Beziehungsweise New York (2013)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Chaos namens Leben

Das Leben könnte so einfach sein, wenn es nur immer von einem Punkt A zu einem Punkt B führen würde. Doch ein gradliniger Verlauf ist reine Illusion, wie der mittlerweile vierzigjährige Franzose Xavier (Romain Duris) ununterbrochen feststellen muss. Egal, was der Schriftsteller auch unternimmt, geordnete Verhältnisse erreicht er nicht. Nach der Studentenkomödie L’auberge espagnole und dem Nachfolger L’auberge espagnole – Wiedersehen in St. Petersburg schickt Cédric Klapisch seinen kosmopolitischen Protagonisten erneut (wahrscheinlich ein letztes Mal) auf die Suche nach dem Glück und einem festen Platz im Leben. Ein chaotisch-buntes Abenteuer, mit Witz und Leichtigkeit erzählt, das ernste Wahrheiten aber nicht unterschlägt.

Viel Zeit ist seit dem unvergesslichen Erasmus-Jahr in Barcelona vergangen, das Xavier zu der Einsicht gebracht hat, seine Zukunft nicht nach karrieretechnischen Gesichtspunkten auszurichten. Beruflich widmet er sich nach wie vor seiner großen Leidenschaft, der Schriftstellerei, und durchläuft dabei Höhen und Tiefen. Gleiches gilt für sein Privatleben, denn seine Ehefrau Wendy (Kelly Reilly), die er seit seinem Auslandsaufenthalt kennt, hat sich von ihm getrennt und zieht mit den gemeinsamen Kindern nach New York, zu ihrem neuen Freund. Xavier, der parallel eine handfeste Schreibblockade abzuschütteln versucht, macht kurzerhand Nägel mit Köpfen und siedelt ebenfalls in den Big Apple über, wo er zunächst bei seiner früheren WG-Mitbewohnerin Isabelle (Cécile De France) und deren Lebensgefährtin unterkommt. Ruhe findet der Schriftsteller jedoch nicht: Wendy ist über sein Auftauchen alles andere als begeistert. Die Wohnungssuche gestaltet sich äußerst kompliziert, und plötzlich steht auch noch seine Ex-Freundin Martine (Audrey Tautou) vor der Tür. Turbulenzen ohne Ende, die Xavier, von seinem Verleger ermuntert, schließlich als Stoff für sein neues Buch verwendet.

Die Metaebene des Romans bricht gleich zu Beginn hervor und ist eine von vielen vergnüglichen Spielereien, auf die Regisseur und Drehbuchautor Klapisch zurückgreift, um seine Geschichte abwechslungsreich zu gestalten. Kleine Cartoon-Sequenzen kommen ebenso zum Einsatz wie der New Yorker U-Bahn-Plan, der die großen Entfernungen in der Weltmetropole veranschaulichen soll. In Momenten, in denen Xavier mit Entscheidungen ringt, tauchen überdies die Philosophen Hegel und Schopenhauer auf und helfen dem verzweifelten Franzosen mit kryptischen Ratschlägen auf die Sprünge. Ein Einfall, der prätentiös und albern erscheinen mag, jedoch in erster Linie augenzwinkernd auf „L’auberge espagnole“ verweist, wo kein Geringerer als Erasmus von Rotterdam Xavier sporadisch zur Seite steht.

Wichtiger als die inszenatorischen Experimente ist freilich das altbekannte Figurenpersonal, das nichts vom Charme der früheren Filme eingebüßt hat. Xavier und seine Mitstreiterinnen sind älter geworden, reifer, tragen aber noch immer Sorgen, Zweifel und Zukunftsängste mit sich herum, was sie für den Zuschauer rundum sympathisch macht. Denn gerade jenseits der Leinwand ist das Leben eine ständige Baustelle. Beziehungen gehen zu Bruch, Missverständnisse belasten Freundschaften, und Zufälle bestimmen den Lauf der Dinge. Vermeintlich banale Weisheiten, die Klapisch gewitzt in seine sprunghaft-dynamische Handlung einfließen lässt.

Im Grunde erzählt Beziehungsweise New York viele kleine Geschichten, die nicht vor Klischeebildern zurückschrecken, diese aber auch ironisch unterlaufen. So ist Wendys neuer Freund ein waschechter Ken-Doppelgänger, gut aussehend und muskulös, dem Xavier sichtlich irritiert gegenübertritt. Zum obligatorischen Hahnenkampf kommt es zwischen den beiden Männern allerdings nicht. Im Gegenteil, John bringt, anders als seine Partnerin, sogar erstaunlich viel Verständnis für Xaviers Umzug und seinen Wunsch nach Mitbestimmung bei der Kindererziehung auf. In einer anderen Szene spielt Klapisch gekonnt mit New Yorks Eigenschaft als Schmelztiegel der Kulturen. Auf der Suche nach Arbeit wird Xavier bei einem Kurierdienst vorstellig und überrascht die Mitarbeiter mit seinen in Barcelona erworbenen Sprachkenntnissen. Eine von unzähligen Stellen, an denen der Film, wie seine Vorgänger auch, offen für Pluralität eintritt.

Sieht man von kleineren Ungereimtheiten – Stichwort: Lösung des Wohnungsproblems – und dem etwas unvermittelt-süßlichen Ende ab, macht das Wiedersehen mit Xavier und Co richtig Spaß. Klapisch fängt das heute grassierende Phänomen einer unsicheren Lebensplanung präzise ein, lässt sich jedoch nie zu übermäßigem Pessimismus hinreißen. Vielmehr kann der Zuschauer die Erkenntnis mitnehmen, dass das Leben oftmals nur „normal kompliziert“ ist, um es mit Martines Worten auszudrücken.
 

Beziehungsweise New York (2013)

Das Leben könnte so einfach sein, wenn es nur immer von einem Punkt A zu einem Punkt B führen würde. Doch ein gradliniger Verlauf ist reine Illusion, wie der mittlerweile vierzigjährige Franzose Xavier (Romain Duris) ununterbrochen feststellen muss. Egal, was der Schriftsteller auch unternimmt, geordnete Verhältnisse erreicht er nicht.

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Meinungen

chrissi · 04.05.2014

endlich wieder mal ein sehr schöner sehenswerter Film,diese Leichtigkeit,eben die Franzosen,dazu noch New York,kann ich nur weiter empfehlen!