ und sanktionierend. Verständnis oder gar Zuneigung sind in der Welt, von der Home berichtet, eine absolute Fehlanzeige. Insofern ist der Titel des Films, das Heimische und Heimelige, also der Ort, an dem man sich geborgen und aufgehoben fühlt, eine trügerische Benennung.

Fien Troch zeigt diese Welt in kühlen Bildern, die das komplizierte Beziehungsgeflecht sachlich taxieren, nur gelegentliche Großaufnahmen in die Gesichter und auf die Hände geben dem Zuschauer eine Ahnung davon, was sich hinter den coolen Fassaden und einstudiert wirkenden Gesten der Jugendlichen wirklich abspielt. Gelegentlich überlässt der Film den Jugendlichen den Bildraum, indem er leinwandfüllend Fotos und Videos von den Mobiltelefonen zeigt – dies sind Momente, in denen wir ihnen plötzlich sehr viel näher sind als sonst, sie lächeln scheu in die Kamera, sind albern, schneiden Grimassen und wirken auf einmal, als seien sie ganz normale Heranwachsende. Es sind kurze Momente des Glücks, des Bei-sich-Seins in einer Welt, die geprägt ist von Lieblosigkeit, Hass und Gewalt. Und genau diese kleinen Momente machen den schonungslosen Blick auf das Leben von Kevin, Sammy und John umso schmerzvoller.

Home (2016)

Kevin ist gerade aus dem Jugendknast entlassen worden, wo er wegen schwerer Körperverletzung einsaß. Nun soll er resozialisiert werden, doch nach Hause kann er nicht zurück, da er und sein Vater sich miteinander in einem zermürbenden Kleinkrieg befinden. Also findet er nach seiner Entlassung Unterschlupf bei seiner Tante Sonja, seinem Onkel Willem, bei dem er ein Praktikum als Klempner absolviert, und seinem Cousin Sammy.
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