Coriolanus (2011)

Eine Filmkritik von Lida Bach

Die Perversion des Militarismus

Die Klinge ist noch nicht scharf genug. In quälender Monotonie wiederholt sich das Knirschen der Waffe, die über den Schleifblock gleitet. Es ist der Klang des Krieges, das einzige Geräusch, das Caius Martius (Ralph Fiennes) noch wahrnehmen kann. Als er das Messer schleift, ist er noch nicht „Coriolanus“. Den Beinamen verdient sich der düstere Titelcharakter, den Ralph Fiennes in seiner abgründigen Shakespeare-Adaption selbst verkörpert, erst im Laufe des Films. Er verdient ihn sich mit der Klinge, die er schleift. Die Klinge ist niemals scharf genug.

Die Anfangsszene gleicht einer minutiösen psychologischen Analyse des Hauptcharakters. Kampf ist das einzige, worauf Coriolanus sich konzentriert. Der Waffe widmet er mehr Fürsorge als seiner Ehefrau Virgilia (Jessica Chastain) oder seinem Sohn. Als er beide nach der siegreichen Rückkehr aus der Schlacht wiedersieht, vergleicht Coriolanus Virgilias Tränen mit denen einer Soldatenwitwe. Sein Umfeld kann er nur durch den Zerrspiegel des Krieges wahrnehmen. Die Gewalt hat den Gaius Martius auf eigene Weise traumatisiert, der nun den Ehrentitel „Coriolanus“ trägt. In der abtrünnigen Provinz Corioles hat der römische Heerführer die rebellierenden Volsker unterworfen. „In einem Staat namens Rom“ siedelt Fiennes die Handlung an. Ein Rom, das in von fast dokumentarischer Rohheit in Serbien gefilmt wurde. Gezielt weckt Coriolanus ebenso Assoziationen mit realen Kriegsbildern aus dem Nahen Osten.

Eines Tages muss er selbst über die Klinge springen. Jede Faser von Coriolanus Körper weiß es und hat sich damit abgefunden. Tod bedeutet Ehre, Niederlage heißt Schande, Kriegsruhm ist der höchste Ruhm. Von Kindheit an ist Coriolanus in diesem Glauben aufgewachsen. Der General ist der gewalttätigste unter den Charakteren. Noch martialischer aber ist seine Mutter Volumnia (Vanessa Redgrave). Hätte sie zwölf Söhne, sollten lieber elf nobel für ihr Land fallen, als das einer sich außerhalb des Militärdienstes dem Überdruss hingibt, sagt die von Redgrave mit kühler Entschlossenheit gespielte Soldatenmutter. Stolz kann Volumnia für Coriolanus nur empfinden, wenn er sich im Kampf bewährt. Den Wertmaßstab, von dem er geprägt wurde, wendet der General auch auf seinen eigenen Sohn an. Nur einmal betrachtet er den Jungen mit so etwas wie Zuneigung; als der Sohn dem aus Sicht der Römer zum Verräter gewordenen Vater droht, ihn sobald er erwachsen ist, selbst zu bekämpfen.

Gespenstisch fügt sich das archaische Gesellschaftsbild in ein modernes Szenario. Blutrünstig und schonungslos prangert die scharfsinnige Adaption des kontroversen und selten inszenierten Stücks von William Shakespeare die Perversion von Militarismus und Krieg an. Coriolanus ist kein mutiger Held, sondern ein Fanatiker, der so besessen ist vom Kampf, dass es zweitrangig ist, gegen wen er seine Aggressionen richtet. Verwandt fühlt er sich ausgerechnet seinem Gegner, dem Rebellenführer Aufidius (Gerard Butler). Einen Löwen, den zu jagen er stolz sei, nennt Coriolanus seinen Erzfeind, mit dem er sich nach einem an der eigenen Selbstherrlichkeit gescheiterten Versuch, Konsul zu werden, verbündet. Fast homoerotisch sind die Untertöne in den physischen Kämpfen der beiden Männern, die gleichzeitig Todfeinde und Seelenbrüder sind.

Letztendlich bringt Coriolanus nicht Aufidius oder ein Verräter zu Fall, sondern seine eigene, menschenfeindliche Verachtung für die Bevölkerung. Streitsüchtige Schurken, die sich an ihrer armseligen Meinung aufreiben, bis sie räudig seien, nennt er das hungernde Volk, das sich gegen den im Überfluss lebenden Senat auflehnt. Das Konzept der Demokratie ist Coriolanus als von Kriegsnarben übersätem Gewaltmenschen unverständlich. Das Volk lässt er ins offene Messer laufen. Dass er seinem entmenschlichten Helden symbolisch das gleiche Schicksal widerfahren lässt, ist Ralph Fiennes bitter-zynisches Fazit. Es ist der vermeintlich heroische Tod, wie ihn Coriolanus sich gewünscht hat. Ehre, wem Ehre gebührt.
 

Coriolanus (2011)

Die Klinge ist noch nicht scharf genug. In quälender Monotonie wiederholt sich das Knirschen der Waffe, die über den Schleifblock gleitet. Es ist der Klang des Krieges, das einzige Geräusch, das Caius Martius (Ralph Fiennes) noch wahrnehmen kann. Als er das Messer schleift, ist er noch nicht „Coriolanus“.

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