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Mit „Morgen ist auch noch ein Tag“ hat Paola Cortellesi in Italien zu Recht für Begeisterung gesorgt, indem sie den Frauen im Rom der Nachkriegszeit ein Denkmal setzt.

Morgen ist auch noch ein Tag (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Kleine Schritte eines langen Weges

Mit ihrem Regiedebüt „Morgen ist auch noch ein Tag“ gelang der als Schauspielerin und Moderatorin bekannten Italienerin Paola Cortellesi in mehrfacher Hinsicht ein großer Erfolg. Zum einen avancierte das Werk in ihrer Heimat zum meistbesuchten Film des Jahres 2023 und ließ damit internationale Blockbuster hinter sich. Zum anderen schuf sie gemeinsam mit ihren Co-Autor:innen Furio Andreotti und Giulia Calenda eine Erzählung, die auf kluge Weise in die Vergangenheit blickt und (leider) zugleich noch immer eine hohe Relevanz besitzt.

Inspirationsquellen für das Drehbuch seien die Biografien ihrer eigenen Großmütter gewesen, äußert Cortellesi in einem Statement: dramatische Geschichten, die dennoch „mit einer Bereitschaft zum Lächeln“ geschildert worden seien. Diese vermeintlich widersprüchliche Kombination aus Tragik und leiser Komik überträgt Cortellesi virtuos auf die inszenatorische Ebene.

Sie zeigt den tristen Alltag der Hausfrau Delia (verkörpert von ihr selbst), die im Rom des Jahres 1946 in der Nachkriegszeit mit ihrem Ehemann Ivano (Valerio Mastandrea), der jugendlichen Tochter Marcella (Romana Maggiora), den zwei jüngeren Söhnen Sergio (Mattia Baldo) und Franchino (Gianmarco Filippini) sowie dem bettlägerigen Schwiegervater Ottorino (Giorgio Colangeli) in einer Kellerwohnung lebt. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen der von Davide Leone geführten Kamera sind eine klare Hommage an den Italienischen Neorealismus. Der Film evoziert durch seine Gestaltung nostalgische Gefühle, bricht aber gekonnt mit ihnen, indem er nie vor ernsten Themen zurückschreckt und diese mit modernem Bewusstsein behandelt.

Delia ist in ihrer Ehe, wie viele ihrer Nachbarinnen, ständiger psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt. Die verbalen Schikanen durch Ivano und den ebenso tyrannischen Ottorino, den sie neben der Hausarbeit und diversen schlecht bezahlten Aushilfsjobs noch pflegen muss, nimmt sie widerstandslos hin. Und auch die brutalen körperlichen Angriffe ihres Gatten scheinen für sie beinahe zur Gewohnheit geworden zu sein. Der Film illustriert dies, indem Ivanos Ausbrüche als Tanzchoreografien in Szene gesetzt werden. Diese leichten Musical-Mittel, mit denen wir im Allgemeinen Heiterkeit assoziieren, verharmlosen die Taten keineswegs – sondern bringen auf den Punkt, dass die Gewaltakte von Delia nach all der Zeit schon gar nicht mehr hinterfragt werden. Längst wurden sie als fester Bestandteil des Patriachats akzeptiert und gewissermaßen wie vorgegebene Tanzbewegungen „eingeübt“.

In kleinen Schritten versucht sich Delia indes aus diesem fatalen Tanz zu lösen. Einem Brief und dem aufmerksamen afroamerikanischen Soldaten William (Yonv Joseph) kommen dabei Schlüsselrollen zu, vor allem aber Delias Tochter, die mit Giulio (Francesco Centorame), einem jungen Mann aus der Mittelschicht, verheiratet werden soll. Zunächst glaubt Delia, all ihre Energie in diesen Plan stecken zu müssen, damit Marcella es eines Tages mal besser als sie selbst haben kann – bis sie bemerkt, dass ihre Tochter dem Unglück auf diesem Wege nur ebenfalls „entgegentanzen“ würde. Marcella wiederum muss begreifen, dass es falsch ist, ihrer Mutter vorzuwerfen, die Misshandlungen durch Ivano einfach so zu ertragen, und somit das Opfer zu beschuldigen.

Morgen ist auch noch ein Tag ist ein beeindruckender Film über Emanzipation, angesiedelt in einer Ära, in der den von häuslicher Gewalt Betroffenen jeglicher Rückhalt und zumeist gar die nötigen Worte fehlten, um sich zu wappnen. Sowohl in der Hauptrolle als auch auf dem Regiestuhl beweist Cortellesi ihre Hingabe. Sie macht Delias anfängliche Resignation und den allmählich wachsenden Willen, etwas zu ändern, spürbar – und liefert, unterstützt durch die hervorragende Kameraarbeit, die stimmige, zuweilen überraschend wuchtige Musik von Lele Marchitelli und die detailreiche Ausstattung von Fiorella Cicolini, ein Werk, das in Erinnerung bleiben wird – wie die Geschichten, die es inspirierten.

Morgen ist auch noch ein Tag (2023)

Italien in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Für Delia (Paola Cortellesi) sind der Haushalt, die Erziehung ihrer drei Kinder und harte körperliche Arbeit genauso alltäglich wie die Schläge und Erniedrigungen ihres cholerischen Ehemanns Ivano (Valerio Mastandrea). Doch es gelingt ihr, der Männerwelt immer wieder mit kleinen Siegen zu trotzen und sich für ihre Tochter auf den langen, steinigen Weg zur eigenen Unabhängigkeit zu macht.

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Meinungen

wignanak-hp · 09.04.2024

Der Film begeistert einfach nur!!!!!

Barbara · 14.04.2024

Denkst du ich kann mit meiner Mutter als Überraschung zum Muttertag diesen Film anschauen?

Oder ist er für den Muttertag zu kritisch?

Renate Kramer · 04.04.2024

Ich kann es kaum erwarten den Film zu sehen.

Andrea Baumann · 02.04.2024

Freu mich schon auf den Film 😊

Rainer Klar · 11.03.2024

Freue mich auf den Film

Helga Festi · 22.03.2024

Durch meinen italienischen Mann und seine norditalienische Familie gibt es unendlich viele Erzählungen aus dieser Zeit. Mein Mann ist erst 1943 geboren und hat das Leben der letzten Kriegsjahre und der nachfolgenden Nachkriegszeiten in seiner Heimatmit der bestehenden Einfachheit der Lebensumstände , teils Verzicht und teils äermlich, äußerst gut wiedergegeben. Somit bin ich sehr gespannt darauf, wie der Film mein "Kopfkino" widerspiegelt. Zumal auch ich bereits seit 1958 Italien intensiv erlebt habe und mir daher auch die kleinen Städte oder die Dörfer mit den Abläufen des täglichen Lebens gut bekannt sind.