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Der spanische Filmemacher Diego Llorente bannt ein paar „Notes on a Summer“ auf die Leinwand – und appelliert dabei an unsere eigenen sommerlichen Erfahrungen.

Notes on a Summer (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Melancholie und Leichtigkeit

Bereits der Titel drückt eine gewisse Nonchalance aus: Der 1984 geborene Drehbuchautor und Regisseur Diego Llorente strebt in „Notes on a Summer“ keine epische Erzählung an, sondern liefert uns kurze filmische Bemerkungen und Beobachtungen. Diese audiovisuellen Notizen können wiederum als Gedächtnisstütze dienen: Mit wenigen Stichworten und ein paar prägnanten Bildern wird uns etwas Großes in Erinnerung gerufen. Und in dem mental Wiedererlebten kann dann eine ganze Welt liegen.

Llorente stammt aus der spanischen Provinz Asturien. Und auch die Protagonistin Marta (Katia Borlado) hat ihre Wurzeln in dieser Gegend. Inzwischen wohnt sie in Madrid und arbeitet an ihrer Dissertation. So richtig voran geht es damit nicht, wenngleich ihr Stipendium schon bald endet. Gerade erst ist sie mit ihrem Freund Leo (Antonio Araque) zusammengezogen. Den Sommermonat August will sie bei ihren Verwandten in der Hafenstadt Gijón verbringen. Dort findet die Hochzeit eines befreundeten Paares statt; Leo soll zur Feier ebenfalls anreisen. Als sie in ihrem Heimatort ihrer Jugendliebe Pablo (Álvaro Quintana) wiederbegegnet, melden sich alte Gefühle zurück. Und plötzlich taucht Leo viel früher als erwartet auf.

„Im August gibt es keine Probleme“, heißt es an einer Stelle, als sich Marta mit einer Freundin an den Strand begibt. Die Lösung sämtlicher Schwierigkeiten könne nun einfach mal bis September vertagt werden. Diese aufschiebende Haltung, die uns vermutlich allen vertraut ist, fängt Notes on a Summer äußerst treffend ein.

In seiner Darstellung einer freien Zeit der Zerstreuung, die durch amouröse Komplikationen letztlich natürlich doch weitaus weniger unbeschwert als geplant ausfällt, lässt das Werk an die stimmungsvollen Urlaubsfilme Pauline am Strand (1983) und Sommer (1996) des Franzosen Éric Rohmer denken. Spaziergänge und Ausflüge an der Atlantikküste, Dösen auf der Couch, Schmökern in einem Buch oder (in der heutigen Zeit) Daddeln am Handy – der Alltag wirkt in diesen sonnigen Tagen angenehm fern.

Mit der Figur Marta haben Llorente und seine Hauptdarstellerin Katia Borlado zudem eine wunderbar ambivalente Heldin geschaffen, die es in ihrer Orientierungslosigkeit nicht immer darauf anlegt, vom Publikum gemocht zu werden. Phasenweise erlaubt es sich der Film sogar, dass Marta in der Dreieckskonstellation mit ihrem Partner Leo und ihrem einstigen Schwarm Pablo als die rücksichtsloseste der drei Personen erscheint: Sie verheimlicht Leo die begonnene Affäre mit Pablo – und beschert diesem Liebeskummer, als sie sich nach Leos überraschender früher Anreise zunächst nicht mehr bei ihm meldet. Während wir diesen Habitus bei männlichen Hauptfiguren, etwa in den Arbeiten von Philippe Garrel, recht häufig erleben, wird Protagonistinnen ein solches Verhalten deutlich seltener zugestanden.

Die Beziehung mit Leo in der gemeinsamen Wohnung in Madrid verspricht Stabilität; mit Pablo könnte Marta womöglich „arm, aber glücklich“ in Asturien sein, wie in einem Gespräch zwischen den beiden scherzhaft fantasiert wird. Das Schauspieltrio erfasst die unterschiedlichen Dynamiken in den zwei Verhältnissen sehr nachvollziehbar. Sowohl zwischen Marta und Leo als auch zwischen Marta und Pablo besteht Intimität – und doch funktionieren diese beiden Paarungen völlig unterschiedlich. Notes on a Summer erzählt weniger vom Treffen einer Entscheidung oder gar von der Illusion, es gäbe hier die ein(zig)e richtige Wahl, sondern vielmehr vom Suchen – und von der Angst, sich festlegen zu müssen.

Notes on a Summer (2023)

In  Madrid  hat  Marta  einen  geregelten  Alltag  zwischen  akademischer  Karriere und ihrer Beziehung zu Leo. Als sie jedoch in den Sommerferien in ihre Heimat fährt,  in  die  Provinz  Asturien  an  der  Atlantikküste, trifft  sie  auf  eine  alte  Liebe und  entdeckt  ein  Leben  wieder,  das  leichter,  sinnlicher,  aufregender  erscheint als das in Madrid. 

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